Hamburg. Ein Bergführer präsentiert die 89 Gipfel der Stadt. Berge und Hamburg sind für den Autor nur auf den ersten Blick ein Widerspruch.

Im Südosten der Hansestadt erstreckt sich Sand, so weit das Auge reicht, dahinter Marschland und Geest, Moore und Heidelandschaft. Seit 1991 steht die Boberger Niederung unter Naturschutz, und besonders die Boberger Dünen ziehen viele Ausflügler an. Da stellt sich aber die Frage: Wie kommen Wanderdünen eigentlich nach Hamburg?

Vor einigen Jahrhunderten erstreckte sich eine Dünenlandschaft sogar vom Berliner Tor bis nach Bergedorf. Sie war durch regelmäßige Winde am Nordufer des früheren Elburstromtals im Übergang von Marsch zu Geest entstanden – eine Kette aus Sandbergen, 30 bis 50 Meter hoch.

Vielschichtige Tierwelt

 Im 19. und 20. Jahrhundert wurden die Dünen dann jedoch teilweise abgetragen und für Bauzwecke und Geländebegradigungen genutzt, etwa für die Aufschüttung von Bahntrassen und den Hochwasserschutz. Erst 1927 endete der Sandabbau, weil sich die Beteiligten nicht mehr auf den Sandpreis einigen konnten. Was davon übrig geblieben ist, sind die heutigen Wanderdünen.

 Und sie bewegen sich kontinuierlich, rund zehn Zentimeter legen sie im Jahr zurück. Um ihre Entsandung zu bremsen und die Dünen zu befestigen, wurde Strandhafer angepflanzt. So unterschiedlich sich die Landschaft des Naturschutzgebiets zeigt, so vielschichtig ist auch die Tierwelt. Zu den Besonderheiten des Gebietes zählen Vogelarten wie die Heidelerche und der Wachtelkönig sowie seltene Heuschrecken wie der Warzenbeißer und die Blauflügelige Ödlandschrecke.

Hamburg von ganz neuen Seiten

In dem Gebiet finden zudem Pflanzen und Tiere einen Unterschlupf, die längst auf der Roten Liste gefährdeter Arten stehen. 1968 wurden die Boberger Dünen und das Achtermoor zu Naturdenkmälern ernannt. Wer ein wenig Strandurlaub in Hamburg machen und sich die Dünenlandschaft erwandern möchte, findet am Boberger Furtweg einen guten Startpunkt.

Der „Bergführer Hamburg.  80 Touren und 89 Gipfel“ ist im Junius-Verlag erschienen und kostet 16,80 Euro (ISBN 978-3-96060-537-9). Das Buch mit Karten ist erhältlich in der Abendblatt-Geschäftsstelle am Großen Burstah 18–32, im Buchhandel und auf abendblatt.de/shop.
Der „Bergführer Hamburg. 80 Touren und 89 Gipfel“ ist im Junius-Verlag erschienen und kostet 16,80 Euro (ISBN 978-3-96060-537-9). Das Buch mit Karten ist erhältlich in der Abendblatt-Geschäftsstelle am Großen Burstah 18–32, im Buchhandel und auf abendblatt.de/shop. © Unbekannt | Unbekannt

Diese und 79 weitere Touren beschreibt der Autor und Wahlhamburger Frank Wippermann in seinem jetzt erschienenen Bergführer für Hamburg. Berge und Hamburg sind für ihn nur auf den ersten Blick ein Widerspruch, auch wenn die Metropole im Norden bei der Höhe ihrer Gipfel einige Abstriche machen muss und nicht jede Bergtour, die Wippermann vorstellt, ganz bierernst gemeint ist.

Aber wer sie erwandert, lernt seine Stadt von ganz neuen Seiten kennen und erfährt aus dem Buch allerlei Wissenswertes zur Geschichte, Kultur und Geografie der Stadt. Auch Wippermann, seit Jahrzehnten passionierter Bergsteiger und beruflich als Organisationsberater tätig, sagt: „Beim Recherchieren für das Buch habe ich Ecken kennengelernt, in die ich sonst nie gekommen wäre.“

Ein eiszeitlicher Grillplatz auf dem Mellenberg in Volksdorf

Dazu zählt auch der Altonaer Volkspark, dessen bekannteste Erhebung der Tutenberg (benannt nach dem Chefplaner des Parks) ist, während die Birkenhöhe als höchster Gipfel gilt. Anders als das durchkomponierte Wiesenareal des Stadtparks in Winterhude, ist der Volkspark als Waldpark angelegt. Für eine Bergtour durch das Gelände im Westen der Stadt sind ein bis zwei Stunden einzuplanen, 81 Meter Anstieg inklusive.

Der Alte Botanischen Garten bietet hingegen Wassertreppen und Mittelmeerterrassen. Die halbstündige Tour führt entlang der Überreste der alten Wallanlagen, die 1615 von Johan van Valckenburgh entworfen wurden. Rund 200 Jahre später waren die Wälle militärisch unbedeutend, sie wurden geschliffen und nach und nach bebaut. Im Westen wurden die Wälle zu Parks, ein Teil davon 1821 zum Botanischen Garten.

Die höchste natürliche Erhebung im Bezirk Wandsbek ist der Mellenberg, bestehend aus Kies und Sand, eine Satzendmoräne der Weichsel-Kaltzeit. Der Volksdorfer Berg ist ein guter Aussichtspunkt für die Jäger. So verwundert es kaum, dass am Gipfel Rentierknochen gefunden wurden, die auf einen sehr alten Grillplatz schließen lassen. Die Tradition als Aussichtspunkt setzte sich um 1900 durch einen Aussichtsturm fort, von dem heute nicht einmal mehr Reste zu sehen sind. Dafür lädt nun ein kleiner Findling auf dem Gipfel zur Rast. Zum Leidwesen des Revierförsters lieben auch Mountainbiker die Abfahrtsstrecke.

Am Innocentiapark gibt sich Hamburg betont britisch

Am Innocentiapark zeigt sich Hamburg von seiner britischen Seite. Als der Klosterbesitz Harvestehude im 19. Jahrhundert verkauft wurde, war es eine Bedingung, eine Parkanlage zu schaffen. So wurde der Innocentiapark 1884 zur ersten öffentlichen Grünanlage Hamburgs. Er hat die Rechteckform eines Squares, die in Deutschland eher unüblich ist, aber typisch für viele Londoner Parkanlagen.

Die schachbrettartig angelegten Straßenzüge mit den Gründerzeitvillen rund um den etwa drei Hektar großen Park weisen ebenso auf ein englisches Vorbild hin. Mit etwas Fantasie fühlt man sich nach Notting Hill versetzt. Ein kleiner Spielplatz zieht vor allem Familien aus der Umgebung an.

Der „Inno-Park“ ist im Frühling besonders schön.
Der „Inno-Park“ ist im Frühling besonders schön. © Rauhe | Unbekannt

Von einem veritablen Berg kann im Innocentiapark vielleicht nicht die Rede sein, Autor Frank Wippermann beziffert die beiden Erhebungen aber auf 19 Meter – immerhin. Gut zu nutzen sind die Hügel im Winter als Rodelstrecken.  Ein Gürtel aus Bäumen und Sträuchern umgibt die zentrale Rasenfläche und schirmt die Anlage gegen die begrenzenden Straßen ab. Dichte und offene Bepflanzung wechseln sich ab, sodass immer wieder Blicke auf die Stadthäuser freigegeben werden. Die beiden Hügel im Osten bieten zusätzliche Ausblicke in den Park und seine Umgebung.

Dem „Eisernen Kanzler“  zu Leibe rücken

Hoch oben über dem Alten Elbpark thront der frühere Reichskanzler Otto von Bismarck mit einem Schwert in der Hand. Überall in Deutschland errichteten treue Anhänger Anfang des 20. Jahrhunderts Denkmäler für den „Eisernen Kanzler“, das mit gut 34 Metern größte entstand 1906 auf dem Geesthang oberhalb des Hamburger Hafenrands. Maßgeblich finanziert wurde es damals von Kaufleuten, die durch die Politik Bismarcks aus ihren Geschäften in und mit den Kolonien erheblichen Reichtum erzielten.

Das Bismarck- Denkmal wird derzeit saniert.
Das Bismarck- Denkmal wird derzeit saniert. © Rauhe | Unbekannt

 Entsprechend kritisch wird das Denkmal heute diskutiert, Kultursenator Carsten Brosda griff die Bedenken auf und regte eine Aufarbeitung von Hamburgs kolonialem Erbe an. Entsprechend soll die Rolle des Politikers nach der derzeitigen Sanierung des Denkmals in einer kommentierenden Ausstellung vor Ort kritisch reflektiert werden.

Ausgangspunkt einer Wanderung könnte die U-Bahn-Station Landungsbrücken sein. Nach 20 Höhenmetern erreichen Besucher den Paula-Karpinski-Platz und damit einen der aussichtsreichsten Punkte Hamburgs. Nach Überquerung der  Seewartenstraße nehmen sie die nächsten Aufstiegsmeter in Angriff, um zum Bismarck-Denkmal auf der Elbhöhe zu gelangen.

Auf dem Gipfel erneuerbarer Energien

Der Energieberg in Georgswerder ist nicht durch eine Eiszeit entstanden, sondern auf Trümmern und Dioxin gebaut. Zunächst gab es hier auch keine Erhebung, sondern eine Grube, die durch den Abbau von Klei für den Deichbau entstand. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie mit Trümmern aufgefüllt und in den 1950er-Jahren dann als Mülldeponie genutzt, auch für chemischen Sondermüll.

Vom Skandalberg zum grünen Hügel: der Energieberg Georgswerder
Vom Skandalberg zum grünen Hügel: der Energieberg Georgswerder © dpa | Unbekannt

1979 wurde die Deponie geschlossen, eine Öffnung als Park war  in Planung. Dann nachdem hier 1983 Dioxin und Pflanzenschutzmittel gefunden wurden, machte der „Giftberg von Georgswerder“ Schlagzeilen. Die Deponie musste weiträumig gesichert werden. Sickerflüssigkeiten und Grundwasser werden bis heute gereinigt.

Doch der Berg wandelte sich von der giftigen Altlast zum Gipfel erneuerbarer Energien. Schon in den 1990er-Jahren entstanden hier erste Windenergieanlagen. Die Internationale Bauausstellung (IBA) brachte weiteren Schub: Allein mit Windkraft und Sonnenenergie versorgt der Berg rund 4000 Haushalte mit Strom und ist als Aussichtspunkt öffentlich zugänglich. Aus rund 40 Metern Höhe haben die Besucher einen spektakulärem Blick vom Hafen bis zum Michel.