Hamburg. Anneke Jansen hat ein bundesweites Netzwerk gegründet – von Frauen für Frauen. Worum es bei der Kontakt- und Jobbörse geht.

Hinter einer Glasscheibe locken Nüsse und feine Schokolade. Zum Anbeißen. Wer mag, versorgt sich mit Kaffee oder Kaltgetränken. Auf dem Tresen steht ein Glas mit merkwürdigem Inhalt: ein Haufen langer Stahlnägel. Es handelt sich um Erinnerungsstücke an gezimmerte Holzdielen. An vergangene Jahrzehnte, als in dem heutigen Großraumbüro im Herzen Winterhudes eine Tischlerei zu Hause war. Aktuell wird auf 275 Quadratmetern im dritten Stock des stilvoll restaurierten Hinterhofgebäudes an Manuskripten, Drehbüchern und pfiffigen Ideen gewerkelt.

Ein Gedankenblitz beflügelte die Geowissenschaftlerin Anneke Jansen vor zweieinhalb Jahren. Als ihr Vater diese Tischlerei aufgab und den Stadtteil wechselte. Mit Wagemut, finanziellem Risiko und handfester familiärer Unterstützung machte sich Anneke Jansen selbstständig.

In ihrem persönlich gestalteten Reich kann man sich seit Anfang 2019 einen Arbeitsplatz buchen – Stunden oder tageweise, in separaten Büros oder in gemeinschaftlich nutzbaren Sektoren. Für individuelle Geschmäcker findet sich etwas. Doch hat die 30 Jahre alte Hanseatin nicht nur ein eigenständiges Unternehmen, sondern auch ein bundesweites Netzwerk selbstständiger Frauen gegründet.

Initiative aus Hamburg: „Soloheldinnen“

Der Name dieser Initiative mit Heimathafen Hamburg ist Programm: „Soloheldinnen“. Mit vereinten Kräften soll den Tücken beruflicher Selbstständigkeit getrotzt werden – jetzt erst recht. „Eine Gemeinschaft stärkt während der Krise ganz besonders“, weiß Anneke Jansen aus Erfahrung. „Die ,Soloheldinnen‘ schweißen zusammen.“ Ihr zur Seite im schmucken Besprechungsraum des Großbüros liegt Kater Lio aus Argentinien. Daneben sitzt Mitstreiterin und Co-Gründerin Sandra Brauer.

Die 39 Jahre alte Diplomkauffrau ist im Job als Einzelkämpferin gleichfalls erfolgreich. Als systemische Beraterin und Business Coach kümmert sie sich professionell um Probleme in Unternehmen sowie um gewünschte Veränderungen von Privatpersonen. Das Netzwerk der „Soloheldinnen“ entstand durch eine Frühstücksrunde von Frauen für Frauen in weiblich geführten Hamburger Cafés.

Viele „Soloheldinnen“ aus Hamburg registriert

Via Facebook ging es weiter. Es drehte sich um Erfahrungsaustausch, um praktische Tipps, um wertvolle Ratschläge, um Stolpersteine der Selbstständigkeit, natürlich auch ums Geld. Als diese Aktion einzuschlummern drohte, ergriffen Sandra Brauer und Anneke Jansen die Initiative. „Wir haben unser Herz in die Hand genommen und losgelegt“, sagen sie. Aktuell sind rund 300 „Soloheldinnen“ registriert, zumeist aus Hamburg.

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Da die Kaffeerunden pandemie­bedingt nur noch virtuell veranstaltet werden können, ist die Teilnahme von überall möglich. Nächster Termin: 1. Juni von 15 bis 16.30 Uhr. Im Internet kann man sich unter www.soloheldinnen.de anmelden. „Anfangs wirkte Corona als Bremse“, berichtet Sandra Brauer, „letztlich jedoch ergab sich aus der Not eine Tugend.“ Anneke Jansen ergänzt: „Aus dem Morast entwickelte sich was Gutes.“ Die Runde kann nun größer ausfallen. Sobald wie möglich sollen die Treffen als Kontaktbörse wieder in lokalen Caféhäusern stattfinden. Zudem ist zweimal im Monat ein Podcast geplant.

Hilfestellung für Frauen in der Selbstständigkeit

Im Mittelpunkt steht Hilfestellung in der Selbstständigkeit. Das Gros der Frauen ist zwischen 30 und 40 Jahre alt. Etwa die Hälfte hat Kinder. Auch der Spagat zwischen Familie und Unabhängigkeit im Beruf ist ein Thema. Ein Teil der Hamburger „Soloheldinnen“ arbeitet als Dienstleister in den Bereichen Marketing, Coaching, Grafik, Text oder Fotografie. Wenn eine die andere für Jobs empfiehlt – umso besser. „Im Prinzip geht alles, was passt und sich gut ergibt“, sagen die beiden Gründerinnen unisono.

Wie das Duo beweist, können durch das Netzwerk Freundschaften entstehen. Vielfalt der Diskussionsstoffe und Fantasie der Heldinnen sind kaum Grenzen gesetzt. Neben einem realen Frühstückstreff fanden bisher fünf Zusammenkünfte per Videokonferenz so-wie eine virtuelle Weihnachtsfeier statt. Auf offene Ohren stieß ein Online-Vortrag der Hamburger Modedesignerin Irina Rohpeter. Die diplomierte Designerin mit Atelier am Eppendorfer Weg ist für ihre Kollektionen bekannt. Auch sie trotzt den Tücken der Pandemie mit Tatkraft, Mumm und Lebensfreude.

Gemeinschaftsbüro für Frauen in Winterhude

Frau Rohpeter ist ebenso zweifache Mutter wie ihre Netzwerkpartnerin Mayka Engelmann. Deren selbstständiger Beruf nennt sich „Story-Coach“. Übersetzt heißt das: Die 35 Jahre alte Kreative begleitet Solounternehmerinnen bei ihrem Markenauftritt. In Wort und Bild übermittelt sie die Botschaft gezielt – und gescheit. Unter dem Strich ist entscheidend, was dahintersteht.

Gelungenes Beispiel ist Anneke Jansens Großraumbüro an der Forsmannstraße 14 in Winterhude, dem Ort dieses Treffens mit zwei „Soloheldinnen“, deren Aktivitäten diese Bezeichnung verdienen. „CoWorkBude 14“ heißt ihr Geschäft. Dieses Gemeinschaftsbüro, das je nach Bedarf teilweise gemietet werden kann, ist eine Geschichte für sich. Von Unternehmungsgeist beseelt, verwandelte sie die Tischlerei ihres Vaters Rainer in ein individuelles Kontor mit Charme.

Coronabedingt weniger Plätze in Hamburger Großraumbüro

In dieser Tischlerei absolvierte Anneke Jansens Ehemann Camilo nach der Hochzeit vor zehn Jahren eine Ausbildung zum Meister. In seinem Heimatland Argentinien war er ursprünglich ein Koch. Mutter Birte kümmert sich hin und wieder um die Organisation dieser „Bude“ in Winterhude. An ihrem Platz hinter dem Empfangstresen hat sie das Büro im Blick. Auch wenn coronabedingt weniger Plätze besetzt werden dürfen. Dafür kommt derzeit eine ganz neue Art von Kundschaft. Einsamkeit oder Tohuwabohu im Homeoffice müssen nicht sein. Zumindest eine „Soloheldin“ kann also Hoffnung schöpfen.