Hamburg. Deutliche Unterschiede existieren je nach Sozialindex. Die Hamburger Schulbehörde weist die Kritik jedoch zurück.

Ob für Hamburgs Schüler genügend „digitale Endgeräte“ bereitstehen, ob deren Nutzung gut organisiert ist und davon gerade auch finanziell benachteiligte Kinder profitieren, ist ein Dauerstreit zwischen Schulsenator Ties Rabe (SPD) und der Opposition. Die Linken-Fraktion nimmt eine Große Anfrage an den Senat nun zum Anlass, von einer „ernüchternden Bilanz“ zu sprechen. Es gebe offenbar eine „ungerechte und unzulängliche Verteilung“ der Geräte.

Nach Angaben des Senats verfügen die staatlichen Schulen der Hansestadt über insgesamt 63.000 Laptops und Tablets für ihre 220.000 Schülerinnen und Schüler, wobei mehr als 45.000 Mobilcomputer auf die allgemeinbildenden Schulen entfallen. Rund 20.000 Geräte seien im Rahmen des Digitalpakts 2 vom Bund finanziert worden, hatte die Schulbehörde im März erklärt. Dass die Schulen bedürftige Schüler mit Geräten versorgten, belegten „knapp 21.000 Verleihprozesse“, wobei Endgeräte mehrfach verliehen worden sein könnten, erklärt der Senat auf die Anfrage der Linken.

Erhebliche Differenz

Deren Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus sieht die erhebliche Differenz zwischen gelieferten und ausgeliehenen Mobilgeräten allerdings als ein Indiz dafür, „wie die soziale Schere in Hamburg bei Bestellung und Verleihung auseinanderklafft“.

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Vergleicht man die Schulen nach ihrer Einstufung im Sozialindex von 1 (besonders schwierige Rahmenbedingungen) bis 6 (sehr günstige Rahmenbedingungen), so zeigt sich nach Berechnungen der Linken auf Grundlage der Senatsantwort: Die Schulen mit dem Sozialindex 1 haben von insgesamt 4233 im vergangenen Jahr erhaltenen digitalen Endgeräten 1256 Laptops und Tablets nicht verliehen (knapp 30 Prozent). Dagegen haben die Schulen mit dem günstigsten Sozialindex 6 von 5324 erhaltenen Geräten 3863 Computer nicht verliehen (72,5 Prozent).

„Tausende Geräte liegen hier ungenutzt herum, während sie dort benötigt werden“, sagt Boeddinghaus. „Wo Geld zur Schule geht, wird weniger Unterstützung benötigt; wo es aber fehlt, stellt Hamburg zu wenig Unterstützung bereit.“

Schulbehörde widerspricht der Einschätzung der Linken

Zwar haben dem Senat zufolge die allermeisten Schulen die Zahl an Geräten erhalten, die sie bestellt hatten. Doch in einigen Fällen zeigen sich Spreizungen: So hatte etwa die Stadtteilschule am Heidberg (Sozialindex 4) 160 Geräte bestellt, aber lediglich 100 erhalten. Diese Schule verzeichnete 231 Ausleihvorgänge.

Dagegen hat etwa die Stadtteilschule Winterhude (Sozialindex 5) laut Senat wie bestellt 400 Geräte erhalten, aber nur 107 Ausleihvorgänge verzeichnet. Von 24 Schulen, die mehr Ausleihvorgänge als erhaltene Geräte verzeichnen, sind drei Schulen nach Sozialindex 1 eingestuft und neun nach Sozialindex 2. Keine dieser Schulen hat Sozialindex 6.

Eine unzulängliche Verteilung und Verleihung der Mobilcomputer? Die Schulbehörde widerspricht der Einschätzung der Linken. „Es liegen natürlich keine Endgeräte ungenutzt herum“, heißt es auf Abendblatt-Anfrage. Erstens habe ein „erheblicher Anteil der Schüler/-innen auch während des Wechsel- und Distanzunterrichts in der Schule gelernt und die vor Ort vorhandenen Endgeräte (aus den Digitalpakten I und II) ebenfalls genutzt“.

„Große Anzahl von Schüler/-innen“ seien in Senatsangaben „nicht mit einberechnet“ worden

Diese „große Anzahl von Schüler/-innen“, darunter Abschlussklassen, seien in die Senatsangaben zur Großen Anfrage „nicht mit einberechnet“ worden, erklärt die Schulbehörde – ohne die in den Schulen genutzten Geräte konkret zu benennen.

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Zweitens, so die Behörde, verfüge „ein erheblicher Anteil von Schüler/-innen zu Hause über eigene Endgeräte“. Drittens hätten die Schulen auch Endgeräte ausgeliehen, die nicht aus Mitteln des Digital-Pakts angeschafft worden seien und die „somit in der Berechnung nicht auftauchen“. Viertens fehlten in der Berechnung „auch all die Laptops und Tablets, die über den zuständigen Sozialleistungsträger angeschafft wurden“. Familien, die Transferleistungen beziehen, konnten einen Gutschein über bis zu 350 Euro für ein digitales Endgerät beantragen, so die Behörde.

Linken-Abgeordnete: Skandalöser Zustand

Bisher sind allerdings lediglich 210 Anträge auf Sonderzuschüsse bewilligt worden, wie der Senat auf die Anfrage der Linken mitteilt. Und bevor solche Anträge gestellt werden können, müssen die Schulleitungen einen Mehrbedarf bestätigen. Laut Senatsantwort stellten die Schulen mehr als 3000 solcher Bescheinigungen aus – was anschließend passierte, erklärt der Senat allerdings nicht und verweist auf einen großen Aufwand für eine solche Erhebung.

„Ob die Geräte bei den Schülerinnen und Schülern ankommen, die sie brauchen, ist weder klar noch nachvollziehbar“, sagt die Linken-Abgeordnete Olga Fritzsche. „Bei allem Feuerwerk um die Geräteanschaffungen ist dieser Zustand ein Skandal.“ Etliche bedürftige Familien verfügten nur über Handys oder über einen Computer, den sich Eltern und Kinder teilen müssten.