Hamburg. Selbstauskünfte, Fotos und Hausbesuch: Wir zeigen, was Hamburger bei einer Bewerbung für ein Haustier beachten müssen.
Noch behalten die Hamburger ihre Tiere, die sie sich während der Corona-Pandemie angeschafft haben, und die gefürchtete Abgabe oder das Aussetzen von Tieren bleibt aus. Vorerst. „Aber wir rechnen noch mit einer Abgabewelle“, sagt Sven Fraaß, Sprecher des Hamburger Tierschutzvereins. Damit die Menschen, die sich im Tierheim Hund, Katze, Kaninchen und Co. aussuchen, nicht wieder umentscheiden und ein Tier loswerden wollen, ist das Vermittlungsprozedere vorab sehr ausführlich – zum Wohle des Tieres.
Einfach vorbeikommen und sich einen tierischen Mitbewohner aussuchen, diese Zeiten sind schon lange vorbei. Ein Tier zu sich zu holen gleicht einer Adoption inklusive Bewerbungsverfahren und detaillierten Auskünften.
Klare Worte aus Hamburg: „Tierheim ist kein Basar"
„Es wäre eigenartig, wenn es uns nicht wichtig wäre, wie einer unserer Schützlinge gehalten wird. Ein Tierheim ist kein Basar oder Online-Flohmarkt, wie es viele Portale leider sind“, sagt Sven Fraaß. Gerade in Corona-Zeiten haben die Tierheim-Mitarbeiter viele unüberlegte Anfragen erhalten.
„Wir wollen nicht, dass Tiere nach der Homeoffice-Periode oder in Zeiten unbeschwerter Reisen plötzlich zu uns zurückkommen.“ Menschen, die ernsthaft an einem Haustier interessiert sind, sollten sich auf der Homepage des Tierheims Süderstraße einen Überblick der zu vermittelnden Tiere verschaffen und sich dann per E-Mail oder telefonisch melden, falls sie das Tier kennenlernen wollen.
Spontan vorbeikommen – das ist nicht möglich
„Einfach spontan vorbeikommen, das geht während der Corona-Pandemie nicht“, sagt Fraaß. „Weil unsere Mitarbeiter noch nicht geimpft sind.“ Zu hoch wäre das Risiko, dass aufgrund eines positiv getesteten Besuchers alle Tierheim-Mitarbeiter in Quarantäne müssten. „Wer sollte dann die Tiere pflegen?“, fragt Fraaß.
Wer ein Tier adoptieren möchte, muss eine Selbstauskunft ausfüllen und eine schriftliche Erlaubnis des Vermieters über die Tierhaltung vorweisen. Geht es um einen Hund oder eine Katze, müssen in der Selbstauskunft Fragen beantwortet werden wie: Ist das Tier zeitweise auch unter anderen Adressen anzutreffen? Wie viele Personen leben im Haushalt? Kinder? Alter? Wohnen die zukünftigen Tierhalter zur Miete oder in Eigentum, wie groß ist die Wohnfläche? Gibt es einen Garten und ist dieser eingezäunt?
Schriftliche Genehmigung des Arbeitgebers nötig
Arbeitet der Bewerber im Schichtdienst? (Wenn der Hund mit zur Arbeit genommen werden darf, muss eine schriftliche Genehmigung des Arbeitgebers vorliegen.) Hat der Bewerber bereits Hundeerfahrung? Wie lange bleibt das Tier regelmäßig allein? Wer versorgt den Hund bei Krankheit oder Urlaub? Und: Sind die anderen Familienmitglieder mit dem Tier einverstanden?
