Hamburg. HP-Viren verursachen Gebärmutterhalskrebs. Chefärztin Dr. Simone Klüber erklärt, warum nicht nur Mädchen davor geschützt werden müssen.
Es ist ein „Trend“, der Gynäkologen beunruhigt: Viele Frauen schieben derzeit auch in Hamburg ihre Kontrolltermine zur Krebsvorsorge auf, frei nach dem Motto: „Wenn der Lockdown vorbei ist, dann gehe ich auch mal wieder zum Frauenarzt.“
Dr. Simone Klüber, seit April eine von drei Gynäkologie-Chefärztinnen an der Asklepios Klinik Wandsbek, sagt dazu in einer neuen Podcast-Folge der „Digitalen Sprechstunde“, die unter anderem auf abendblatt.de kostenfrei zu hören ist: „Ich rate allen Frauen dringend, die jährliche Vorsorge unbedingt wahrzunehmen. Denn seit die Früherkennung in den 1970er-Jahren etabliert wurde, ist die Rate derer, die beispielsweise an Gebärmutterhalskrebs erkranken, rapide gesunken.“
Medizinerin war für „Ärzte ohne Grenzen“ im Südsudan
Ursächlich für die Zellveränderungen an Gebärmutterhals oder im Bereich der Vagina sind Humane Papillomviren, kurz HPV. „Eine Infektion mit diesen Viren spürt man nicht. Und auch eine Krebsvorstufe, die sich daraus entwickeln kann, tut eben nicht weh. Es gibt keinen Ausfluss, da brennt oder juckt nichts – und das ist tückisch. Insofern ist der Abstrich wirklich die einzige Möglichkeit der Kontrolle“, sagt die Chefärztin, die auf einem kleinen Bauernhof in der hessischen Rhön aufgewachsen ist und nach dem Studium erst einmal in die weite Welt zog für „Ärzte ohne Grenzen“, unter anderem in Darfur und im Südsudan half.
Frauen ab 35 Jahren sollten sich alle drei Jahre, wie es eine recht neue Richtlinie vorsieht, auf HP-Viren testen lassen. „Fast alle Menschen, Frauen wie Männer, kommen im Laufe ihres Sexuallebens mit Humanen Papillomviren in Kontakt, meist zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr“, sagt die Medizinerin.
Oft heile die unbemerkte Infektion von selbst ab
In fast 80 Prozent der Fälle heile die unbemerkte Infektion von selbst ab. „Wenn die Immunabwehr stark ist, schmeißt der Körper das Virus raus. Aber es gibt eben leider auch einen gewissen Prozentsatz von Betroffenen, bei denen das Virus im Körper verbleibt und dann womöglich nach Jahren zu Zellveränderungen führt. Das kann passieren, muss aber nicht. Kontrollieren lassen sollte man es aber auf jeden Fall“, so die verheiratete Mutter eines fünfjährigen Sohnes.
Und man solle dringend die nächste Generation schützen: Denn seit 2008 wird für junge Mädchen eine Impfung gegen HP-Viren empfohlen – und, was viele nicht wissen, seit 2018 auch für Jungen im Alter zwischen neun und 14 Jahren. „Leider ist diese Impfung, die von der Krankenkasse bis zum 18. Lebensjahr übernommen wird, noch recht unbekannt“, sagt die Chefärztin.
Auch Jungen vor dem ersten Sex impfen
Die Aufklärung darüber gehöre zu ihren „Lieblingsthemen“: „Auch die Jungen vor dem ersten Sex zu impfen, hat verschiedene Vorteile: Man erreicht so eine Herdenimmunität, die auch die Mädchen schützt. Man verhindert die Entstehung von Feigwarzen, die zwar nicht gefährlich, aber unangenehm sind. Und man senkt auch bei den Jungen das Risiko, an bestimmten Krebsarten zu erkranken, denn die HP-Viren sind zwar vor allem mit Gebärmutterhalskrebs assoziiert, lösen aber auch andere Formen aus.“
Werde bei einer Frau eine Krebsvorstufe entdeckt, so sei das erst einmal noch nicht gefährlich. „Man muss sich das wie beim Hautarzt vorstellen: Er untersucht auch alle Muttermale und entfernt dann jene, die das Potenzial haben, irgendwann einmal gefährlich zu werden. Passiert ist dann aber noch nichts Schlimmes“, sagt die Ärztin. Grundsätzlich unterscheide man zwischen einer niedrigen, einer mittleren und einer hochgradigen Vorstufe. „Die niedrige Stufe geht in der Regel von allein wieder weg, man sollte einfach über einen Zeitraum von zwei Jahren alle sechs Monate zur Kontrolle gehen.“
Es gehe um Krebsvorstufen, noch nicht um Krebs
Auch bei der mittleren Kategorie sei zunächst nur eine Beobachtung nötig und nur selten ein operativer Eingriff. „Da gibt es ein bisschen Spielraum“, so die Chefärztin. „Denn es gibt auch Frauen, die sich ihren Kinderwunsch schon erfüllt haben und dann sagen: Bitte entfernen Sie die auffälligen Stellen, ich möchte nicht immer so ein Damoklesschwert über mir wissen.“
Bei einer hochgradigen Vorstufe sei dann in jedem Fall zu einem Eingriff geraten, zur sogenannten Konisation. „Dabei wird mit einer elektrischen Schlinge oder seltener mit einem Laser ein Gewebekegel aus dem Gebärmutterhals entfernt“, erklärt die Chefärztin. Was zunächst kompliziert klingt, sei nur ein kurzer, maximal zehnminütiger Eingriff, der ambulant bei Vollnarkose durchgeführt werde. „Das ist in der Tat ein schneller Routineeingriff“, sagt Dr. Simone Klüber. Meist werde nur ein Stück entfernt, das der Größe einer doppelten Erbse entspreche. „Der Leitsatz ist: So wenig wie möglich und so viel wie nötig zu entfernen.“
Gemeinsame Verantwortung
Dass die Gebärmutter komplett entfernt werden müsse, komme glücklicherweise wegen der Früherkennung immer seltener vor. „Dies ist dann nötig, wenn der Krebs zwar fortgeschritten, aber noch auf das Organ begrenzt wird“, sagt die Chefärztin, die in Wandsbek seit April mit den Kolleginnen Anna Jacob und Setareh Huschi ein Trio bildet.
„Wir sehen die gemeinsame Verantwortung als großen Vorteil“, sagt Dr. Simone Klüber über die Arbeit im Chefärztinnen-Team. „Wir unterstützen einander, springen auch mal füreinander ein, aber wir spornen uns gleichzeitig auch zu neuen Höchstleistungen an.“