Hamburg. Gegen den Bau von 470 weiteren Wohnungen im Quartier regt sich Widerstand. Bürger im Stadtteil fordern Mischnutzung.

In Steilshoop steht ein Pastor an der Spitze der Protestbewegung. Nicht im Namen der Kirche zwar, wie Andreas Holzbauer betont, sondern auf eigene, private Rechnung. Trotzdem spricht der Gottesmann von der Martin-Luther-King-Gemeinde nicht wirklich privat, sondern im Namen von Stadtteilkonferenz, Stadtteilbeirat und Koordinierungskonferenz mit den Offiziellen der Stadt, um für seine Heimat etwas zu erreichen und den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen.

470 Wohnungen soll das hochverdichtete und einkommensschwache Steilshooper Quartier um Gründgensstraße und die diversen Ringe noch schlucken. Im preisgedämpften 8-Euro-Wohnungsbau mit Systemhäusern der Saga. Mit anderen in der Steilshooper Erklärung 2019 und jetzt wieder gegenüber dem Abendblatt formuliert Holzbauer seine Kritik:

„Das offensichtliche Ziel der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH), möglichst viel Wohnungen auf möglichst günstige Weise in Steilshoop zu errichten, stößt nicht nur bei mir, sondern auch bei dem überwiegenden Großteil der Bevölkerung auf Ablehnung. Dabei stelle ich nicht die Notwendigkeit von Wohnungsbau in Frage. Allerdings sollte der Wohnungsbau nach den Kriterien erfolgen, die auch in der Koalitionsvereinbarung des jetzigen Senates der FHH festgehalten werden:

‚Wir wollen lebendige Quartiere, die die dort lebenden Menschen ins Zentrum der Entwicklung stellen. Quartiere brauchen unkomplizierte Begegnungsräume für alle Menschen. Unsere Quartiere der Zukunft verbinden Wohnen und Arbeiten, Freizeitgestaltung, Grün- und Erholungsräume für Mensch und Natur, Kultur sowie Hilfen und Unterstützungsangebote vor Ort‘ (Koalitionsvertrag vom Juni 2020, S. 27, https://www.hamburg.de/senatsthemen/koalitionsvertrag/wohnen/)

Wenn diese Ziele für die weitere Stadtteilentwicklung Steilshoops und die künftige Nachverdichtung berücksichtigt werden, würde auch Wohnungsneubau in Steilshoop von mir begrüßt und unterstützt werden.Der derzeit präsentierte Planungsstand widerspricht jedoch den dort formulierten Zielen komplett: Die „dort lebenden Menschen“ (also die Bürger*innen Steilshoop) sind nicht das Zentrum der Entwicklung, vielmehr die Projektionsfläche der städtischen Wohnungsnot.

Es werden keine Begegnungsräume, sondern nur Wohnungen geschaffen. Die in Steilshoop geplanten Quartiere schließen die Verbindung von „Wohnen und Arbeiten, Freizeitgestaltung“ aus, weil sie sich einseitig aufs Wohnen konzentrieren.“

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Im Stadtteil waren früh die Forderung laut geworden, Kleingewerbe, Kunstschaffende und Freiberufler anzusiedeln, um Räume zu schaffen für das laut Holzbauer „große kreative Potenzial“ und die „Begegnung der vielen Kulturen“ im Stadtteil. „Das ist ein Schatz, der gehoben werden muss und das soziale Klima erheblich verbessern würde.“

Steilshooper drangen bisher nicht durch

Bisher drangen die Steilshooper nicht durch. Die Bebauungsplanverfahren sind angelaufen. Die Öffentliche Plandiskussion lief Online vom 15.-29. März. Das Konzept mit der Monokultur von Wohnungen sieht zwei fünfgeschossige Blöcke mit 280 Wohnungen am Fritz-Flinte-Ring vor und ein fünf- bis sechsgeschossiger Block mit 190 Einheiten am Borchertring gegenüber dem Bramfelder See.

Die Schule, die Holzbauer, Stadtteilkonferenz, CDU und Linkspartei gern erhalten gesehen hätten, um dort die bunte Mischung von Kunst und Gewerbe unterzubringen, ist gerade abgerissen worden. Obwohl eine jahrelange Zwischennutzung der intakten Gebäude möglich gewesen wäre.

Im Vorfeld war der Architektenwettbewerb für die drei Baufelder von vornherein beschränkt worden auf die städtischen Vorgaben: Ausschließlich Wohnungsbau und die Verwendung von Saga-Systemhäusern, also einen Architekturbaukasten. Obwohl der SAGA-Baukasten auch Lösungen mit Gewerbe im Erdgeschoss ermöglicht.

Großteil der Steilshooper von Beteiligung ausgeschlossen

„Als Bewohner Steilshoops bin ich über die Art und Weise, wie Wohnungsbau in Hamburg in einem Stadtteil wie Steilshoop geplant, vorangetrieben und kommuniziert wird, entsetzt“, schreibt Holzbauer. „‚Grün- und Erholungsräume für Mensch und Natur‘ (siehe Koalitionsvertrag) werden durch die Bebauung vernichtet. ‚Kultur sowie Hilfen und Unterstützungsangebote vor Ort‘ - trotz des eklatanten Mangels - werden nicht geplant.“

Das Online-Format für die Öffentliche Plandiskussion habe den Großteil der Steilshooper faktisch von der Beteiligung ausgeschlossen. Beworben wurde sie mit Plakaten und Flyern, die aber nur in der Kirche und im Haus der Jugend auslagen. Immerhin wurde dieser Defekt geheilt. Die von der Politik lange versprochene Präsensveranstaltung zur Diskussion der Planung wird Ende des Jahres nachgeholt. Das beschloss der Regionalausschuss auf CDU-Initiative letztlich einstimmig.

Holzbauers „Hoffnung, dass die derzeitige Planung grundsätzlich in Frage gestellt wird und dadurch ein Dialog auf Augenhöhe mit den Steilshooper Bürger*innen begonnen werden kann“, bekommt demnach neue Nahrung. Auch in fortgeschrittenen Stadien von Bebauungsplanverfahren sind noch grundsätzliche Änderungen möglich.