Hamburg. Stefanie Hehn ist Chefsommelière im Hamburger Top-Hotel The Fontenay – und nun zu Gast im Podcast Vier Flaschen.

Wenn sie arbeitet, trinkt sie grundsätzlich keinen Alkohol: Das überlässt Stefanie Hehn dann ihren Gästen. Die Hamburgerin, Chefsommelière im The Fontenay an der Außenalster und seit Oktober des vergangenen Jahres einer von nur 269 Menschen weltweit, die in den vergangenen 50 Jahren die Prüfung zum Master Sommelier geschafft haben, ist heute Gast in unserer Reihe „Vier Flaschen“.

Hehn ist 1985 geboren – „ein sehr guter Jahrgang im Bordeaux“ – und hat von einem befreundeten Händler zur bestandenen Prüfung verschiedene Weine aus ihrem Geburtsjahr bekommen. Um die Antwort auf eine oft gestellte Frage vorwegzunehmen: Normalerweise müsse man „sehr viel Geld“ ausgeben, wenn man Familienmitgliedern oder Bekannten mit einem Wein aus ihrem Jahrgang eine Freude machen will.

Die Weine sucht Michael Kutej aus

„Und dann besteht die Gefahr, dass derjenige, der ihn geschenkt bekommt, sich gar nicht traut, die Flasche zu öffnen.“ Eine Einschätzung, die Hehn mit Weinkenner Michael Kutej teilt, der zusammen mit Riesling-Liebhaber Lars Haider und Apfelschorlentrinker Axel Leonhard Gastgeber der „Vier Flaschen“ ist (zu sehen auch auf dem Youtube-Kanal des Hamburger Abendblatts und zu lesen jede zwei Wochen an dieser Stelle).

Das Prinzip der „Vier Flaschen“: Das Quartett testet vier verschiedene Weine und spricht darüber – diesmal live vor 200 Frauen und Männern, die in ganz Deutschland verteilt vor ihren Computern mitriechen und -schmecken. Die Weine sucht Michael Kutej aus, heute hat er sich im Vorfeld natürlich mit Stefanie Hehn beraten, die „eine Flasche ausgetauscht hat, weil es da noch etwas Besseres gab“. Sie meint damit den Chianti Classico, aber dazu später mehr.

Beim Riesling sind wir Deutsche immer noch die Nummer eins

Los geht es mit einem Riesling vom Schiefer von der Mosel, Jahrgang 2019. Winzer Dr. Loosen sei sehr bekannt und würde „Deutschland weit über die Landesgrenzen hinaus vertreten“, sagt Hehn. „Der Riesling ist das Wichtigste, was wir Deutsche in der Weinwelt zu bieten haben. Da sind wir, anders als im Fußball, immer noch die Nummer eins.“ Was ist charakteristisch für einen Riesling?

Er rieche nach Jasminblüten beziehungsweise Jasmintee, sagt die Master Sommelière, daran könne man die Rebsorte genauso gut erkennen wie einen Sauvignon blanc am Holunder- oder Fliedergeruch: „Bei jedem Weißwein hat man andere Blüten in der Nase. Bei einem Grauburgunder zum Beispiel Lindenblüten, bei Weißburgundern Kamille, bei Chardonnays Orangenblüte.“

Mineralität ist typisch für einen Riesling

Typisch für einen Riesling sei zudem die Mineralität, also das Gefühl, auf nassen Kieselsteinen zu lutschen. Michael Kutej fühlt sich bei dem Dr.-Loosen-Riesling an einen Sahnebonbon erinnert, „man spürt die Süße auf der Zungenspitze, auch wenn die Säure natürlich weiter da ist – ein spannender Wein“. Die Flasche, ein Gutswein, kostet 11,90 Euro.

