Hamburg. Er leitet die Deutsche Wildtier Stiftung – ist aber privat wie beruflich auch mit Wien weiterhin eng verbunden.

Das ist sehr passend, fast ein wenig kitschig: Während Klaus Hackländer von seiner Liebe zur Natur spricht, von seiner Leidenschaft, Vögel zu beobachten, springt ein Eichhörnchen hinter seinem Büro draußen im Baum von einem Ast zum anderen. Ein Hintergrund­geschehen, wie für ihn gemacht. Denn Hackländer ist Professor für Wildbiologe und Jagdwirtschaft an der Universität für Bodenkultur in Wien und seit Anfang des Jahres neuer Vorstandsvorsitzender der Deutschen Wildtier Stiftung mit Sitz in Hamburg.

Natürlich hat der Naturliebhaber bereits die Tierwelt vor seinem Büro in Eppendorf entdeckt. Biologen sind wohl so und können nicht anders. „Wir haben schon eine nette Vogelansammlung hier“, sagt Hackländer, dann zählt er auf: „Kohlmeisen, Gimpel und Erlenzeisige. Wenn ich eine Zoom-Konferenz habe, sehen die Leute das.“

Tiere und die Natur sind seine Leidenschaft

Tiere, die Natur und vor allem deren Erhalt sind seine Leidenschaft, privat und beruflich. Zwar lebt der 50-Jährige überwiegend in Wien bei seiner Frau und den Kindern und verbringt lediglich drei Tage die Woche in seiner kleinen Wohnung in Alsterdorf, ein wenig auf Entdeckungstour war das Ehepaar dennoch schon im Hamburger Umland.

 Gemeinsam ging es kürzlich zur Haseldorfer Binnenelbe und dem Fährmannssander Watt. Das ist eines der größten Süßwasserwattgebiete in Europa. „Dort gibt es richtig Ebbe und Flut. Wir haben Hunderte von Nonnengänse gesehen, das war wirklich schön.“

Danach haben sie einen Abstecher an den Timmendorfer Strand gemacht. Das war allerdings nicht so sein Ding. Mit Maske auf der Strandpromenade laufen zu müssen – und dann die vielen Menschen. „Aber ornithologisch interessant war es an der Küste.“ Und welche Vögel hat er beobachten können? „Dort waren Schellenten und Zwergtaucher.“

Seine Ehefrau teilt seine Liebe zu den Vögeln

Praktischerweise teilt seine Ehefrau seine Liebe zu den Vögeln. „Wir beide sind gern mit dem Fernglas unterwegs.“ Kennengelernt haben sie sich auf einer Vogelexkursion an der Universität Marburg. Er hat dort Biologie mit Schwerpunkt auf Zoologie und Naturschutz studiert, sie Biologie und Chemie auf Lehramt. Ein Glückstreffer. „Wir wussten schnell, dass wir gern vier oder fünf Kinder haben möchten.“ Es wurden dann drei. Heute ist seine Tochter 16, seine Söhne sind 19 und 23 Jahre alt.

„Meine Frau und ich sind begeistert von Hamburg und dem Norden. Hamburg hat viele herrliche grüne Flächen rund um Alster und Elbe. Hoffentlich bleiben die bewahrt. Denn die bieten nicht nur Erholung für die Menschen, sondern sind auch wichtiger Lebensraum für etwa Insekten.“ Nicht nur die Natur, das Kulturleben mag er ebenso, auch wenn er davon in Hamburg pandemiebedingt noch nicht viel mitbekommen hat.

 Er hat als Tenor in einem Chor mitgesungen

In Wien geht er mit seiner Frau gern in Konzerte, von Jazz bis Klassik, und ins Theater. Er hat als Tenor in einem Chor mitgesungen. Ziemlich high class: Sie haben unter anderem das Bachrequiem mit den Wiener Symphonikern aufgeführt. In Hamburg war er kurz vor dem Lockdown in der Beckmann-Ausstellung in der Kunsthalle. Die hat ihm sehr gefallen.

„Als großer Hamburg-Fan freue ich mich sehr auf die Zeit, wenn wir die Pandemie etwas mehr in den Griff bekommen haben. Denn dann möchte ich die Hansestadt und ihr Umland ausgiebig entdecken, das vielfältige Kulturangebot nutzen und interessante Menschen treffen, und zwar bei einem Bier an der Alster und nicht in einem Online-Meeting.“ Aber auch wenn Klaus Hackländer die Hansestadt sehr schätzt: Wien soll der Lebensmittelpunkt bleiben.

