Hamburg. Warum die Heilungschancen für Patienten höher liegen, wenn verschiedene Spezialisten ihre Kompetenzen bündeln.

Es ist die wohl härteste Diagnose: Krebs. „Das ist natürlich ein Schock, denn es schwingt immer mit: Es geht um Leben und Tod“, sagt Professor Dr. Axel Stang. Umso wichtiger sei es, die Termine zur Vorsorge auch in Zeiten von Corona wahrzunehmen.

„Die Krankenhäuser sind maximal sicher und tun alles, damit sich kein Patient mit Covid-19 infiziert“, sagt der Chefarzt der Abteilung für Onkologie, Hämatologie und Palliativmedizin an der Asklepios Klinik Barmbek in einer neuen Podcast-Folge der „Digitalen Sprechstunde“, die auch auf abendblatt.de kostenfrei zu hören ist.

Zusammenarbeit von Spezialisten ein „Durchbruch“

„Krebs lässt sich leider nicht aufhalten. Wird er verspätet erkannt, ist er schon fortgeschritten und damit auch schwieriger zu behandeln“, sagt der habilitierte Internist, der jedoch darauf hinweist, dass die Krebsmedizin „enorme Fortschritte“ gemacht habe.

„Durch die Zusammenarbeit von Spezialisten verschiedener Fachrichtungen, wie sie nur in einem Krebszentrum zu finden ist, gibt es mittlerweile auch erhöhte Heilungschancen für Patienten, bei denen der Krebs bereits tödliche Töchter, also Metastasen, in anderen Organen gebildet hat“, sagt der Mediziner, der als Chefarzt auch das von der Deutschen Krebsgesellschaft zertifizierte Onkologische Zen­trum in Barmbek leitet.

Spezialisierte Tumorkonferenzen

In vier spezialisierten Tumorkonferenzen werden jede Woche rund 100 Fälle besprochen, im Jahr also etwa 5000. 20 Prozent der Patienten kämen nicht aus Hamburg und dem Umland, sondern aus allen Teilen Deutschlands und sogar aus dem Ausland. „Das sind dann oft besonders komplexe Fälle, die auf die interdisziplinäre Kompetenz eines Zen­trums setzen.“

Zusätzlich gebe es mehr als 200 Krebsspezialisten an den sieben Klinikstandorten des Asklepios Tumorzentrums Hamburg, die per Video zugeschaltet werden könnten. In diesen Tumorkonferenzen werde „die beste Therapie für den jeweiligen Patienten“ besprochen und festgelegt. „Den Kern bilden der Radiologe, der die Bilder präsentiert, der Pathologe, der die Gewebeproben interpretiert, sowie der Chirurg, ein Strahlenmediziner und ein Onkologe als tragende Therapeuten“, sagt der Chefarzt. Er selbst moderiere den Dialog. „Ich bin wie ein Dirigent, der das Zusammenspiel orchestriert.“

Der gute Chirurg stimmt sich ab

Auch Medizinstudenten und Assistenzärzte seien dabei, ebenso niedergelassene Kollegen, die Fälle vorstellen. „Es ist heute nicht mehr so, dass ein Chirurg sofort den Tumor entfernt. Der gute Chirurg stimmt sich ab und bettet seine Kunst in eine Gesamtbehandlung ein.“ So könne sich beispielsweise häufig die Heilungschance eines Patienten um deutlich mehr als zehn Prozent erhöhen, wenn dem operativen Eingriff eine Chemo- oder Strahlentherapie vorgeschaltet werde.

 In 70 Prozent der Fälle sei der Entschluss über die bestmögliche Therapie binnen zwei bis drei Minuten gefasst. „Bei 30 Prozent wird auch mal zehn Minuten lang kontrovers diskutiert. Aber es setzen sich immer die besten Argumente und nicht eine Methode durch. Es ist nicht mehr so, dass man sagt: Ich habe hier den Hammer, und deshalb ist die Welt ein Nagel.“ Auch Assistenzärzte würden angehört. „Das ist nicht mehr hierarchisch, jede gute Idee zählt.“

Kombination von Verfahren

Neben der Kombination von Verfahren sei das bessere Verständnis der Tumoren ein zentraler Faktor. „Wir können heutzutage leichter deren jeweilige Achillesferse finden und mit Medikamenten gezielt therapieren.“ Auch die interventionelle Behandlung, bei der das Onkologische Zentrum in Barmbek führend ist, sei ein Durchbruch der modernen Krebstherapie.

„Man kann bei dieser minimalinvasiven Behandlung zum Beispiel mit einer Mikrowellenablation einen Tumor durch Hitze zerstören“, sagt Professor Dr. Axel Stang, der unter anderem am MD Anderson Cancer Center in Houston, einem der führenden Krebszentren der Welt, gearbeitet hat. „Dort habe ich erlebt, welch hohen Stellenwert die onkologische Pflege hat. Da gibt es in Deutschland noch extremen Nachholbedarf, und wir bemühen uns, das in Barmbek und im Asklepios Tumorzentrum Hamburg zu verbessern.“

 15 onkologische Fachpfleger seien gerade ausgebildet worden – nach einem Curriculum, das der Chefarzt mit einem leitenden Pfleger erarbeitet hat. „Wenn man die Pflege pflegt, bringt das nur Vorteile. Zumal die Pfleger oft noch viel näher dran sind am Patienten als wir Ärzte.“

Wichtige Erfolgserlebnisse

Ein Fall, der den Internisten bis heute begleitet, ist der einer Schwangeren, bei der in der 20. Woche ein hochaggressiver Tumor im Bauchraum festgestellt wurde. „Bei jeder zweiten werdenden Mutter verläuft das tödlich.“

Binnen zwei Tagen habe man entscheiden müssen, ob das Kind abgetrieben werden sollte, um die Mutter maximal zu versorgen, oder ob man versuchen sollte, beide Patienten zu behandeln. „Mein Team und ich, wir haben wirklich Tag und Nacht alles gegeben. Und was soll ich sagen? Der Junge ist heute acht Jahre alt, und der Mutter geht es gut. Das ist ein Erfolgserlebnis, das einen trägt.“