„Gerade bei Hunden müssen wir klären, wie lange das Tier allein zu Hause ist“, so Fraaß. Ist ein Tier zu lange allein, also mehr als vier Stunden täglich, scheidet eine Vermittlung aus. „Entscheidend ist bei Hunden auch nicht die Größe der Wohnung, sondern der Auslauf, der geboten wird. So sollte jeder Hund mindestens viermal täglich mindestens eine halbe Stunde Ausgang und die Möglichkeit auf Freilauf bekommen. Das kann aber nur eine Faustregel sein: Huskys brauchen doppelt so viel Bewegung, bei Hitze darf es nicht so viel sein, und auch alte Hunde begnügen sich mit weniger Bewegung“, so Fraaß. Stimmen die Voraussetzungen, wird der Bewerber eingeladen, sich das Tier vor Ort anzuschauen. „So können sich beide Seiten kennenlernen.“
„Freigang für Katzen ein wichtiges Angebot"
Bei Katzen wird geschaut, ob es Freilaufmöglichkeiten gibt. „Dem Naturell einer Katze entsprechend ist Freigang ein wichtiges Angebot. Wenn sie es nicht kennenlernte, muss zumindest die Wohnung oder das Haus genügend Kletter- und Spielmöglichkeiten, Rückzugs- und Beobachtungsplätze bieten.“
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Bei Kleintieren müssen Bewerber detailliert darstellen, wo und wie die Tiere gehalten werden, und das Zimmer, den Stall oder das Außengehege fotografieren. Tierpfleger und Tierpflegerinnen sichten die Zuschriften und Bewerbungsbogen und melden sich. Erst dann kommt es zu einem Vor-Ort-Termin. Fraaß: „Da wir überdurchschnittlich viele Anfragen erhalten, kann das einige Zeit dauern.“ Beim Vermittlungsgespräch im Tierheim beraten die Tierpfleger die Bewerber.
Tiere werden in Hamburg nur gegen Schutzgebühr
Stimmen die Voraussetzungen, werden die Tiere gegen eine Schutzgebühr abgegeben. Ein Hund kostet 280 Euro, eine kastrierte Katze/Kater 110 Euro. Ein kastriertes Kaninchen kostet 50 Euro, ein Meerschweinchen 30 Euro. Zu bedenken ist, dass manche Tiere wie Meerschweinchen nicht einzeln gehalten werden sollen. Ein Kanarienvogel kostet 16 Euro, ein Wellensittich 20 Euro.
Warum dieser Aufwand? Sven Fraaß: „Ein Tier zu halten bedeutet vor allem, Zeit zu investieren. Es handelt sich ja um ein Familienmitglied mit verschiedenen Bedürfnissen und natürlich auch Gefühlen.“ Auch nachdem das Tier in das neue Zuhause eingezogen ist, haben Tierheim-Mitarbeiter einen Blick auf das Wohl von Hund, Katze und Co. Sogar Hausbesuche sind möglich. „Vornehmlich Ehrenamtliche besuchen unsere Schützlinge in ihrem neuen Zuhause. Da wir 2500 bis 3000 Tiere jährlich vermitteln, schaffen wir es aber leider nicht, die Tiere mehrmals zu besuchen“, so Fraaß.
Tierheim in Hamburg bleibt weiter Ansprechpartner
Der Vorteil eines Tieres aus dem Tierheim gegenüber dem von Züchtern oder Online-Plattformen: „Auch nach einer Adoption steht ein Tierheim den Menschen bei Fragen und Problemen zur Seite. Wenn es ganz schlimm kommt, weil sich die Lebensumstände so geändert haben, werden die ehemaligen Schützlinge auch zurückgenommen, um neu vermittelt zu werden“, so Sven Fraaß.
Bei chronisch kranken Tieren besteht zudem die Möglichkeit einer lebenslangen Behandlung in der tierheimeigenen Praxis. Das Tier zieht dann in eine sogenannte Dauerpflegestelle. Einige Tierheime bieten auch Pensionsplätze für ihre ehemaligen Schützlinge an, und tierheimeigene Hundeschulen trainieren mit den neuen Familien, wenn Bedarf ist. Sven Fraaß: „Und natürlich hat man das gute Gefühl, einem Tier hinter Gittern ein wunderbares Leben zu schenken.“