Mit Haustieren kann er nicht viel anfangen

Dort kann er mit seiner Frau im Wienerwald Mountainbike fahren, dort hat er seinen schönen Garten mit heimischen Pflanzen. Sogar einen Naturpool hat er angelegt. Es ist eine Oase. „Man sieht jedes Jahr, wie sich der Garten weiterentwickelt.“ Eisvögel oder Silberreiher hat er beobachten können. Eines geht ihm allerdings gegen den Strich: die Katzen. Hackländer, der Vogelschützer, hat zwei Katzen.

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Nein, so formuliert er das nicht. Er ist da distanzierter, kann mit Haustieren ohnehin nicht viel anfangen: „In unserem Haushalt leben zwei Katzen“, sagt er. Die Kinder wollten es so. Für ihn, der weiß, dass Freigänger-Katzen Vögel töten, scheint das eine Qual zu sein. „Schrecklich ist das. Die holen sich die Zaunkönige und Gebirgsstelzen.“ Dennoch können die Kohl- und Blaumeisen in seinem Garten einen guten Bruterfolg vorweisen. Zum Glück.

Leben zwischen Universitätsbetrieb in Wien und der Stiftung in Norddeutschland

Es ist ein Leben zwischen Universitätsbetrieb in Wien und der Stiftung in Norddeutschland. Im kommenden Monat wird er noch mehr Zeit außerhalb Hamburgs verbringen und einmal die Woche zusätzlich auf dem stiftungseigenen Gut Klepelshagen in Mecklenburg-Vorpommern zu tun haben.

Jeden Donnerstagabend geht es mit dem Flieger nach Hause nach Wien und montagabends zurück. Ja, mit dem Flieger leider. „Ich möchte nicht einerseits Wildtiere retten und andererseits den Klimawandel anheizen.“ Klimatechnisch nicht optimal, aber zehn Stunden in der Bahn mit Maske zu sitzen, das sei doch sehr unbequem und dauert viel länger. Die Widersprüche des Lebens eben.

Romantisierung von Natur ist nichts für einen Forscher

In Wien er hat er als Leiter des Instituts für Wildtierökologie und -management montags Vorlesungen, derzeit natürlich online. Seinen Studenten möchte er beibringen, ihre Entscheidungen später im Wildtiermanagement nicht auf Ideologien, sondern auf Fakten aufzubauen. „Es gibt keine Pauschallösungen, das muss immer vor Ort entschieden werden.“

Die Romantisierung von Natur ist nichts für ihn, den Wissenschaftler. Wie Ideologien aufeinanderprallen können, das sähe man gut am Beispiel des Wolfes. Mit ihm und dem Feldhasen hat sich Hackländer wissenschaftlich intensiv auseinandergesetzt und mehrere Bücher dazu verfasst. Zuletzt „Er ist da – der Wolf kehrt zurück“, ein Buch für jedermann, nicht nur für Wissenschaftler.

Dramatischer Rückgang der Artenvielfalt

„Wenn es um den Wolf geht, hat man fast nur mit Verrückten zu tun. Auf der einen Seite die Wolfshasser und auf der anderen die Naiven, die mit ihm am liebsten kuscheln würden.“ Als Wolfskenner berät er die Politik in Österreich, ist in vielen Gremien aktiv. Wissenschaftlich sei das Thema „superspannend“.

Der Wolf, sagt er, sei nicht gefährdet. „Es ist nett, dass er da ist, finde ich auch gut, aber er lenkt ab von den wirklichen Problemen.“ Viel dramatischer sei der Rückgang der Artenvielfalt, die Biodiversität, das Vogel- und Insektensterben. Jede Intensivierung der Landwirtschaft bringe große Probleme.

Wertvoller Tipp seines Vaters

„Wenn wir als Gesellschaft Feldlerchen und Feldhasen haben wollen, dann müssen wir auch Ausgleichszahlungen für die Flächen an den Bauern leisten.“ Naturbildung ist für ihn ein wichtiger Baustein, um Arten- und Umweltschutz im Bewusstsein der Menschen zu verankern. Denn: „Nur was der Mensch liebt, das schützt er auch. Das voranzutreiben liegt mir am Herzen.“

Bei der Entscheidung für sein Studium hat ihm sein Vater damals einen wertvollen Tipp gegeben: „Hör nicht auf deinen Verstand, sondern auf dein Bauchgefühl. Studiere etwas, für das du eine Leidenschaft hast.“ Also wurde es Naturschutz statt Betriebswirtschaft.

