Hamburg. Obstruktive Schlafapnoe ist eine Volkskrankheit. Chefarzt über Therapien: CPAP-Maske bis Zungenschrittmacher.

„Der Klassiker in meiner Sprechstunde ist schon, dass Frauen ihre schnarchenden Männer unter Androhung getrennter Schlafzimmer zu mir schleppen“, sagt Professor Dr. Thomas Verse. Der Chefarzt für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie vom Asklepios Klinikum Harburg klärt in einer neuen Podcast-Folge der „Digitalen Sprechstunde“, über die obstruktive Schlafapnoe auf. „Viele wissen es nicht, aber das ist nach Bluthochdruck und Diabetes tatsächlich die dritthäufigste Volkskrankheit.“

Das Tückische am Schnarchen und den oft damit verbundenen Atempausen im Schlaf sei, dass man es eben selbst nicht bemerke. „Gut also, dass es Lebensabschnittspartner gibt, die Alarm schlagen“, sagt der habilitierte Schlafmediziner. Denn Atempausen, die unter anderem verursacht werden, wenn die Zunge zurückfällt und die oberen Atemwege dadurch verschlossen werden, können gefährlich sein.

Mit jeder Atempause beginnt der Schlafzyklus wieder von vorne

Dauerten die Aussetzer mindestens jeweils zehn Sekunden, so spreche man von einer krankhaften Erscheinung. „Mit jeder Atempause beginnt unser natürlicher Schlafzyklus wieder von vorne“, erklärt der Experte, „was bedeutet, dass der Betroffene zu wenig Tief- und Traumschlafphasen durchlebt und sich am nächsten Morgen womöglich wie gerädert fühlt.“

Doch es gebe gute Hilfsmittel bei Schlafapnoe, die mit steigendem Alter an Häufigkeit und Schwere zunehme. „Kürzlich erst berichtete mir eine Patientin ganz begeistert, die sogenannte CPAP-Maske sei in Wahrheit wohl eine Zaubermaske. Sie habe schon vor der Arbeit das Haus geputzt. So viel Energie habe sie seit Jahren nicht mehr gehabt.“

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In der Diagnostik folge auf das ärztliche Gespräch und die körperliche Untersuchung meist eine Schlafmessung zu Hause mit einem speziellen Screening-Gerät. „Das ist praktisch, da man ja schlecht vom Partner verlangen, dass er wach bleibt und alles protokolliert“, sagt der vierfache Vater, der mit einer Juristin verheiratet ist.

Lange Wartezeiten für eine Analyse in einem Schlaflabor

Noch präziser sei die Analyse in einem Schlaflabor, wie Professor Verse auch eines in Harburg mit den Kollegen aus der Lungen- und Nervenheilkunde betreibt. Allerdings betrage die Wartezeit je nach Krankenversicherung auch mal Monate. „Das läuft so, dass Sie gegen 20 Uhr gut gelaunt, aber sehr müde zu uns kommen, mit 14 Kabeln versehen werden und wir von der Atmung über die Sauerstoffsättigung bis zur Herzfrequenz alles ebenso messen wie sämtliche Schlafparameter. Auch die Körperlage wird beobachtet, denn manche schnarchen nur in Rückenlage.“

Nun komme es schon vor, dass der ein oder andere Patient wegen der Krankenhausatmosphäre nicht gut einschlafen könne. „Dann muss man mit einer Schlaftablette helfen, denn wach im Schlaflabor, das ist natürlich doof“, sagt der Experte, der nach dem Medizinstudium in Würzburg zunächst am Universitätsklinikum Ulm arbeitete, das bundesweit eine Vorreiterrolle auf dem recht jungen Fachgebiet der Schlafmedizin einnahm. Ein erhöhtes Risiko für Schlafapnoe hätten Männer, Übergewichtige und Menschen mit diversen anatomischen Besonderheiten: „Große Zunge, kleiner Kiefer, langes Zäpfchen und so weiter“, sagt der Chefarzt.

Bei der Behandlung gibt es verschiedene Möglichkeiten

In der Behandlung gebe es verschiedene Möglichkeiten, unter anderem die Standardtherapie mit der erwähnten CPAP-Maske, mit der man gegen einen Luftdruck ein- und ausatmet. „Die Erfolgschance ist sehr hoch, aber viele Leute gewinnen ihre Maske leider nicht so lieb, dass sie sie jede Nacht tragen.“

Und auch das beste Hilfsmittel bringe nichts, wenn der Patient es nicht nutze. Eine Reduktion des Körpergewichts sei bei übergewichtigen Patienten immer hilfreich. „Zehn Kilo nach oben oder unten machen sich bemerkbar. Allerdings ändert man seine Lebensgewohnheiten natürlich nicht über Nacht.“

Zahnärztliche Möglichkeiten

Für Patienten, bei denen die Schlafapnoe vor allem in Rückenlage auftrete, gebe es die „Rückenlageverhinderungsweste“, „ein OP-Hemdchen mit Schaumstoffzylinder hinten drin“, so der Arzt. Das sei allerdings auch nicht unbedingt praktikabel. „Ich weiß nicht, wie groß das Bett des jeweiligen Patienten ist, aber meins ist begrenzt.“

Neben zahnärztlichen Möglichkeiten (zweiteilige Unterkieferschiene) gebe es auch noch „kleine bis mittlere bis große chirurgische Lösungen“, sagt der Experte. „Grundsätzlich gilt immer: konservativ vor operativ! Aber manchmal ist dann eben doch ein Eingriff die beste Option.“ Eine davon sei der sogenannte Zungenschrittmacher, wie er ihn in Harburg seit 2015 implantiert. Weltweit wird der Zungenschrittmacher derzeit von rund 12.000 Betroffenen genutzt. „Das Implantat besteht aus drei Komponenten, ist tagsüber nicht aktiv und wird dann abends über eine Fernbedienung aktiviert.“

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Der gering-invasive Eingriffe erfolge über drei kleine Schnitte an Hals und Brustkorb. Die Ergebnisse der innovativen Methode seien sehr gut: „Man kann sehen, dass die Anzahl der Atemaussetzer von 25 bis 30 auf etwa zehn minimiert wird“, so der Chefarzt, der sich mit Freiwasserschwimmen fit hält („bei drei Grad 500 Meter durch den See“) und seinen Fachbereich liebt: „Müde Menschen sind oft grummelig. Wenn wir ihnen geholfen haben, sind sie plötzlich nett und wesensverändert.“