Hamburg. Nächster Halt: Rang. Die Außenfassade des Opernhauses kriegt einen modernen Doppel-Lift. Was den Einbau so besonders macht.
Rund 20 Menschen gleichzeitig in zwei Fahrstühlen, unterwegs in eine Staatsopern-Vorstellung oder nach deren Ende bei der ersten Etappe des Heimwegs? Momentan ist diese Szene nichts als sehr zukünftige Zukunftsmusik. Doch die baulichen Weichen für diesen Kundendienst werden gerade gestellt. Alle Pläne sind fertig, um das denkmalgeschützte Opernhaus auf der Seite Große Theaterstraße mit einem modernen Außenfahrstuhl zu versehen, der über zwei Kabinen verfügt und in jeder der sieben Etagen halten können wird.
Beide Kabinen können auch moderne, elektrisch betriebene Rollstühle transportieren. Überdacht war innerhalb der Gebäudestrukturen für eine Ergänzung kein Platz zu finden, deswegen verlagerte sich die Idee an die Außenwand. Hier hätten die Probleme anfangen und so schnell nicht enden können, denn der Denkmalschutz reagiert empfindlichst, sobald jemand auch nur darüber nachdenkt, einen unsachgemäßen Nagel in eine Wand zu versenken. Doch dieses Konzept hat mittlerweile den Segen des Denkmalschutzamts erhalten, auch der Bezirk und der Oberbaudirektor sind unisono einverstanden.
Staatsoper: Der Duo-Lift bietet dem Publikum Barrierefreiheit
Der Entwurf dieses Anbaus greift die Formsprache und die 1950er-Jahre-Ästhetik der Fassade auf, zumindest auf der Computergrafik des Architekturbüros macht der Neu-Anbau den Eindruck, als hätte es ihn dort schon immer gegeben. Ein Gegenstück für die Gebäudeseite an der Kleinen Theaterstraße ist nicht geplant. Für den Entwurf verantwortlich zeichnet das Büro des Hamburger Architekten Michael Mack, der auf Bauen im Bestand spezialisiert ist. Er hat bereits eine neue Sprinkleranlage ins Ballettzentrum eingebaut.
Überfällig ist diese Maßnahme längst, da es bislang nur einen einzigen, nahezu antiken und küchenschubladenkleinen Fahrstuhl für den Publikumsstrom in die höheren Ränge gibt, der zudem für größere Rollstühle ungeeignet ist. Acht Personen maximal bei 1700 Plätzen im Zuschauerraum? „Das ist viel zu wenig“, befand Kultursenator Carsten Brosda. Das Lift-Update soll „auch mobilitätseingeschränkten Gästen den Besuch der Oper deutlich erleichtern. Eine solche Operation an einem sehr besonderen, denkmalgeschützten, Gebäude ist kein leichtes Unterfangen.“ Für Brosda ist das Konzept ein „hervorragender Vorschlag“. „Zugleich verdanken wir dieser Initiative der Opernstiftung, dass wir zukünftig die Stifterloge samt Außenterrasse im vierten Rang noch einfacher und häufiger nutzen können als bisher“, ergänzte Ralf Klöter, Geschäftsführender Direktor der Staatsoper.
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Der Duo-Lift bietet Barrierefreiheit selbst beim Ausfall einer Kabine und kann im Evakuierungsfall genutzt werden. Für den Lift wird es eine teilweise Überbauung der Stellplätze an der Opern-Flanke geben. Der Fußgängerweg bleibt unangetastet.
Die erste Fahrt soll Anfang 2023 stattfinden
Bezahlt wird das gute neue Stück im angepassten Design aus zwei Töpfen: Im September 2019 hatte der Haushaltsausschuss des Bundestags eine Million Euro beschlossen. Den Rest des Gesamtpreises von voraussichtlich 2,2 Millionen Euro wird im Rahmen des Mieter-Vermieter-Modells über die städtische Sprinkenhof getragen, die Sache ist für die Staatsoper kostenneutral, erklärt Klöter. Obwohl im Haus seit Monaten wegen Corona kein Publikumsverkehr stattfindet, bleibt der Zeitplan unverändert: Bauantrags-Einreichung Ende Mai, Baubeginn im Juni 2022, geplante Fertigstellung und Inbetriebnahme Anfang 2023. Ein früherer Baubeginn sei nicht möglich, so Klöter.
Mit dem Vollzug dieser Erweiterung ist die Wunschliste der baulichen Verbesserungsmaßnahmen allerdings noch nicht geleert. Ein nächster Schritt soll die Verbesserung der Akustik in den Foyers von Parkett und 1. Rang sein, berichtet Klöter. Dort lässt sich durch dezente Schallregulierungsmaßnahmen viel ändern, um das Geräuschniveau zu senken. Doch auch das – ein überfülltes, smalltalkendes Foyer voller Menschen, die sich dringend und auf kurze Distanz über das Stück des Abends austauschen wollen – ist momentan noch in schmerzhaft weiter Ferne.