Hamburg. Um das Wasser als Ressource nutzen zu können, werden neue Stadtteile und Wohnquartiere anders geplant. Einige Beispiele.

Zu heiß, zu trocken, dann wieder viel zu viel Wasser. Die Auswirkungen des Klimawandels, die durch die zunehmende Versiegelung noch begünstigt werden, sind auch in Hamburg immer deutlicher zu spüren. Die zunehmenden Starkregenereignisse haben bereits zu stadtplanerischen Anpassungen geführt.

Schon lange schaffen Siele mit größerem Durchmesser mehr Kapazitäten in der Kanalisation. Und seit 2015 gibt es den RISA-Strukturplan Regenwasser 2030 (RISA steht für RegenwasserInfrastrukturAnpassung). Ziel: Es soll weniger Regenwasser in die städtische Kanalisation gelangen, sondern stattdessen vor Ort versickern oder verdunsten.

Etliche größere Maßnahmen wurden bereits umgesetzt. So gibt es in Neugraben-Fischbek seit 2013 Deutschlands ersten Regenspielplatz, dessen Sickerbecken und Regenwassermulde im Starkregenfall zur Entwässerung des Stadtteils beitragen.

Hamburg: Riesige Tanks in Billstedt sollen vor Überflutungen schützen

Und unter dem kürzlich modernisierten Hein-Klink-Stadion an der Möllner Landstraße in Billstedt verbergen sich jetzt riesige Tanks, in die nach Starkregen kontrolliert Wasser eingeleitet wird, um dann versickern zu können – eine bundesweit einzigartige Notentwässerungsanlage, die 500.000 Liter Wasser zurückhalten und so das Quartier vor Überflutungen bei Starkregenereignissen schützen kann.

Ähnlich verhält es sich mit der zentralen Wiese in der Mitte Altona. Wenn das Regenwassersiel an seine Kapazitäten kommt, wird die Rasenfläche überflutet: Durch deren Neigung staut sich das Wasser dann vor der Sitzstufenanlage am nördlichen Rand – und kann dort langsam versickern oder verdunsten.

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Doch längst geht es der Stadt beim Thema Wasserrückhalt nicht mehr nur darum, Überschwemmungen zu verhindern. Regenwasser gelte mittlerweile als wichtige Ressource im Kampf gegen die Auswirkungen des Klimawandels, sagt Dieter Polkowski, der in der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) die Abteilung Projekte leitet.

Wasser im Boden zurückhalten

„Die zunehmenden Temperaturen machen es für Natur und Stadtklima dringend erforderlich, dass Wasser im Boden zurückgehalten wird.“ Versickere es, komme es etwa den umstehenden Straßenbäumen zugute, deren Bewässerung angesichts längerer Trockenperioden zu einer immer größeren Herausforderung werde. Verdunste es, trage das entscheidend zur Regulierung des Mikroklimas bei.

Seit Jahren schreibt Hamburg Bauherren je nach Kapazität der Entwässerungsanlagen bereits vor, wie viel Regenwasser sie dort hinein leiten dürfen und welche Mengen im Boden zurückhalten müssen. Eine Generallösung gibt es dafür aber nicht. „Jeder Ort muss hinsichtlich seiner Funktion und Nutzung einzeln betrachtet werden“, so Polkowski.

In Oberbillwerder versickert das Wasser nicht

Es habe zum Beispiel keinen Sinn, dort Grünflächen anzulegen, wo sie sehr stark genutzt werden. „Bei starker Strapazierung ist der Boden schnell so stark verdichtet, dass er kein Wasser mehr aufnehmen kann.“ In diesen Situationen sei es sinnvoller, die Bereiche zu pflastern und mit einer Neigung anzulegen, die das Regenwasser in Rasenmulden oder Erdspeicher leitet, wo es versickern oder gespeichert werden kann.

Entscheidend ist auch, wo gebaut wird. Denn die Bedingungen bei innerstädtischen Quartieren sind ganz andere als etwa in der Bergedorfer Marsch, wo der Stadtteil Oberbillwerder geplant ist. „In Oberbillwerder ist der Grundwasserstand sehr hoch. Das Wasser versickert hier nicht, sondern läuft über Gräben ab“, sagt Alexander Prochaska. Der Ingenieur ist bei der IBA GmbH verantwortlich für die Entwässerungsplanung in dem neuen Stadtteil.

Wasserrückhalt ist nicht das einzige Ziel

Auch, weil für dessen Bau nicht in das Grundwassersystem der Marsch eingegriffen werden darf, werden zunächst eine Million Kubikmeter Sand aufgeschüttet. Darauf wird eine ringförmige Grünanlage entstehen – der „Grüne Loop“, in den alles Oberflächenwasser geleitet werden und zeitweise verbleiben soll. Wasserrückhalt ist hier aber nicht das einzige Ziel. „Der Loop soll ein Erlebensraum werden. Hier sollen Kinder planschen und Erwachsene sich beim Anblick des Wasser erholen können“, sagt Prochaska.

Neben dem Loop dient auch das sogenannte „blauen Quartier“ – ein von Fleeten durchsetzter Bereich im Südwesten des neuen Stadtteils – der Entwässerung. Gemeinsam bieten sie genügend Volumen, um Starkregenereignisse komplett abzufedern. Das müssen sie auch. Denn um das stark beanspruchte Pumpwerk Allermöhe zu entlasten, darf in Oberbillwerder nur eine bestimmte Wassermenge in einen großen Graben parallel zum Bahndamm südlich des Quartiers geleitet werden.

Auf dem Grasbrook will man auf ein Regenwassersiel verzichten

Auf dem Grasbrook, wo ebenfalls ein neuer Stadtteil entstehen wird, gibt es wieder andere Herausforderungen. Anders als in der HafenCity soll das Regenwasser hier nicht in Elbe oder Hafenbecken geleitet werden. Auf ein eigenes Regenwassersiel will man sogar komplett verzichten. „Sämtliches Wasser, das anfällt, soll zurückgehalten werden“, sagt Andreas Schneider, der für die Freiraumplanung bei der HafenCity Hamburg GmbH verantwortlich ist. So sollen alle geeigneten Gebäude Retentionsdächer erhalten, die in Anstaubereichen unter der Begrünung Regenwasser speichern, es für die Vegetation verfügbar halten oder über Verdunstung langsam in die Atmosphäre abgeben.

Überschüssiges Wasser soll über Mulden versickern oder in Speicherelemente in den Innenhöfen und Grünflächen geleitet werden. Es kann dann etwa für die Gartenbewässerung genutzt werden. Gullis und Siele wird es auf dem Grasbrook, der wie eine Warft 9,70 Meter über dem Meeresspiegel angelegt wird, kaum geben.

Konzepte für einen streusalzfreien Winterdienst

„Nur in Extremfällen soll das Regenwasser in die Elbe geleitet werden“, so Schneider. Innovativ sind auch die Pläne für das Regenwasser, das auf den Straßen und Plätzen hier anfällt: Es soll ebenfalls in Zisternen und Erdspeichern aufgefangen werden, um dann verdunsten oder versickern zu können. Sauber genug dafür sei es, versichert Schneider. „Da der Stadtteil autoarm ist, wird das Regenwasser weitgehend frei sein von Gummiabrieb oder Feinstaub.“

Um es auch im Winter frei zu halten von schädlichen Salzen, wird an Konzepten für einen streusalzfreien Winterdienst gearbeitet – beispielsweise unter Einsatz von Ameisensäure.