Hamburg. Caroline und Benjamin Freisfeld führen Hamburgs ältestes Juweliergeschäft – und üben den Spagat zwischen Tradition und Moderne.

Man könnte sagen, sie verkörpern die „Generation Gold 2.0“: ein junges Paar, das Hamburgs ältestes Juweliergeschäft führt. Viele mögen über die Verbindung von Tradition und Moderne reden, Caroline und Benjamin Freisfeld, beide 37 Jahre alt, leben sie. Und das schon seit fast elf Jahren, seit Benjamins Familie, die Juwelierdynastie Freisfeld aus Münster, die Markenrechte an Brahmfeld & Gutruf, einst 1743 in Hamburg gegründet, erwarb.

Die ehemaligen Inhaber, Familie Hülse-Reutter, wurden Mitte der 1990er-Jahre Opfer des Betrügers Jürgen Harksen. Der daraus entstandene Schaden war so groß, dass Brahmfeld & Gutruf verkauft werden musste – zunächst an Alfred Wurster (Pforzheim), dann an die Juweliersfamilie Freisfeld. Seither leitet das Ehepaar das edle Geschäft mit acht Mitarbeitern, das sich im Hildebrand-Haus auf 300 Quadratmetern über mittlerweile zwei Etagen erstreckt.

Klientel aus ganzer Welt besucht Hamburger Juweliergeschäft

Acht Meter breit ist allein die Fensterfront zum Neuen Wall hin; in der Auslage funkeln Ringe, Armbänder, Colliers und Ohrschmuck. „Zwischen 500 Euro und mehreren Millionen Euro können wir alles anbieten“, sagt Benjamin Freisfeld, und es hat nichts mit Angeberei zu tun. Nur mit Realität, mit Kreativität und Handwerkskunst. „Vermutlich könnten wir auch problemlos ein Schmuckstück im Wert von 50 Millionen Euro fertigen. Aber auf die entsprechende Kundin oder den Kunden warten wir noch.“

Die Klientel komme nicht nur aus der gesamten Republik, sondern auch aus dem Ausland. Selbstverständlich bediene man mit gleicher Freude alle Segmente, vom Einstieg bis hoch zur sogenannten Haute ­Joaillerie. „Wir hatten schon Kunden, die gar nicht nach dem Preis gefragt, sondern nur gesagt haben: Wir wünschen uns das Beste, mehr nicht!“, erzählt Benjamin Freisfeld ein bisschen stolz. Das sei natürlich ein Privileg.

„Brahmfeld & Gutruf war immer ein großer Name“

Wie überhaupt die Übernahme von Hamburgs ältestem Juweliergeschäft. Schon sein Vater Andreas habe als kleiner Junge bei Hamburg-Besuchen staunend vor dem Schaufenster von Brahmfeld und Gutruf, damals noch am Jungfernstieg, gestanden. Über das „Collegium Cadoro“, ein Bündnis von Individualisten („wir verstehen uns als Kreateure, sind keine Schmuckhändler“), sei das 1948 gegründete Unternehmen Freisfeld, zu dem neben dem Stammhaus in Münster noch eine Niederlassung in Mönchengladbach gehört, über mehr als ein Vierteljahrhundert mit Brahmfeld & Gutruf „freundschaftlich und kollegial“ verbunden gewesen.

„Brahmfeld & Gutruf war immer ein großer Name in der Branche und wurde für seine hanseatische Unabhängigkeit bewundert“, sagt Caroline Freisfeld, die in Göttingen und London Kunstgeschichte sowie Internationales Management studiert und sich intensiv mit der Historie des Traditionshauses beschäftigt hat. So habe Brahmfeld & Gutruf zwar immer Könige beliefert, sei aber nie Hoflieferant gewesen. Mittlerweile kauft längst die „neue Royalty“ am Neuen Wall, also zum Beispiel internationale Popstars. Wie sehr muss man also mit der Zeit gehen, um gegen große Marken wie Cartier, Bulgari oder Tiffany’s zu bestehen, die Niederlassungen in direkter Nachbarschaft unterhalten? „Gar nicht so sehr“, sagt Benjamin Freisfeld, „unsere selbst entworfenen Kollektionen haben einen eigenen Stil: hanseatisch streng, zeitlos elegant.“

Devise: „Im Zweifel schlichter“

Die hauseigene Devise laute: „Im Zweifel schlichter“. Bling-bling ist woanders. Die jungen Unternehmer wollen nicht auf Krampf junge Kunden anwerben. „Wir setzen eigentlich eher auf Kunden in der Mitte des Lebens, die ihren eigenen Stil gefunden haben.“ Die also vielleicht den Trinity-Ring, ein Signature-Stück aus dem Hause Cartier, bereits kennen und nun mal etwas ganz Individuelles wünschen.

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Selbstverständlich gebe es Trends, so dürfe es in diesen freudlosen Zeiten der Corona-Pandemie etwas mehr glitzern als üblich, aber grundsätzlich überdauere hochwertiger Schmuck Modeerscheinungen. „Das hängt auch mit dem Goldenen Schnitt zusammen, am Ende geht es ja doch auch um bestimmte handwerkliche Parameter. Das sieht man allein daran, dass Schmuck in der Geschichte der Menschheit immer einen besonderen Stellenwert hatte“, sagt Benjamin Freisfeld.

