Hamburg. Joggen ist zwischen 21 und 5 Uhr erlaubt. Doch “körperliche Betätigung“ ist schwammig definiert. Was Polizisten und Gerichte sagen.
Bei Hamburger Bürgern gibt es anhaltende Verwirrung um die Regeln der Ausgangssperre zwischen 21 und 5 Uhr. So ist vielen nicht klar, dass die als „Ausgangsbeschränkung“ unter Paragraf 3a der Eindämmungsverordnung gegen das Coronavirus aufgeführten Regeln bewusst „schwammig“ formuliert sind. Denn nicht jeder Einzelfall kann aufgeführt werden. Ein Beispiel: Zur sportlichen Betätigung darf man auch nach 21 Uhr auf die Straße, in die Grünanlagen, an die Alster, jedoch nicht in ein Stadion. Aber ist das Walken auch schon Joggen? Und wenn der (verbotene) Joggingpartner nicht als solcher zu erkennen ist und 20 Meter weiter rennt? Oder der gar nicht der Laufgefährte ist?
Ein Polizeikommissariat schrieb einem seriös nachfragenden Bürger aus Barmbek, dass die „körperliche Betätigung“ in der Verordnung „leider noch nicht umfassend definiert“ sei. Das Joggen oder Walken sei sicher damit gemeint – so man es denn alleine betreibe. Wer alleine sportlich schnell spazierengeht, wandert also durch einen Graubereich der geltenden Verordnungslage. Mit dem Hund ist das Gassigehen erlaubt. Wer Kinder oder Pflegebedürftige betreuen muss, darf auch nachts raus sowie Menschen, die mit „ähnlich gewichtigen und unabweisbaren Zwecken“ unterwegs sind.
Ausgangssperre in Hamburg: Joggen ja, Radfahren nein?
So freundlich wie der Mailverkehr zwischen Behörden und Bürgern gehen nicht alle Dialoge von Polizisten und nächtlich Aktiven aus. Kann man eine Solo-Fahrradfahrt zwischen 21 und 5 Uhr unter ein sportliches Motto stellen? Gibt es etwa Allein-Rennen auch ohne Fahrradhelm, Sportrad und Trikot? Denn zwischen verschiedenen Wohnungen darf man ohne triftigen Grund auch nicht einfach hin- und herfahren.
Wie ein Polizeisprecher dem Abendblatt sagte, gingen die Beamten „mit Augenmaß“ vor. Wer als harmloser Spaziergänger eingeschätzt werde, erhalte eine andere Ansprache als Feierwütige nach 21 Uhr oder Menschen, die sich offensichtlich nicht an die Abstands- oder Maskenregeln halten. Am Wochenende seien bis zum Sonntagnachmittag kaum Verstöße gemeldet worden. Eine Ansammlung von sieben Personen in Altona sei in diesem Zusammenhang schon das Bemerkenswerteste gewesen. Nicht immer würden sofort Verfahren eingeleitet.
Widersprüchliche Urteile am Verwaltungsgericht
Das Hamburger Verwaltungsgericht hatte die nächtliche Ausgangssperre gebilligt und den Eilantrag einer Familie abgelehnt. Begründung: Die konkreten Einschränkungen für die Familie sei verhältnismäßig, wenn man den Schutz der Allgemeinheit und die Corona-Lage betrachte. Das Gericht hat dabei eine bemerkenswert ausführliche Begründung vorgelegt. Darin wird auf Erkenntnisse der Hamburger Polizei zu nächtlichen Partys verwiesen, auf die Ausbreitung der britischen Mutante, auf die fehlende Datenbasis zur Frage, wer sich wo ansteckt und die Auslastung der Krankenhäuser.
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Und nur weil es bei „Aldi, Lidl und Co.“ jetzt Schnelltests gebe, sei das kein Beleg dafür, dass häufigeres Testen allein für das exponentielle Wachstum der Neuinfizierten verantwortlich sei. Die Richter schreiben: Der Senat habe auch mit Blick auf das strenge (bundesweite) Infektionsschutzgesetz ein Arsenal scharfer Maßnahmen.
Virologe Streeck gegen Ausgangssperren
Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hatte dagegen eine Ausgangsbeschränkung für Hannover kassiert, weil sie keine geeignete Schutzmaßnahme sei und gegen die Verhältnismäßigkeit verstoße. In der Region Hannover liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei 121,2 in Hamburg bei 139,9.
Der Virologe Hendrik Streeck hat sich vor einigen Tagen gegen eine Ausgangssperre ausgesprochen. Er sagte einem Unternehmer-Magazin („DUB“), dadurch würden neue Infektionen erst befördert. Der Grund sei, dass Menschen in „beengten Wohnverhältnissen“ sich nicht mehr aus dem Weg gehen könnten. Er erwarte außerdem, dass schon durch die steigenden Temperaturen die Zahlen erkennbar zurückgehen werden.