Hamburg. Das Comeback der Dörfer: Makler erwarten mit der Pandemie eine „Revitalisierung der ländlichen Räume“. Preise sind stark gestiegen.

Eigenheime und Mietwohnungen im Speckgürtel norddeutscher Großstädte werden immer teurer – und vielerorts rar. Eine Hamburger Maklerin war kürzlich selbst überrascht, wie viele Nachfragen sie binnen kurzer Zeit für eine kleine Einliegerwohnung zur Miete auf einem Bauernhof im Kreis Stormarn erhalten hat.

„Mit der Pandemie haben sich die Umschlagzeiten für ein Objekt in Schleswig-Holstein und der Verkauf deutlich verringert“, sagte Holger Schramm, Leiter Vertriebsmanagement und Pressesprecher der Bausparkasse LBS Schleswig-Holstein, dem Abendblatt. Das bedeutet: kaum im Netz zum Kauf angeboten – und kurz darauf weg.

Wohnen in Hamburgs Umland: Neuer Trend zur Stadtflucht?

Gibt es einen neuen Trend zur Stadtflucht – hinaus aufs Land? Treibt die Pandemie die Menschen verstärkt aufs Dorf? Eine bundesweite Analyse des Webportals immowelt bestätigt, dass die Nachfrage nach Häusern im Umland in manchen Regionen doppelt so stark gestiegen ist wie in der Stadt.

In Metropolen wie Hamburg und Berlin seien die Anfragen pro Objekt in den vergangenen fünf Jahren deutlich mehr gewachsen als in den Städten. Und die Corona-Krise könnte diesen Trend weiter verstärken, lautet die Prognose. „In Schleswig-Holstein haben wir zurzeit eine hohe Nachfrage nach Einfamilienhäusern, Reihen- und Doppelhäusern aus dem Bestand“, betonte Holger Schramm. Die Preise seien entsprechend gestiegen.

Besonders teuer ist es jetzt im Lauenburgischen

Den stärksten Zuwachs erzielte nach Angaben von Engel & Völkers der Landkreis Herzogtum Lauenburg. In den vergangenen fünf Jahren stiegen dort die Immobilienpreise um 66,5 Prozent. Mindestens drei Faktoren treiben die Menschen derzeit aus den großen Städten: die hohen Immobilienpreise in den Städten, das angespannte und enge Sozialleben während der Pandemie. Und dann ist die Digitalisierung mit neuen beruflichen Perspektiven. Homeoffice für die Firma ist demnach fast überall möglich, Hauptsache, das Internet funktioniert.

Dass das Leben auf dem Land attraktiver ist als zuvor, zeigt eine repräsentative, deutschlandweite Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut GfK Ende November 2020 im Auftrag des Projektentwicklers Bauwerk durchgeführt hat. Demnach können sich rund 41 Prozent der Stadtbewohner grundsätzlich vorstellen, aufs Land zu ziehen. 21 Prozent sind sich „ganz sicher“.

Wegen Corona-Krise: Wohnraum wird wichtiger

Wie eine Umfrage der LBS, der Bausparkasse der Sparkassen, ergab, sind die Wünsche von Mietern und Eigentümern nach „mehr Garten oder Balkon“, geringeren Wohnkosten und mehr Zimmern wichtige Treiber für die Stadtflucht. Wohnraum gewinne für Mieter und Eigentümer aufgrund der Erfahrungen in der Corona-Pandemie eine größere Bedeutung, so Holger Schramm. Eigentümer hätten zudem ein starkes Interesse an schnellem Internet und besserer ÖPNV-Verbindung.

Kai Enders, CEO bei Engel & Völkers DACH, sagte: „In Zeiten der Pandemie möchten die Menschen vermehrt ins Grüne ziehen, aber gleichzeitig nicht die Vorzüge des urbanen Lebens und die Sicherheit einer erstklassigen medizinischen Versorgung vermissen.“ Das Umland der Großstädte Hamburg, Kiel und Bremen sei entsprechend gefragt.

Besonders gefragt: Garten, Internet und Arbeitszimmer

Mehr noch: „Langfristig wird es eine Revitalisierung ländlicher Regionen geben“, meint Enders. „Diese Standorte bieten vor allem für Familien und Berufstätige mit flexiblen Arbeitsmodellen eine interessante Alternative.“ Und das Preisniveau für Häuser und Villen in den Umlandregionen sei im Vergleich zu dem der Großstädte noch moderat und biete Entwicklungspotenzial.

Besonders gefragt sind Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Wohnungen im Umland, die über genügend Platz, Funktionalität, Rückzugsmöglichkeiten sowie Gärten und Terrassen verfügen, sagt Enders. Die Immobilien müssten über Arbeitszimmer und Räume für Homeschooling verfügen – selbstverständlich mit guter Internetverbindung. Für Wohnungen bis zu einem Alter von 40 Jahren werden im niedersächsischen Hamburger Umland ähnlich hohe Preise erzielt wie in der Stadt Hannover, heißt es beim Eigentümerverband Haus & Grund.

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In Hannover liegt der Quadratmeterpreis bei mehr als 3000 Euro. In Niedersachsen legten die Preise für Einfamilienhäuser im Jahr 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 13 Prozent zu. Die Grenze ist noch längst nicht erreicht. „Schon zu diesem Zeitpunkt können wir sagen, dass in der zweiten Jahreshälfte 2020 weniger Angebote im öffentlich zugänglichen Markt für Bestands- und Neubauhäuser registriert wurden“, sagte LBS-Sprecher Schramm mit Blick auf die Lage in Schleswig-Holstein.

„Ein reduziertes Angebot treibt die Preisentwicklung.“ Besonders deutlich wird dieser Trend in den angrenzenden Gemeinden von Lübeck: Dort kletterten die Immobilienpreise nach Angaben von Engel & Völkers im Vergleich zu 2015 um 90 Prozent.