Feldhase ist sein Lieblingstier

Über seinen Diplom- und Doktorvater kam er nach Wien und dort über die Forschung über Murmeltiere zum Feldhasen, seinem Lieblingstier. Mit den Hasen hat er im Rahmen seiner Dissertation in Wien gearbeitet. Danach kam der Forschungspreis der Deutschen Wildtier Stiftung. „Ich hatte wirklich Glück, das Geld kam zur passenden Zeit.“

Glück habe er häufig in seinem Leben gehabt. „Auch mit der Professur, ich war damals 34, eigentlich noch gar nicht professorabel, aber meine Konkurrenz war noch schlechter. So habe ich dann den Job gekriegt.“

Als Jugendlicher hat er eine illegale Greifvogelhaltung entdeckt

Wie kommt ein Pfälzer, der am Stadtrand von Ludwigshafen mit einem zweieinhalb Jahre älteren Bruder aufgewachsen ist, zu dieser Naturliebe? „Wir haben viel draußen gespielt, haben Eidechsen auf Brachflächen entdeckt.“ Und mit seinem Bruder hat er als Jugendlicher eine illegale Greifvogelhaltung entdeckt und gemeldet.

Er trat dem Deutschen Bund für Vogelschutz (DBV, heute NABU) bei, baute eine Jugendgruppe auf und war sehr engagiert. „Wir haben eine Tankstelle besetzt, jede Menge Ideen gehabt und umgesetzt.“ In den Osterferien ging es aufs Land zur Großtante auf einen Bauernhof in Ostfriesland, die Sommerferien verbrachte die Familie – der Vater war Kaufmann, die Mutter gelernte Buchhalterin – in den österreichischen Alpen zum Wandern. „Ganz klassisch in rot-weiß karierten Hemden“, sagt Hackländer und lacht.

Den Süden Texas fand er aus ornithologischer Sicht besonders spannend

Nicht nur die Alpen haben es ihm bis heute angetan, auch die Landschaften Nordamerikas. Ein Jahr lang hat die Familie in North Carolina gelebt. „Die Kinder konnten dort gut Englisch lernen.“ In den Ferien waren sie dort viel auf Reisen, haben wohl mehr Bundesstaaten gesehen als so manch Amerikaner. Den Süden Texas rund um Corpus Christi fand er aus ornithologischer Sicht besonders spannend. „Da würde ich gern noch einmal hin.“ Und wenn er an die Wale denkt, die er im Pazifik vor der Küste von Santa Barbara in Kalifornien gesehen und erlebt hat, bekommt er heute noch Gänsehaut. So eindringlich war das.

3 Fragen

  • 1. Was ist Ihr wichtigstes persönliches Ziel für die nächsten drei Jahre? Alles unter „einen Hut zu bringen“:  Hamburg besser kennenlernen und genügend Zeit für die Familie haben.
  •  2. Was wollen Sie in den nächsten drei Jahren beruflich erreichen? Unter anderem möchte ich als Wissenschaftler die Forschung unterstützen. Denn die hat es schwer. Öffentliche Gelder sind knapp, und andere Themen werden immer mächtiger.  
  • 3. Was wünschen Sie sich für Hamburg in den nächsten drei Jahren? Dass Hamburg eine wildtierfreundliche Stadt wird, die Naturbildung und Forschung großschreibt – und dass die Hamburger offen sind für sachliche Diskussionen über Mensch-Wildtier-Konflikte.

Liegt es an diesem kleinen ostfriesischen Anteil seiner Großtante? Kaffee kommt ihm jedenfalls nicht in den Becher. „Ich mag keinen Kaffee.“ Hackländer ist Teetrinker. Klar, Ostfriesentee. Eine Thermoskanne davon steht auf seinem Schreibtisch. Den Becher für die Reporterin holt er schnell selbst aus der Teeküche im Büro am Christoph-Probst-Weg. Dafür bemüht er nicht extra seine Assistentin. Unkompliziert, sympathisch.

Mit der Deutschen Wildtier Stiftung kann er in Deutschland etwas auf die Beine stellen, sagt er. „Ich möchte, dass wir nach ein paar Jahren sagen können, wir haben Arten, wo die Stiftung dazu beigetragen hat, dass es nicht weniger geworden sind.“ Eine Arbeit mit Zukunftspotenzial sei das. „Ich möchte wirklich etwas bewirken.“ Er will den Wildtieren eine Lobby geben, politisch Druck aufbauen, Lebensräume schaffen.