Hamburg. Zoll entdeckt Drogen im Wert von bis zu 3,5 Milliarden in 1700 Blechdosen. Verdächtiger bei Rotterdam gefasst. Grüne warnt.

Der Hamburger Hafen gilt als Deutschlands Drehscheibe für Drogen aller Art, ganz besonders für Kokain. Der Zoll hat dort 2019 und 2020 tonnenweise Kokain aus dem Verkehr gezogen. Doch was die Fahnder jetzt gefunden haben, stellt alles in den Schatten.

Unglaubliche 16 Tonnen der Droge haben Hamburger Zollbeamte am 12. Februar beschlagnahmt. Eine weitere, damit zusammenhängende Lieferung mit 7,2 Tonnen Kokain wurde am vergangenen Sonntag im Hafen von Antwerpen abgefangen.

Kokain hatte Wert von 3,5 Milliarden

„Nach konservativer Schätzung hat die Menge einen Straßenverkaufswert von 1,2 Milliarden Euro“, sagte der Leiter des Hamburger Zollfahndungsamtes, René Matschke, dem Abendblatt. „Wird das Kokain um den Faktor 2 bis 3 gestreckt, was nicht unüblich wäre, würde die Menge rund 3,5 Milliarden Euro bringen.“

Bisher gehe der Zoll von einem Reinheitsgehalt von mindestens 80 Prozent aus. „Es handelt sich hierbei um die größte jemals in Europa sichergestellte Kokainmenge, weltweit gehört diese Menge auch zu den größten Einzelsicherstellungen“, so Matschke.

Wie Hamburgs Kokain-Coup im Hafen gelang

Nach Abendblatt-Informationen kamen die entscheidenden Hinweise von der niederländischen Zollbehörde, die in Kooperation mit weiteren europäischen Zollämtern eine Lieferung von mit Spachtelmasse gefüllten Blechdosen als verdächtig eingestuft hatte. Der Verdacht bestätigte sich, als die Zöllner die fünf Container aus Paraguay in der Prüfanlage durchleuchteten. In drei Containern wurden sie fündig. Wie sich herausstellte, waren nach einer Lage echter Ware direkt hinter der Containertür zahlreiche Blechdosen mit etwas anderem gefüllt – mit Kokain.

In diesen im Hamburger Hafen deponierten Blechdosen wurden 16 Tonnen Kokain gefunden.
In diesen im Hamburger Hafen deponierten Blechdosen wurden 16 Tonnen Kokain gefunden. © Zollfahndungsamt Hamburg

„Die Container wurden entladen, und aus den 20-Kilogramm-Blechkanistern zogen die Zollfahnder jeweils acht Kokainpakete mit mehr als neun Kilogramm Gewicht“, so Matschke. In mehr als 1700 aufwendig verpackten Dosen steckten 16 Tonnen Kokain. Das Rauschgift aus der klebrigen Spachtelmasse zu nesteln sei herausfordernd gewesen, so Matschke. Damit nicht genug: In Kooperation mit dem niederländischen Zoll führten die Ermittlungen dazu, dass weitere 7,2 Tonnen Kokain im Hafen von Antwerpen (Belgien) sichergestellt werden konnten.

Kokain-Rekord im Hafen – Festnahme

Die Koks-Container aus Hamburg und Antwerpen sollten offenbar per Lkw nach Vlaardingen bei Rotterdam transportiert werden. Zielort war die dortige Logistik-Firma eines 28 Jahre alten Mannes – nach den bisherigen Ermittlungen soll er für die Einfuhr der insgesamt 23 Tonnen Kokain verantwortlich sein. „Wir gehen davon aus, dass die Firma einzig zum Zwecke der Einfuhr des Kokains gegründet worden ist“, so Matschke. Der 28-Jährige sei am Mittwochmorgen festgenommen worden.

Das in Hamburg sichergestellte Rauschgift ist bereits in mehrere gut gesicherte Lager transportiert worden und wurde oder wird dort so schnell wie möglich vernichtet. „Wir haben dem Markt eine große Menge Kokain entzogen und rechnen deshalb mit einer Verknappung und Preiserhöhung. Wie der Markt reagiert, sehen wir aber erst mit rund drei Wochen Verzögerung“, sagte Matschke.

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Drogenhandel explodiert – auch in Hamburg

Der Coup des Zolls ist ein sensationeller Erfolg, wirft aber auch ein Schlaglicht auf die enorme Vitalität des organisierten Drogenhandels – der Schmuggel über die deutschen Häfen ist in den vergangenen Jahren explodiert. Die jetzt beschlagnahmte Menge entspricht fast dem Vierfachen des bisher größten Einzelfundes in Hamburg und dem zweieinhalbfachen der im Rekordjahr 2019 insgesamt sichergestellten Menge.

Die innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Irene Mihalic, sprach von einem „Alarmsignal“ für die Bundesregierung. „Es ist sehr beunruhigend, dass hochkriminelle Gruppen offenbar grundsätzlich in der Lage sind, Drogen mit einem Marktwert von mehreren Milliarden Euro in Europa zu bewegen“, so Mihalic. „Das Thema der Organisierten Kriminalität und die Bedeutung des Kokainhandels muss dringend stärker in den Fokus genommen werden.“

2019 und 2020 hat der Hamburger Zoll in den deutschen Seehäfen jeweils rund zehn Tonnen Kokain beschlagnahmt – so viel wie nie zuvor. