Hamburg. Knapp 450 Strafverfahren mussten allein die Amtsgerichte abarbeiten. 80 davon sind noch nicht abgeschlossen.

Es waren Bilder, die die Stadt erschütterten: Schwere Krawalle an zahlreichen Orten, Zerstörung, Randalierer lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei. Die Störer plünderten Geschäfte, warfen Steine und Flaschen, errichteten Barrikaden und zündeten Autos an. Hunderte Straftaten wurden im Jahr 2017 während des G-20-Gipfels von Randalierern in Hamburg begangen. Und jetzt, vier Jahre nach den Ereignissen vom 6. bis 8. Juli des Jahres, dauert die juristische Aufarbeitung der Randale weiterhin an.

Die allermeisten der rund 450 Anklagen und Strafbefehlsanträge im Zusammenhang mit dem G-20-Gipfel sind bei den Hamburger Amtsgerichten eingereicht worden. Dies betrifft vor allem die Amtsgerichte Mitte und Altona. Von den insgesamt knapp 450 Verfahren sind etwa 80 noch nicht abgeschlossen. Zum Teil sind diese Beschuldigten erst sehr spät ermittelt worden, manche erst in den vergangenen Monaten. Allein in der ersten Jahreshälfte 2021 wurden sechs neue Verfahren gezählt.

Besonders schwerer Landfriedensbruch

Aus dem Jahr davor stammen 28 neue Fälle. Das Gros der Verfahren, nämlich rund zwei Drittel der genannten rund 450 Verfahren gegen Beschuldigte, stammt aus den Jahren 2018 und 2019. Bereits 2017 waren bei den Gerichten Anklagen gegen jene Beschuldigte eingereicht worden, die in Untersuchungshaft waren. Die bislang höchste rechtskräftige Strafe beläuft sich auf drei Jahre und drei Monate unter anderem wegen besonders schweren Landfriedensbruchs sowie versuchter gefährlicher Körperverletzung.

Der einschlägig vorbestrafte Angeklagte hatte am 7. und 8. Juli 2017 an drei unterschiedlichen Orten im Schanzenviertel mit Steinen und Flaschen auf Polizeibeamte geworfen. Darüber hinaus hatte der damals 30-Jährige sich unter anderem an der Plünderung von zwei Verbrauchermärkten und der Verwüstung einer Bankfiliale beteiligt. Ein weitere Entscheidung des Amtsgerichts, bei der dreieinhalb Jahre Freiheitsstrafe verhängt wurden, wurde in der Berufungsinstanz auf zwei Jahre und sechs Monate abgemildert.

Umfangreiche Nachermittlungen

In einem Fall, in dem das Schöffengericht vier Jahre Freiheitsstrafe verhängt hatte, steht eine Berufungsverhandlung noch aus. „Schon die schiere Menge der Verfahren zeigt, wie groß der Kraftakt für die Kolleginnen und Kollegen bei den Amtsgerichten gewesen ist“, sagt Gerichtssprecher Kai Wantzen. „Nach wie vor gibt es zahlreiche offene Verfahren, die bislang nicht erledigt werden konnten und noch viel Arbeitskraft binden werden.“

In der Mehrzahl handele es sich um Verfahren, in denen „teilweise umfangreiche Nachermittlungen stattgefunden haben“ und in denen die Beschuldigten erst durch eine Öffentlichkeitsfahndung oder den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware als Verdächtige ermittelt worden seien, so Wantzen weiter. „Solche Prozesse sind in der Vorbereitung und Durchführung der Hauptverhandlung besonders aufwendig und werden teilweise sehr kontrovers ausgetragen.“

Zudem habe in vielen Fällen – und nicht nur bei G-20-Verfahren – die Corona-Situation in den vergangenen Monaten etwa mit Rücksicht auf auswärtige Zeugen oder wegen der eingeschränkten Saalkapazitäten zu Verzögerungen geführt, erläuterte der Gerichtssprecher.

Auch das Landgericht mit G 20 befasst

Neben den Amtsgerichten war auch das Landgericht mit G 20 befasst. Bislang mussten die Kleinen Strafkammern des Landgerichts bereits in knapp 70 Fällen über Berufungen gegen erstinstanzliche Entscheidungen der Amtsgerichte entscheiden, und einige weitere Berufungsverfahren stehen auch noch aus.

Beim Landgericht sind insgesamt acht erstinstanzliche G-20-Verfahren gegen insgesamt 73 Personen im Zusammenhang mit dem Aufmarsch über den Rondenbarg anhängig. An dieser Straße im Stadtteil Bahrenfeld hatte die Bundespolizei am Morgen des 7. Juli 2017 einen Aufmarsch von etwa 150 bis 200 überwiegend schwarz gekleideten Menschen gestoppt. Aus dieser Menge heraus waren laut Anklage Polizisten mit Steinen beworfen worden.

Bewährungsstrafen für zwei junge deutsche Erwachsene

Keines dieser Verfahren ist bislang durch ein Urteil abgeschlossen. Das als Haftsache vorgezogene Verfahren gegen den damals 19 Jahre alten Fabio V., der fünf Monate in Untersuchungshaft gesessen hatte und dann freikam, muss neu verhandelt werden. Auch ein weiteres Verfahren muss neu beginnen: Ein Verfahren vor dem Landgericht Hamburg gegen fünf Jugendliche war mit Rücksicht auf die Corona-Lage zu Beginn des Jahres abgebrochen worden.

Das einzige erstinstanzliche G-20-Verfahren beim Landgericht ist der „Elbchaussee-Prozess“, in dem am 10. Juli 2020 ein französischer Angeklagter zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Zwei junge deutsche Erwachsene erhielten Bewährungsstrafen, und für zwei jugendliche Angeklagte wurde eine Weisung zu Arbeitsleistungen erteilt. Das Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof ist noch nicht abgeschlossen.