Zur zweiten Flasche, einem Chianti Classico Riserva Rocca Guicciarda aus dem Jahr 2017 vom Weingut Ricasoli aus dem Jahr 1141 – und damit zu dem Wein, den Stefanie Hehn gegen den Willen von Michael Kutej durchgedrückt hat. Der wollte an dieser Stelle eigentlich einen Primitivo trinken, „weil der bei vielen Leuten so beliebt ist“.

Chianti sei lange eine etwas angestaubte Weinregion gewesen

Die Master Sommelière hat sich für einen Wein aus einer Region eingesetzt, die sie „in den vergangenen Jahren immer mehr begeistert“. Der Chianti sei lange, viel zu lange, eine etwas angestaubte Weinregion gewesen, mit austauschbaren und langweiligen Produkten. So ab dem Jahrgang 2012 habe sie wahrgenommen, dass sich das ändert, insbesondere wenn es um Chianti Classico gehe, Weine aus dem Kerngebiet der Region: „Ein Chianti Classico ist eigentlich immer eine Bank, den kann man blind beim Italiener bestellen“, sagt Stefanie Hehn.

Der aktuelle Chianti riecht für Lars Haider „extrem nach Zimt“. Das findet die Expertin auch, weist aber darauf hin, dass man bei einer Beschreibung erst mit den Früchten anfangen sollte. Also: Kirsche, Granatapfel, Blaubeere, Hibiskusblüte, Malve, getrocknete Tomate. „Wenn es zu den Gewürzen geht, finde ich, dass man beim Chianti immer Basilikum, Oregano und all das riecht, was wir mit der italienischen Küche verbinden“, so Hehn. Chianti bestünden zu einem überwiegenden Teil aus Sangiovese, eine Rebsorte, die typisch für die Toskana ist.

Die dritte Flasche ist ein weiterer Rotwein, diesmal aus Frankreich, ein Bastide Miraflors Grande Réserve aus dem Jahr 2018, eine Mischung aus Grenache, Syrah und Caregnon, die nach Pflaumen, Pflaumenkonfitüre, dunklen Kirschen und Datteln riecht, „und nach Lavendel, Thymian und Rosmarin“, sagt Stefanie Hehn. „Die Kräuter der Provence eben. Man riecht und schmeckt die Region aus dem Wein heraus.“ Was würde man dazu essen?

Haider empfiehlt Sellerie-Tacos mit einer Dattelsoße

Haider empfiehlt Sellerie-Tacos mit einer Dattelsoße nach einem Rezept von Yotam Ottolenghi, Kutej bräuchte nur ein Stück Fleisch vom Grill mit einer Prise Meersalz dazu, Stefanie Hehn „hat an eine geräucherte Entenbrust mit ordentlich Fett gedacht, wenn man unbedingt etwas zu diesem Wein essen will“. Und Axel Leonhard? Der hat auf einmal Appetit auf Datteln im Speckmantel …

Zum letzten Wein, Vina Arana, einem Rioja Gran Reserva aus dem Jahr 2018 vom Weingut La Rioja Alta, in dem Stefanie Hehn unterschiedlichste Aromen entdeckt: Reife Pflaumen sind dabei, getrocknete Kirschen, Blaubeeren, Apfelchips („typisch für spanische Weine“), Auberginen, Artischocken, Olivenöl, Zimt, Dill, Gurkenwasser – und „nasser Drehtabak“. Der Wein sei extrem trocken, kräftig, der Geschmack bleibe sehr, sehr lang: „Das ist ein besonderer Wein.“

Wenn Sie selbst einmal live bei einer digitalen Weinverkostung mit Michael Kutej, Lars Haider und Axel Leonhard dabei sein wollen, haben Sie dazu das nächste Mal am 22. April um 19 Uhr die Möglichkeit. Dann wird der deutsche Winzer Eric Manz mit seinen neuen Weißweinen zu Gast sein. Interesse? E-Mail an chefredaktion@abendblatt.de reicht, dann kümmern wir uns um alles Weitere.