Hamburg. Sie sind die letzten ihrer Art und machten den Hafen seinerzeit zum schnellsten der Welt - jetzt werden die Kampnagelkräne saniert.

Ihretwegen galt der Hamburger Hafen einst als der schnellste der Welt. Doch fast alle der um 1939 bei Kampnagel gebauten Roll-Dreh-Wippkräne wurden später von der Stadt verschrottet. Die zwei letzten Modelle aus dieser zweiten Generation der Elektrokräne stehen seit 1989 im Holzhafen Altona. Per Schwimmkran wurden sie damals aus anderen Hafenbereichen gebracht, an Land gehievt und der Authentizität halber auf ein paar Meter der Schienen gestellt, auf denen sie sich jahrzehntelang entlang der Kaimauern bewegt hatten.

Waren die Kräne bei ihrer Ankunft damals in einem deutlich besseren Zustand als ihre Umgebung, wirkten sie – übersät mit Rost und Graffiti – zuletzt fast wie Schandflecke. Denn ihre Nachbarschaft ist im Laufe der Jahrzehnte immer vornehmer geworden: Im 2011 gleich nebenan errichteten Krystall Tower liegen mit die teuersten Wohnungen in Hamburg, auf der anderen Seite entstand ein schicker Bürokomplex – beides Teile der architektonischen „Perlenkette“, die entlang der Elbe entstanden ist.

Stadt übernimmt 150.000 Euro

„Der Standort mit den Hafenkränen ist der letzte freie Platz direkt am Wasser“, sagt Carsten Jordan, der als Leiter des Hafenmuseums verantwortlich für die beiden Industriedenkmäler ist. Umso wichtiger war ihm ihre Restaurierung, für die er und seine Vorgänger fast 30 Jahre lang bei der Stadt geworben haben. Mithilfe des Museumsfördervereins Hafenkultur e.V., der rund 70.000 Euro für die Arbeiten einsammelte, ist es ihm gelungen: Die Stadt übernimmt 150.000 Euro, den Rest darf Jordan durch große Werbebanner generieren. Angebracht an allen vier Seiten der Baugerüste, hinter denen sich die Kräne derzeit verstecken, werden sie nachts sogar beleuchtet.

1989: Der erste Kran im Holzhafen.
1989: Der erste Kran im Holzhafen. © Henning Rademacher/Speicherstadtmuseum | Henning Rademacher/Speicherstadtmuseum

Insgesamt werden die Kosten der Restaurierung auf 340.000 Euro geschätzt. Die Werbeeinnahmen tragen also einen ordentlichen Teil dazu bei und sind entsprechend wichtig. Um den Werbekunden (derzeit Mercedes) möglichst attraktive Flächen bieten zu können, wurden die Kräne sogar ein Stück zur Straße versetzt. Allerdings nennt Jordan dafür auch einen zweiten Grund: so kann nämlich das Bezirksamt Altona die Kopfsteinpflasterfläche erneuern, die seinerzeit unter den Kränen verlegt wurde – und auf der die beiden Anlagen später wieder positioniert werden sollen.

Bis Ende Oktober sollen die Arbeiten abgeschlossen sein

Hinter den Werbebannern, aus denen nur die Spitzen der 19 Meter hohen Kräne gucken, riecht es nach Lack und Öl. Ein Generator dröhnt mit dem Schlagen eines Hammers um die Wette. Das Restauratorenteam um Projektleiterin Eva Wentland und ihren Kollegen Ronny Jaßmann hat viel zu tun: Bis Ende Oktober sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. „Ähnlich wie bei der Restaurierung eines Gemäldes ist es unser Bestreben, so viel wie möglich von der historischen Substanz und dem Zustand der Hafenkräne zu bewahren“, sagt Wentland. Und Jaßmann ergänzt: „An Ende werden wir viel gemacht haben, aber man wird es kaum sehen. Das ist dann Lob und Fluch zugleich.“

Rost, Graffiti: Ein Hafenkran vor der Einrüstung im Mai.
Rost, Graffiti: Ein Hafenkran vor der Einrüstung im Mai. © Andreas Westphalen | Andreas Westphalen

Mit ihrem Netzwerk InduKon haben die beiden Restauratoren bereits den Förderturm einer Erzlagestätte in Namibia und einen Laufkran in einer historischen Papierfabrik in Brandenburg aufgearbeitet. Der Name ist dabei Programm: InduKon steht für „Konservierung von industriellem Kulturgut“. So heißt auch ein wohl einzigartiger Studiengang der HTW in Berlin, den fast alle aus dem Team absolviert haben.

Mehrschichtiges Korrosionsschutzsystem

Wentland ist die Kran-Expertin. Während wir das Gerüst besteigen, erklärt sie den Aufbau der beiden aufgebockten Hafenkräne: Da ist der Unterwagen mit dem aufmontierten Schienenkranz, auf dem sich der mittig sitzende Oberwagen auf vier Rädern drehen kann. Im Inneren das Maschinenhaus mit dem Fahrstand, an dessen Hebeln und Schaltern der Kranführer das Hub- und Schwenkwerk, das Wippwerk und das Fahrwerk bedient hat. Die Restauratorin zeigt uns den Widerstandskasten mit den elektrotechnischen Einbauten und das, was sie und ihre Kollegen in den Wandschränken gefunden haben: einen alten Helm, Schnapsgläser, Teller und einen Kleiderbügel.

Schwimmkran versetzt Hafenkran.
Schwimmkran versetzt Hafenkran. © Andreas Westphalen | Andreas Westphalen

Da es ja um das Konservieren und nicht um das Erneuern geht, werden die grauen Lackfetzen, die hier von der Holzdecke hängen, mit einem Heizspatel wieder angelegt. „Die Metallteile werden hier im Innenbereich ausschließlich farblos konserviert“, sagt Wentland. Im Außenbereich werde das Metall dagegen gewaschen und mit einem mehrschichtigen Korrosionsschutzsystem konserviert, zu den wasserverdrängende Mittel und trocknende Öle gehören.

Größtes Projekt des Hafenmuseums Hamburg

Nur dort, wo das Äußere der Kräne so marode ist, das Wind und Wetter Schaden anrichten können, wird neues Material eingesetzt: Fensterscheiben, einige Stahlbleche, oder das ein oder andere Brett in der Dachkonstruktion. Als wir die oberste Gerüstplattform erreicht haben, recken sich die Auslegerspitzen vor uns in die Luft. Hier haben die Restauratoren die Drahtseile ausgewechselt, damit der mächtige Haken sicher daran hängt.

„Die Restaurierung der beiden Kräne ist derzeit das größte Projekt des Hafenmuseums Hamburg“, sagt Carsten Jordan. Das Resultat will er erstmalig am kommenden Tag des offenen Denkmals (11. und 12. September) präsentieren. Doch auch auf Anfrage sollen die „Kranjuwelen“ für Interessierte offen stehen.