Hamburg. Überall in der Stadt ist Vogelgesang zu hören – gefühlt viel mehr und lauter als sonst. Was das (vielleicht) mit Corona zu tun hat.
Es zwitschert und pfeift. Es singt und flötet, dass es nur so eine Freude ist. Vogelgesang überall – das ist der Eindruck, den die Hamburger zur Zeit gewinnen können. Und mancher empfindet das Trällern und Tschirpen aktuell intensiver als sonst. Weil die Stadt wegen Corona leiser ist als üblich? Weil die Vogelstimmen sich besser gegen den menschengemachten Lärm durchsetzen können? Durchaus möglich, meint Marco Sommerfeld, Referent für Vogelschutz beim Naturschutzbund Deutschland (Nabu).
Viele Hamburger empfänden die Stadt in Zeiten der Pandemie als etwas leiser – und das Vogelgezwitscher demzufolge als besser zu hören. Wirklich messbar lauter als in den Vorjahren seien die Vögel nicht, erklärt der Ornithologe. Allerdings: „Wir haben wieder mehr Amseln in der Stadt. Die sind noch am Singen. Die sind immer noch dabei, ihre Jungen großzuziehen.“
Bestand der Amseln in Hamburg hat sich erholt
Dass sich der Bestand dieser Vögel wieder erholt hat, ist eine sehr gute Nachricht. 2018 und 2019, als es einen Nahrungsengpass gab und das tropische Usutu-Virus ein massives Amselsterben ausgelöst hatte, gab es laut Sommerfeld einen Rückgang von rund 40 Prozent bei den Amseln. „Da war so gut wie alles erloschen. Aber jetzt gibt es wieder einen guten Bruterfolg.“ Dass jetzt im Juli noch so viele Vögel zu hören sind, liegt nach seinen Worten an dem eher kühlen Frühjahr. „Deshalb hat sich die Brutzeit ein bisschen nach hinten verschoben.“
Vogelgesang sei mitnichten Ausdruck von Lebensfreude der gefiederten Tiere, sagt Sommerfeld. „Es hat einen brutbiologischen Hintergrund. Es sind überwiegend die männlichen Tiere, die das vortragen.“ Der Gesang diene dazu, das Weibchen anzulocken, und zur Revierverteidigung. „Die Vögel sagen damit ihrem nächsten Nachbarn: Hier bin ich. Hier werde ich mein Nest bauen.“ Vor allem von Ende April bis Anfang Juni konnte man besonders viele Vögel gleichzeitig hören – am intensivsten vor Sonnenaufgang und am frühen Morgen.
Jede Vogelart hat eigenen Zeitplan
„Dabei hat jede Vogelart einen anderen Zeitpunkt für den morgendlichen Gesangsbeginn“, so Sommerfeld. „Dieser wird durch die zunehmende Tageshelligkeit vorgegeben. Jeden Morgen setzen die einzelnen Arten daher in der gleichen Reihenfolge in das morgendliche Vogelkonzert ein.“ Deshalb sei im Mai üblicherweise die Hochphase des Gesangs, danach werde er weniger, weil die Vögel dann mit dem Füttern ihrer Brut beschäftigt seien. „Dann haben sie keine Zeit für Gesang, weil sie Stress haben. Viele Vogelarten hört man kaum noch.“
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Bei ihm in der Nachbarschaft singe jetzt noch die Mönchsgrasmücke, Zaunkönig und Amsel, erzählt der Ornithologe. Und unter anderem bei den Rotkehlchen gebe es die zweite Brut. Auch Grünfinken und Stiglitz seien jetzt noch mit ihren Jungen beschäftigt. Ende Juli werde auch deren Gesang aufhören.
Nabu Hamburg bittet um Rücksicht
Dann aber beginne das Singen der Mauersegler. Zilpzalp und Zaunkönig zwitscherten auch noch im Herbst. Weil noch immer viele Singvögel im Schutz von Hecken und Sträuchern brüten, bittet der Nabu Hamburg alle Gartenbesitzer, sich noch mindestens bis Ende Juli mit dem Rückschnitt dieser Pflanzen zu gedulden. „Die Vogeleltern könnten durch Schnittmaßnahmen so sehr gestört werden, dass sie ihre Brut aufgeben.“