Hamburg. Ansturm auf Geschäfte in den Innenstädten des Umlands. Auch viele Hamburger nutzten die Gelegenheit zum Einkaufen.
Vor der C&A-Filiale im Obergeschoss des Herold-Centers in Norderstedt hat sich am Montag eine gut 50 Meter lange Schlange gebildet. Das Modeunternehmen lockt mit Rabatten von bis zu 70 Prozent. Nebenan schleppt Alexander Risch gleich fünf Paar neue Sneaker für seine beiden Töchter (12 und 9) aus dem Schuhgeschäft Deichmann, die Kartons balanciert er mühsam auf den Unterarmen.
„Nichts passte mehr“, sagt der Familienvater. Seine Mädchen seien aus den alten Schuhen herausgewachsen. Risch ist froh, wieder im Laden einkaufen zu können. Von Online-Bestellungen hält er nichts. Der Hamburger wohnt an der Landesgrenze, für ihn ist das Herold-Center nicht weit entfernt.
Einzelhandel öffnet in Schleswig-Holstein: Ansturm auf Geschäfte
Seit Montag darf der Einzelhandel in Schleswig-Holstein wieder öffnen, weil der Inzidenzwert für Corona-Neuinfektionen unter 50 liegt. In Hamburg hingegen können Kunden bei einem Wert von knapp unter 80 lediglich Termine nach dem Click&Meet-Prinzip (also einkaufen nach Voranmeldung) vereinbaren.
Dementsprechend groß war der Andrang aus Hamburg bei der Wiedereröffnung im Norden – die Bitte von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), von Einkaufsausflügen ins Umland abzusehen, konnte viele nicht vom Bummeln abhalten.
Hamburgerin: "Es ist schön, einfach mal rauszukommen"
„Es ist schön, einfach mal rauszukommen und etwas anderes zu sehen“, sagt Melanie M., die mit ihrer 15-jährigen Tochter Lina und deren Freundin Anna durchs Herold-Center schlendert. Die Hamburgerinnen tragen zwei große Tüten mit neuer Kleidung bei sich. „Das ist Balsam für die Seele. Wir kaufen lieber in Geschäften anstatt im Internet ein.“
Um die 2000 Kundinnen und Kunden sind im Einkaufszentrum gleichzeitig zugelassen. Sollten zu viele Menschen an der U-Bahn-Haltestelle Garstedt aussteigen, würde der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) auf die Situation reagieren.
„Wir haben die Haltestelle im Blick“, sagt Christoph Kreienbaum, Sprecher des HVV. Sollten die Bahnsteige zu überfüllt sein, könnte die U 1 notfalls durchfahren, oder die Zugänge würden reguliert werden. „Bis jetzt sieht es aber entspannt aus“, so Kreienbaum.
Leben kehrt wieder in Stormarns Innenstädte
Nach rund drei Monaten Zwangspause ist am Montag auch in Stormarns Innenstädten schlagartig das Leben zurückgekehrt. Zahlreiche Kunden nutzten die Gelegenheit, um wieder in den Geschäften zu stöbern. „Für mich bedeutet das Bummeln durch die Einkaufsstraßen einfach totale Freude“, sagt Uta Liebold.
Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick
- Corona in Hamburg – die aktuelle Lage
- Die Corona-Lage für ganz Deutschland im Newsblog
- Interaktive Corona-Karte – von China bis Hamburg
- Überblick zum Fortschritt der Impfungen in Deutschland
- Interaktiver Klinik-Monitor: Wo noch Intensivbetten frei sind
- Abonnieren Sie hier kostenlos den täglichen Corona-Newsletter
- So wird in Deutschland gegen Corona geimpft
Wie viele an diesem Tag war sie nicht auf der Suche nach etwas Bestimmtem: „Es geht auch um das Schauen, das Genießen, mal wieder rauskommen.“ Vielerorts brauchten Kunden allerdings Geduld. Gerade vor den Geschäften größerer Filialisten bildeten sich teils lange Schlangen mit Wartezeiten von bis zu 20 Minuten, weil die Läden nur einer begrenzten Personenzahl zur gleichen Zeit Einlass gewähren dürfen.
