Hamburg. Zu Ferienbeginn gibt es Hinweise, dass Urlauber Corona-Zahlen steigen lassen. Delta-Variante dominiert an Kliniken.

An diesem Donnerstag beginnen in Hamburg die Schulferien – und damit auch eine große Reisewelle. Zehntausende Hamburger wollen sich nach fast einem Jahr voller Reise- und Beherbergungsverbote den lang ersehnten Tapetenwechsel verständlicherweise nicht nehmen lassen.

Dass das auch die Corona-Infektionszahlen wieder steigen lassen kann, liegt auf der Hand – der vergangene Sommer hat entsprechende Erfahrungswerte geliefert. Die spannenden Fragen für Politik und Behörden sind aber: Wie stark wird sich die Reisewelle auswirken? Wird der Effekt vielleicht durch die fortschreitende Impfung der Bevölkerung – fast jeder dritte Hamburger ist bereits vollständig immunisiert – ausgeglichen? Oder heizt die aggressive Delta-Variante das Geschehen sogar noch an?

Infektionszahlen stiegen überraschend wieder an

Am Mittwoch gab es bereits einen Vorgeschmack auf die kommenden Wochen: Da stiegen die Infektionszahlen überraschend wieder an. Dabei war, nachdem am Mittwoch der Vorwoche mit 52 Corona-Fällen eine relativ hohe Zahl registriert worden war, eigentlich mit einem Rückgang zu rechnen. Doch Pustekuchen: Die 52 Fälle, die aus der Sieben-Tage-Wertung fielen, wurden durch 57 neue Fälle mehr als kompensiert. Die Inzidenz stieg dadurch minimal von 10,0 auf 10,3.

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Zwar seien auch einige nachgemeldete positive Tests aus den vergangenen Tagen in dem Wert vom Mittwoch enthalten, sagte Martin Helfrich, Sprecher der Sozialbehörde. Gleichwohl gelte: „Der Beginn der Reisezeit macht sich bereits bemerkbar.“ So sei in der vergangenen Woche in 20 von 191 Fällen (gut zehn Prozent) ein Infektionsort im Ausland ermittelt worden – unter anderem in Afghanistan, Spanien und dem Iran.

Ist Reisen ein Risiko?

In der Woche davor waren es nur acht von 287 Fällen (2,8 Prozent), und in der Woche davor sogar nur vier von 339 (1,2). Im Frühjahr schwankte die Zahl meist zwischen fünf und 15 – aber bei insgesamt deutlich höheren Fallzahlen. Mitunter sind bereits kleinere Cluster erkennbar. So führte bei sechs positiv Getesteten die Spur in das gleiche türkische Flugzeug – abzuwarten bleibt, ob diese Personen in Hamburg weitere Menschen infiziert haben.

„Bereits jetzt ist auch absehbar, dass Reisen bzw. Rückreisen ein erhebliches Risiko für den Eintrag von veränderten Virusformen bzw. Varianten darstellen“, teilte Helfrich mit. Und die ansteckendere Delta-Variante habe „das Potenzial, unsere ,Verschnaufpause‘ beim Coronavirus während des Sommers etwas zu beeinträchtigen“.

Derzeit spiele die Delta-Variante in Hamburg noch eine untergeordnete Rolle

Derzeit spiele die Variante in Hamburg zwar noch eine untergeordnete Rolle, sagt der Virologe Prof. Adam Grundhoff vom Hamburger Leibniz Institut für Experimentelle Virologie (HPI). Aktuell dominiere noch die britische Variante B.1.1.7 (Alpha) mit einem Anteil von mehr als 80 Prozent.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

Die Delta-Variante breite sich aber offenbar aus. Der Anteil dieser Variante hatte im Mai unter insgesamt rund 700 untersuchten Proben, die einen Querschnitt der Bevölkerung abbilden sollen, rund ein Prozent betragen. In der ersten Juniwoche waren von 21 bislang per PCR untersuchten Proben allerdings schon zwei positiv für die Delta-Variante, rein rechnerisch ein Anteil von zehn Prozent.

Delta-Variante dominiert bei Proben aus Hamburger Krankenhäusern

Auffällig sei aber, dass die Delta-Variante bei Proben aus Hamburger Krankenhäusern dominiere, nämlich schon mehr als 60 Prozent der Infektionsfälle ausmache. „Auch wenn es aufgrund fallender Inzidenzen insgesamt nur wenige Fälle sind: Wir glauben schon daran zu sehen, dass die Delta-Variante das Potenzial hat, schwerere Erkrankungen auszulösen“, sagte Grundhoff. „Das deckt sich mit dem, was man in Großbritannien vermutet.“ Bei den betroffenen Patienten handele es sich zum größten Teil um 30- bis 40-Jährige.

Wie berichtet, bilden Forschende um Grundhoff vom HPI und die Virologin Prof. Nicole Fischer vom Uniklinikum Eppendorf eine Allianz, um die Ausbreitung von Corona-Mutanten in der Hansestadt zu untersuchen und frühzeitig unbekannte Virusvarianten nachzuweisen. Am Uniklinikum setzen Forschende dabei PCR-Tests speziell zum Nachweis von Merkmalen der Virusvarianten ein. Anschließend bestimmen ihre Kollegen am HPI das gesamte Erbgut der Erreger.

Insgesamt werden in den Krankenhäusern derzeit 49 Covid-19-Patienten behandelt

Davon unabhängig suchen verschiedene Labore im Auftrag der Gesundheitsämter im Rahmen einer zufällig ausgewählten Stichprobe sowie bei bestimmten Anhaltspunkten nach bekannten Virusvarianten. Demnach ist die Delta-Variante in Hamburg bisher in 27 Fällen nachgewiesen worden.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Insgesamt werden in zwölf Hamburger Krankenhäusern derzeit 49 Covid-19-Patienten behandelt – drei mehr als am Vortag. 23 sind so schwer erkrankt, dass sie intensivmedizinisch betreut werden müssen – einer weniger als am Vortag. Dafür gab es erneut einen Todesfall, die Zahl der Corona-Toten stieg auf 1588.