Hamburg. Gerd Rindchen speist heute an der Elbchaussee. Dort setzt man auf Qualitätsprodukte für italienische Köstlichkeiten.
Das Ristorante bzw. die Pizzeria Mamma Mia in Ottensen, unweit der Fabrik, genoss 39 Jahre lang einen ausnehmend guten Ruf für authentische, liebevolle italienische Küche. Allein: Das Gebäude steht leer, dem Untergang geweiht. Vielleicht wachsen hier ja bald mehrstöckige Wohnhäuser, von Bauträgern zwecks Ertragsoptimierung gern „Stadtvillen“ genannt.
Doch wer ob der blinden Fensterhöhlen, die vorwurfsvoll auf den regennassen Asphalt der Barner Straße starren, Trübsal bläst, dem sei gesagt: „Barmet und zaget nicht, das Mamma Mia ist längst auferstanden!“ Es tarnt sich mittlerweile unter dem Namen Il Gambero, ist 1,3 Kilometer weiter an die Elbchaussee 94, wo vorher das Landhaus Dill seine letzte Runde drehte, gezogen und hat sich preislich und vom hellen, schönen Interieur her ein ganz klein wenig an die neue, noble Adresse angepasst.
Il Gambero lockt mit italienischen Köstlichkeiten
Aber es sei den Betreibern und Ex-Mamma-Mia-Bossen Mario Della Negra, dem Grandseigneur im Service, und seinem Partner, dem vorzüglichen Koch Luigi Coluccia, gern nachgesehen, da sie eine an sich einfache, aber in der Gastronomie schmerzlich oft nicht befolgte Weisheit beherzigen: dass sehr gutes Essen nur aus sehr guten Produkten entstehen kann.
Und die verwandeln sich hier unter den Händen von Luigi und seiner Küchencrew in traditionelle, in der Regel perfekt zubereitete italienische Köstlichkeiten. Die Fixiertheit der Küche auf gute Produkte zeigt sich schon bei den Vorspeisen: So besteht der Klassiker Schinken mit Melone hier aus hauchzartem, perfekt gereiftem Bio-Culatello (ein Culatello verhält sich gegenüber gemeinem Parmaschinken etwa so wie Bentley gegenüber Dacia) mit à point gereifter Honigmelone (13,50 Euro).
Vorspeisenplatte für den kleinen Hunger
Apropos Vorspeisen – wer das Il Gambero mit nur mäßigem Hunger entert, kann den Mittag oder Abend spielend mit einer besonderen Empfehlung des Patrons, die nicht auf der Karte steht, bestreiten: der prachtvollen, kalt-warmen Vorspeisenplatte, die ab zwei Personen serviert wird (24 Euro p. P.).
Dabei gesellen sich zum eingangs erwähnten Prosciutto Culatello e Melone noch ein schulmäßig zubereitetes Vitello Tonnato (Kalbsfiletscheiben mit hocharomatischer Thunfischsauce und Kapern), zarte gebratene Calamaretti, fein gekräutert und mit Knoblauch und süßen Kirschtomaten aromatisiert, klassisches Carpaccio vom Rinderfilet mit Rucola und Parmesan, kleine, feine Burratini mit Kirschtomaten, gebratene Rinderfiletspitzen mit Kräutern und Knoblauch, geschmorte Edelpilze, grüner Spargel in Buttersauce und ein wenig köstlicher Auberginenauflauf mit Parmesan. Das ist alles von großer Güte und sein Geld absolut wert.
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Pastagerichte an deutsche Konsumvorlieben angepasst
Wenn Sie danach noch Appetit verspüren, können Sie sich ja zu zweit an einer der klassischen Pizzen laben, die mit perfektem, dünn-knusprigem Boden und kundiger Zubereitung ebenfalls an ruhmreiche Mamma-Mia-Zeiten anknüpfen: Ob als ursprüngliche Margherita (9 Euro), als nachgerade Dante’sche, pikante „Inferno“ (mein Favorit mit scharfer Salami, scharfer Tomatensauce, Schinken, Zwiebeln, Peperoni und Artischocken für 15 Euro) oder als elegante Rucola e Culatello (15,50 Euro).
Bei den Pastagerichten sind primär die klassischen abruzzischen Spaghetti Aglio, Olio e Peperoncino (9,50 Euro) oder die Spaghetti al Ragú mit Kalbsragout in Tomatensauce (11,50 Euro) empfehlenswert, bei fast allen anderen Nudeln hat sich die Küche, Gott sei’s geklagt, über die Jahrzehnte deutschen Konsumvorlieben angepasst und serviert an sich uritalienische Rezepturen wie Spaghetti al Pesto oder Carbonara sowie sonstige Tomatensaucen unter vermeidbarer Zuhilfenahme von Sahne.
Selbiger Sahne entgeht man bei einigen der Hauptgerichte, so man sich zum Beispiel die zarte Kalbsleber in Butter und Salbei (22 Euro) oder die hervorragenden, frischkräuterigen Lammkoteletts vom Grill mit Knoblauch (24 Euro) bestellt. Dazu locken wöchentlich wechselnde, saisonale Spezialitäten (aktuell: Trüffel und Pfifferlinge) und von Dienstag bis Freitag ein recht preisgünstiger, ebenfalls Woche um Woche neu aufgelegter Mittagstisch, der nach einem kleinen Vorsüppchen beispielsweise als gebratener Kabeljau in körniger Senfsauce mit Salat (12,90 Euro) oder Fleischmedaillons mit Pilzen in Weißweinsauce (11,90 Euro) aufwartet.
Lauschiger Gastgarten mit Panoramablick
Die Weinkarte ist beherzt kalkuliert, weitgehend innovationsbefreit und setzt auf bekannte Etiketten. Bei den Weißweinen muss es dabei nicht unbedingt der leicht süßliche, leicht prickelnde Lugana Ca’dei Frati, Deutschlands beliebtester Limonadenersatz (35,50 Euro), sein, denn mit dem Ribolla Gialla von La Tunella (38,50 Euro) lockt ein seriöser, dichter und komplexer Tropfen aus Marios friulanischer Heimat. Bei den Roten könnte ich mir den herzhaften Cabernet von La Tunella (37 Euro) ganz gut zu den Lammkoteletts vorstellen.
Wer auf Nummer sicher gehen und ein paar mehr Taler ausgeben möchte, greift zum verlässlichen Zweitwein von Ornellaia, dem Le Volte (49,50 Euro). Einen Riesenvorteil hat das Il Gambero gegenüber dem Vorgängerladen: Es kann mit einem lauschigen Gastgarten mit Panoramablick über die pulsierende Elbchaussee aufwarten. Hier zu sitzen zählt zu den angenehmen Genusserlebnissen in der Hansestadt.