Nach Lockdown: Ladeninhaber sind erleichtert
Die Ladeninhaber reagierten mit Erleichterung auf das Ende der Zwangspause. „Meine Kunden sind begeistert, dass sie nach so langem Warten wieder in den Laden kommen können“, sagt etwa Holger Schaks, Inhaber der Galerie „Bildschön“ in der Hagener Allee.
Der Geschäftsmann ist froh, dass Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther den Einzelhändlern die Öffnung ermöglicht. „Die Entscheidung ist mutig, aber richtig, weil wir nach Monaten des Lockdowns eine Perspektive brauchen.“ Nun gelte es, alles zu tun, damit die Lockerungen nicht zurückgenommen würden. „Ich hoffe, dass Kunden und Kollegen umsichtig sind und nicht alles ausreizen, das wäre fatal“, so Schaks.
Ahrensburg: Kundenandrang wie vor dem Lockdown
Die Ahrensburger Kaufleutevereinigung Stadtforum zieht eine positive Bilanz des ersten Tages nach der Schließung. „Das Geschäft ist sehr gut angelaufen“, sagt Andreas Werning, stellvertretender Vorsitzender. Der Juwelier, der zwei Filialen am Rondeel betreibt, sagte: „Man konnte die Sehnsucht der Menschen, sich mal wieder etwas gönnen zu können, förmlich spüren.“ Der Kundenandrang habe bereits am ersten Tag wieder das Niveau von vor dem zweiten Lockdown erreicht.
Den Eindruck, dass es zu einem großen Ansturm von Hamburgern auf die Ahrensburger Geschäfte gekommen ist, hat Werning nicht: „Ich kann nicht für alle Kollegen sprechen, aber ich hatte nicht überdurchschnittlich viele Kunden aus Hamburg.“
Fürs Shoppen vom anderen Ende der Stadt anreisen
Das Stadtzentrum Schenefeld war hingegen fest in Hamburger Hand. Schon im Parkhaus fiel auf: Die abgestellten Autos haben mehrheitlich ein „HH“ auf dem Nummernschild, die Wagen der Einheimischen schienen in der Minderheit. Und wer da ist, hat mitunter eine weite Anreise hinter sich. „Bergedorf“, sagte Jutta Staudinger. Fürs Shoppen ist sie vom entgegengesetzten Ende Hamburgs gekommen, wollte im Kreis Pinneberg auch noch eine Freundin besuchen. „Der Weg ist gar nicht so weit, wie viele immer denken“, sagte sie.
Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:
- Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
- Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
- Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
- Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
- Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).
Auch Ralf Hohenhaus aus Eidelstedt ist nach Schenefeld gekommen. Im Einkaufszentrum sei er nur, um noch ein Weihnachtsgeschenk umzutauschen. „Jetzt gehe ich aber direkt wieder, mir ist es hier einfach zu voll.“ Der große Ansturm ist seiner Meinung nach den uneinheitlichen Lockerungen in Hamburg und Schleswig-Holstein zuzuschreiben.
„Ich glaube, es war keine so gute Idee, den Einzelhandel in einem Bundesland zu öffnen und in dem anderen nicht.“ Als „Nichtentscheider“ habe er natürlich auch leicht reden, gab der Hamburger zu. „Schließlich müssen wir uns womöglich damit abfinden, dass wir diese Pandemie zwar in den Griff bekommen, aber nie mehr ganz loswerden.“
Gemischte Gefühle beim Einkaufen
Auch Gesine Odermath hat bei ihrem Einkauf im Schenefelder Einkaufszentrum gemischte Gefühle. „Ich wollte einfach ein bisschen gezielt nach den Sachen gucken, die ich brauche“, sagt sie. Für ihren Geschmack seien es jedoch ein paar Menschen zu viel, die unterwegs sind.
Wenn die benachbarten Bundesländer sich nicht einig werden könnten, entstehe wahrscheinlich immer eine Sogwirkung, sagt sie. „Die Folge davon könnten wieder steigende Infektionszahlen in bestimmten Kreisen sein.“