Hamburg. Der 39-Jährige zeigt sich betroffen und bestreitet die Vorwürfe. Das Cannabis sei für den Eigenbedarf und nicht zum Dealen gewesen.

Eine Gasexplosion! Das war der erste Gedanke, als die Straße bebte, als es einen ohrenbetäubenden Knall gab, als Fassadenteile eines Wohnhauses meterweit flogen und Fensterscheiben zerbarsten.

Doch schon auf dem Weg zu ihrem Einsatzort in Barmbek stellte die Feuerwehr Hamburg damals fest, dass es in dem betroffenen und nun einsturzgefährdeten Mehrfamilienhaus überhaupt keine Gasleitung gab. Der Grund für die Zerstörung war ein ganz anderer: In einer der Wohnungen wurde eine Hanfplantage gehegt und gepflegt. Offenbar beim Versuch, gute Erträge zu erzielen, wurde hierbei versehentlich eine Explosion ausgelöst.

Hanfplantage explodiert: Angeklagter zeigt sich betroffen

Wegen dieses Vorfalls vom 16. November vergangenen Jahres müssen sich jetzt zwei Männer in einem Prozess vor dem Landgericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft Björn V. (39) und Adrian G. (32) Rauschgifthandel und Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion vor.

Der ältere der beiden Angeklagten, damals in jener Wohnung zu Hause und mittlerweile in Untersuchungshaft, möchte gleich zum Prozessauftakt seine Betroffenheit zum Ausdruck bringen. „Ich bin tief erschüttert“, lässt der 39-Jährige durch seine Verteidigerin erklären, „dass andere Menschen durch die Explosion schweren Schaden erlitten haben.“

Duo züchtete im dritten Stock des Wohnhauses Cannabis

Andere Menschen, das sind jene, die die Feuerwehr aus ihren durch die Verpuffung verwüsteten Wohnungen holen musste. Mit den „anderen Menschen“ ist aber möglicherweise auch Adrian G. gemeint. Der 32-Jährige, ein Wohnungsnachbar von Björn V., wurde seinerzeit ebenso wie der 39-Jährige schwer verletzt. Er wurde unmittelbar nach dem Unglück mehrere Tage im Krankenhaus behandelt. Björn V. indes flüchtete zunächst mit einem Fahrrad, stellte sich aber später der Polizei.

Laut Anklage haben die beiden Männer in der im dritten Stock gelegenen Wohnung von Björn V. in einem professionell ausgestatteten Growzelt mindestens 20 Cannabispflanzen angebaut, um aus der Ernte Haschisch-Öl herzustellen und gewinnbringend zu verkaufen.

Explosion durch sehr viel Feuerzeuggas – hoher Sachschaden

Hierfür wird im Rahmen einer sogenannten Extraktion den Cannabisblüten mithilfe von Butan das Öl entzogen. Hierbei sollen die Männer derartig viel Feuerzeuggas eingesetzt haben, dass es zur Explosion kam. Laut Anklage entstand allein an dem Mehrfamilienhaus ein Sachschaden von mehr als 100.000 Euro, darüber hinaus wurden mehrere geparkte Autos in der Nähe beschädigt.

Björn V., ein athletisch aussehender Mann mit Uppercut, dessen Hände deutliche Spuren von Brandverletzungen zeigen, sitzt ganz still da, während seine Verteidigerin in seinem Namen eine Erklärung abgibt. Er habe seinerzeit seit Jahren erstmals wieder eine eigene Wohnung gehabt, hießt es dort.

Cannabis für Eigenbedarf: Angeklagter argumentiert mit ADHS

Er leide unter der Aufmerksamkeitsstörung ADHS, und das Kiffen habe ihm geholfen, ruhiger und fokussierter zu werden, heißt es in der Erklärung des 39-Jährigen. Schließlich habe er selber Cannabispflanzen angebaut, nicht, um damit zu dealen, sondern für den Eigenkonsum. Am 16. November habe es auf einmal eine Explosion gegeben. „Ich stand plötzlich in Flammen und habe wie verrückt um mich geschlagen.“ Dann sei es ihm gelungen, den Brand zu löschen.

Auch der ebenfalls wegen Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und Drogenhandels angeklagte Adrian G. äußert sich über seinen Verteidiger. Er bestreite die Vorwürfe, lässt der 32-Jährige damit erklären. Er habe im selben Haus wie Björn V. gewohnt und sich ab und an mit diesem getroffen. Für den 16. November habe sein Kumpel ihn zu einem späten Frühstück eingeladen. Dann hätten sie aber lieber „das eine oder andere Bier“ getrunken. „Björn war hippelig.“ Er habe gewusst, so Adrian G., dass sein Nachbar an ADHS leide und Cannabis habe. Gelegentlich habe er auch mal einen Joint geraucht. „Aber ich habe nichts angebaut, nichts verkauft und nichts hergestellt.“

Angeklagter: „Plötzlich gab es einen großen Knall"

An jenem Tag habe er auf dem Sofa bei Björn V. gesessen und sein Bier genossen, während der Nachbar in der Küche hantiert habe. „Plötzlich gab es einen großen Knall, mich traf eine heftige Druckwelle. Ich dachte, mir platzen die Organe.“ Er sei durch die verwüstete Wohnung und über Splitter nach draußen gekrochen.

„Ich war total unter Schock.“ Vor dem Haus wurde der 32-Jährige in einem Rettungswagen behandelt und dann wegen Verbrennungen an Händen und Gesicht ins Krankenhaus gebracht. Nach seiner Darstellung hat Adrian G. erst im Nachhinein erfahren, dass Auslöser für das Unglück eine Verpuffung war. „Ich hätte bei der Explosion sterben können. Ich hätte alles getan, um die Gefahr zu vermeiden. Ich bin doch nicht lebensmüde.“ Der Prozess wird fortgesetzt.