Hamburg. Familienberaterin vermittelt zwischen Müttern und Vätern, die nach Trennung Hilfe bei Umsetzung von Besuchsregeln brauchen.
Wenn Eltern sich trennen, ist das schmerzvoll für ihre Kinder. In den meisten Fällen schaffen es Mütter und Väter halbwegs ohne Streit, weiterhin als Eltern gemeinsam für ihren Nachwuchs da zu sein. Doch dann gibt es die anderen Fälle – die, in denen der Streit nicht enden will und auf dem Rücken der Kinder ausgetragen wird. In denen sich Mütter und Väter nicht auf Besuchsregelungen einigen können oder Kinder gegen das andere Elternteil aufstacheln, oftmals weil sie mit dem eigenen Ärger oder der Traurigkeit nicht klarkommen. Es sind diese Fälle, in denen Barbara Maisel ins Spiel kommt.
Denn Kinder haben das Recht, beide Eltern zu sehen. Und im Streitfall legt ein Gericht fest, wie, wann und wie oft dieser Umgang stattfinden soll. Klappt das in der Praxis dann nicht so, wie es soll, weil Kinder angeblich immer dann krank sind, wenn sie den Vater besuchen sollen, fasst das Gericht einen Beschluss und setzt eine Umgangspflegerin wie Barbara Maisel ein, die den Kontakt begleitet.
Und Begleitung ist ganz wörtlich zu verstehen. Wenn Eltern dermaßen zerstritten sind, dient es dem Kindeswohl nicht, wenn sie sich bei jeder Übergabe der Kinder aufs Neue streiten. Also holt Barbara Maisel die Jungen und Mädchen bei einem Elternteil ab und bringt sie zum anderen – das nimmt schon mal viel Druck heraus, erzählt die Hamburgerin im Abendblatt-Podcast „Morgens Zirkus, abends Theater“.
Eltern üben in Rollenspielen, wie sich ihr Kind fühlt
Bevor es losgeht, bespricht sie mit der Mutter – in den allermeisten ihrer Fälle leben die Kinder bei ihr –, was Kinder brauchen, um einen ungestörten Kontakt zum Vater zu haben. „Das klingt sehr einfach, ist es aber nicht“, sagt Maisel, die als systemische Einzel-, Paar- und Familienberaterin eine Praxis in Wellingsbüttel hat und als Mediatorin ausgebildet ist. „Es ist ein Prozess, der zwischen einem halben und eineinhalb Jahren dauert.“
Sie begleitet auch das Ankommen der Kinder beim Vater und schaut, dass eine Atmosphäre des Wohlwollens herrscht. Gut ist es, wenn der Vater der Tochter sagt: „Oh, du siehst aber hübsch aus, Mama hat dich schön angezogen.“ Schlecht dagegen: „Du kommst von Mama, das sieht man, sie hat dir wieder diesen komischen Rock angezogen.“ Die richtige Vorgehensweise wird teilweise in Form kleiner Rollenspiele eingeübt, bei denen sich die Eltern klarmachen, wie sich die Situation für ihr Kind anfühlt.
Paarprobleme nicht auf dem Rücken der Kinder austragen
Zu 90 Prozent hat Maisel mit Fällen zu tun, in denen der Vater das Kind nicht so regelmäßig sieht, wie eigentlich festgelegt. Mütter schieben Gründe vor, damit Kinder möglichst wenig Umgang mit ihm haben. „Das resultiert oftmals aus Not der Mütter, weil sie beispielsweise noch traurig sind über die Trennung oder weil sie denken, der Ex-Partner habe auch als Vater versagt, oder ihm nicht zutrauen, dass der Umgang klappt“, so Maisel. Die Umgangspflegerin übt dann mit den Ex-Partnern, ihre Paarprobleme nicht auf dem Rücken des Nachwuchses auszutragen, sondern eine Ebene als gemeinsam verantwortliche Eltern zu finden.
Im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention war Deutschland 2009 vom Europäischen Gerichtshof dazu verurteilt worden, die Kinderrechte stärker zu berücksichtigen. Kinder wurden im Verfahren vom Objekt zum Subjekt. Auch die Rechte der Väter sind vom Gesetzgeber gestärkt worden – und „die neue Vätergeneration nutzt sie“, sagt Maisel.
Es gibt Momente, die auch Maisel sehr berühren
Ganz oft stehen die Kinder bös zerstrittener Eltern vor gewaltigen Loyalitätskonflikten, weil das Kind ja eigentlich beide Elternteile liebt, aber die Mutter beispielsweise immer erzählt, dass Papa ja eine neue Freundin habe, ohnehin unzuverlässig sei und sich nur noch um die neuen Kinder kümmere – oder umgekehrt, erzählt Maisel. „Das schlechte Bild, das vermittelt wird, führt beim Kind dazu, dass die eigenen Anteile, die es von dem Vater hat, nicht gut finden darf und sich das Kind zudem hin- und hergerissen wird“, so Maisel. „Es möchte Papa lieb haben, darf es aber vermeintlich nicht.“
Da gibt es Momente, die auch sie sehr berühren, etwa wenn ich kleines Kind sagt: „Wenn ich mit Papa spreche, kriege ich hinterher Ärger mit Mama.“ Diese Loyalitätskonflikte bestünden bei den Kindern teilweise über Jahre. Im späteren Leben könnten daraus Schwierigkeiten resultieren, Beziehungen einzugehen, oder sogar Bindungsstörungen. Deshalb ist es wichtig, dass Eltern ihren Kindern signalisieren: „Ich habe kein Problem damit, wenn du Papa oder Mama siehst.“
Gelingt das, lösen sich nach und nach die Blockaden meist auf. Ein klassischer Fall ist, dass Kinder bei Trennung Partei ergreifen für ein Elternteil. Maisel bietet dazu in ihrer Praxis selbst Hilfestellungen in Form von Trennungsgruppen für Kinder an und auch einen Kursus, in dem Eltern lernen, wirklich auf die Bedürfnisse der Kinder zu schauen und nicht auf den Streit mit dem Ex-Partner. Steht der Vorwurf von Missbrauch oder körperlicher Gewalt im Raum, ist das ein Fall für das Jugendamt.
Barbara Maisel ist zu Beginn oft nicht willkommen
In den seltensten Fällen ist Barbara Maisel den Eltern am Anfang willkommen. „Das ändert sich dann meistens zum Glück im Laufe des Prozesses“, sagt sie. „Wenn sie merken, dass sich das Ganze entspannt und sie die Zeit ungestörter genießen können, weil die Kinder unbeschadet zurückkommen, oder beim Vater das Vertrauen wächst, dass der Umgang wirklich läuft, dann beruhigt sich das meistens. Geht ein Prozess gut zu Ende, so Maisel, kommt oft eine gewisse Dankbarkeit – „aber die muss erarbeitet werden“.
Wenn es gut gelaufen ist, wird am Ende ein kleiner Abschied gefeiert. Die Eltern organisieren die Übergabe nun selbst und treffen Vereinbarungen, wie es in den kommenden Jahren weitergehen soll. „Wichtig ist, dass man einen Plan und eine Struktur hat, die geben den Eltern Sicherheit – und den Kindern erst recht.“
Der Familien-Podcast „Morgens Zirkus, abends Theater“ pausiert im Juli. Die nächste Ausgabe erscheint Anfang August.