Wann eine Kollektion den Relaunch braucht

Brahmfeld & Gutruf hat längst einen Ruf als Spezialist für Edelsteine, mehr als 250 verschiedene Steine verwende man aktuell, sagt Diplom-Kaufmann Benjamin Freisfeld, der sich nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre in München in New York zum Gemmologen ausbilden ließ. „Oberste Regel bei unseren Entwürfen ist immer: Form folgt Stein.“ Zwölf Kollektionen, viele davon entworfen von Benjamins Mutter Madeleine, hat die Familie Freisfeld bisher aufgelegt.

„Das muss man sich ein bisschen wie in der Automobilbranche vorstellen“, vergleicht Benjamin Freisfeld die Arbeit an den Kollektionen. „Irgendwann heißt es: Ach, jetzt ist es mal wieder an der Zeit für eine neue E-Klasse. Und dann kommt der Relaunch. Genauso modifizieren wir dann auch ganz sanft einzelne unserer Klassiker.“ Die Schmuckstücke sind meist ohne Schnörkel, können zum Abendkleid genauso getragen werden wie zur Jeans.

Benjamin Freisfeld meldete Geschäftsinteresse an

„Da kommt meine Mutter, eine Juristin, durch. Mit Chichi kann sie nix anfangen, sie entwirft Schmuck, der perfekt passt und tragbar sein soll. Das war und ist ihre oberste Maxime.“ Die Liebe zum Detail („da geht es um Millimeter“) hat Benjamin, der in Münster mit drei Geschwistern aufgewachsen ist, von der Mutter geerbt. „Wenn man meine Mutter richtig nervös machen möchte, muss man nur ihre Sonnenliege im Garten um wenige Zentimeter versetzen. Sie wird das sofort bemerken“, sagt der Sohn lachend.

Die Eltern, Juristin und promovierter Germanist, die das Unternehmen auch erst über Umwege übernommen haben, hätten nie Druck gemacht, dass eines der vier Kinder ins Familiengeschäft einsteige. „Irgendwann, als wir alle im Studium waren, hat mein Vater dann doch mal sanft angefragt: Sagt mal, Leute, hat vielleicht doch einer Interesse am Geschäft? Da habe ich mich gemeldet“, sagt Benjamin Freisfeld.

Caroline Freisfeld stammt aus Schifffahrtsfamilie

Caroline, die er 2002, kurz nach dem Abitur, auf einer Sprachreise in Barcelona kennengelernt hat, war gleich überzeugt. „Ich hatte nämlich wirklich mal darüber nachgedacht, nach dem Abitur Goldschmiedin zu werden“, sagt Caroline Freisfeld, die aus einer Schifffahrtsfamilie stammt und ihre Kindheit und Jugend an der niedersächsischen Nordseeküste verbracht hat. Dass sie nach ihrem Studium unter anderem für den Bertelsmann-Verlag eine Online-Learning-Plattform aufgebaut habe, komme dem Geschäft zugute, sagt ihr Mann. „Ohne Caroline wären wir beim Thema Digitalisierung lange nicht so gut aufgestellt“, sagt er stolz. „Das ist natürlich Gold wert.“

Denn das Onlinegeschäft sei natürlich in Pandemiezeiten doppelt wichtig. Obwohl man natürlich vor allem von treuen Kunden lebe. „Wir möchten gern, dass jemand die Verlobungsringe bei uns kauft und dann möglichst auch das Präsent zur Goldhochzeit“, sagt das Paar, das mit seinen beiden kleinen Söhnen in Eppendorf wohnt.

Kunde ist bei Freisfelds König

Der Kunde sei König, das sei bei Familie Freisfeld nicht nur eine viel strapazierte Redewendung. Zum Beweis erzählt Benjamin Freisfeld von einem Mann, der drei Tage vor Heiligabend einen Diamantring für seine Frau ausgesucht habe. „Allerdings wollte er unbedingt noch zwei weitere Steine seitlich eingesetzt haben.“ Gar kein Problem, habe er dem Kunden gesagt, aber schon in diesem Moment gedacht, wie das bitte zu schaffen sein sollte.

Er habe dann sofort noch bis tief in die Nacht hinein telefoniert. Mit den Diamantenbörsen in New York und Tel Aviv. „Hongkong habe ich gar nicht erst versucht, das hätte wegen der Zeitverschiebung sowieso nicht hingehauen.“ Einen Tag vor dem Fest sei der Ring dann zur Abholung bereit gewesen. „Der Kunde war so glücklich. Und wir natürlich auch!“

Nächste Generation in Hamburger Juweliergeschäft

Manchmal dauere eine komplexere Sonderanfertigung aber auch Monate. Wie bei der Dame, die einen sehr teuren Aquamarin, der Teil eines geerbten Art-déco-Colliers war, in einen Ring umarbeiten lassen wollte. „Das war eine tolle Herausforderung, weil der Stein groß war und der Ring dennoch schlicht und alltagstauglich sein sollte“, so die Freisfelds.

Auf eine Idee folge immer eine Skizze, danach ein 3-D-Modell am Computer, dann ein Wachsmodell, ehe der Goldschmied ans Werk gehe. Die Faszination für diese Arbeit zeige sich auch schon ein bisschen beim Nachwuchs. „Unser Ältester sammelt leidenschaftlich gern Steine und hält sich gern in der Werkstatt auf“, erzählen die Eltern. Vielleicht wächst sie also schon heran, die nächste goldene Generation.