Kiel. Pflicht für Solaranlagen auf neuen Gewerbe-Immobilien und Ökostrom-Nutzung bei neuen Heizungen im Wohnhaus: Der Landtag berät kontrovers über das umstrittene Klimaschutzgesetz von Umweltminister Albrecht. Der will in einem Punkt nachlegen.
Mit mehr Solaranlagen will Schleswig-Holstein den Klimaschutz voranbringen. Die Jamaika-Koalition will es beim Bau gewerblicher Immobilien zur Pflicht machen, Photovoltaik zu installieren. Das soll auch gelten, wenn Nicht-Wohngebäude ein neues Dach bekommen. Der Entwurf des Klimaschutzgesetzes von Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) sorgte bei der ersten Beratung im Landtag am Donnerstag aber für kontroverse Diskussionen.
Albrecht fordert einen deutlichen Ausbau der erneuerbaren Energien. "Und das, obwohl wir bereits 160 Prozent unseres eigenen Stromverbrauchs mit erneuerbaren Energien decken." Neben der Windkraft spiele beim Ausbau vor allem die Photovoltaik eine zentrale Rolle. Schleswig-Holstein ist seit Jahren Windstrom-Exporteur.
Die Pläne haben auch für Eigenheim-Besitzer Folgen. Neu ist eine Pflicht zur Nutzung von Öko-Energie in der Wärmeversorgung bestehender Gebäude. Sie greift bei einem Wechsel der Heizungsanlage in Wohnhäusern, die vor 2009 gebaut wurden. Dann müssen Hausbesitzer künftig mindestens 15 Prozent des jährlichen Bedarfs durch Erneuerbare Energien decken.
Zudem muss jeder neue Parkplatz ab 100 Stellplätzen mit Solaranlagen überdeckt werden. Wäre es allein nach den Grünen gegangen, wären die Pläne für ein Klimagesetz ambitionierter ausgefallen. Nach Albrechts Willen würde es eine Verpflichtung zur Installation von Solaranlagen auch auf neuen Ein- und Mehrfamilienhäusern geben. "Da wollen wir jetzt mit stärkerer Förderung ran", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Aber schon mit diesem Vorschlag sind wir bundesweit Vorreiter."
Albrecht verwies darauf, dass das Ziel, die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 40 Prozent zu reduzieren, 2020 verfehlt worden sei. "Noch immer ist bei vielen nicht angekommen, dass der steigende Preis für fossile Energieträger keine Frage mehr von politischen Entscheidungen ist, sondern eine Tatsache, die bei der Wirtschaftlichkeit einbezogen werden muss." Er kündigte eine Anpassung des Gesetzes an, sobald das Bundesklimaschutzgesetz von Bundestag und Bundesrat verabschiedet wurde.
Der SPD reichen die Pläne bei weitem nicht aus. "Wenn Sie Klimaschutz wollen, dann dürfen Sie nicht nur die Lippen spitzen, dann müssen Sie auch pfeifen", sagte der Energiepolitiker Thomas Hölck. Im Gegensatz zur Landes- habe die Bundesregierung vor dem Hintergrund des Bundesverfassungsgerichts-Urteils ihre Klimaschutzziele deutlich verschärft und gebe nun 65 Prozent weniger Treibhausgas-Emissionen bis 2030 und Klimaneutralität bis 2045 als Ziel aus. Den Gesetzentwurf nannte er eine Blamage. Beim Heizungswechsel erlaube er weiter Gasthermen, obwohl ein stärkerer Fokus auf Wärmepumpen notwendig sei. "Warum warten Sie ab, Sie können doch Vorreiter sein?"
CDU-Fraktionschef Tobias Koch forderte die schnellstmögliche Abschaltung des Heizkraftwerks Wedel an der Landesgrenze. "Hamburg darf seine Klimaziele nicht länger auf Kosten Schleswig-Holsteins erreichen." Mehr Ökostrom will er durch den Ersatz älterer Windräder durch leistungsstärkere erreichen. Neue Vorranggebiete für Windkraft lehnte Koch ab. Stromtrassen müssten schneller ausgebaut werden, damit Windräder im Norden nicht länger abgeschaltet werden müssten. "Was wir nicht brauchen sind symbolische Maßnahmen wie ein Tempolimit auf Autobahnen und ein Verbot von Kurzstreckenflügen."
Der AfD-Abgeordneter Jörg Nobis kritisierte vor allem die Pläne für neue Heizungsanlagen. Die geplante Ökoenergiepflicht greife in ruinöser Weise in die Freiheit von Hausbesitzern ein und bedeute immense Mehrkosten. Die AfD forderte Bestandsschutz für alle bestehenden Häuser.
Scharfe Kritik am Klimaschutzgesetz kommt weiter auch vom Eigentümerverband Haus & Grund und dem Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW). "Die Jamaika-Koalition bevormundet Wohnungsunternehmen und Immobilieneigentümer beim Klimaschutz wie Schulkinder, die Nachhilfe im kleinen Ein-Mal-Eins benötigen", sagte VNW-Verbandsdirektor Andreas Breitner. Dabei sei bereits deutlich zu spüren, dass die Kosten für Öl und Gas aufgrund des CO2-Preises kräftig anziehen und weiter steigen werden. "Jeder kann sich an fünf Fingern ausrechnen, dass es sich daher perspektivisch lohnt, in erneuerbare Energien zu investieren."
© dpa-infocom, dpa:210616-99-20952/4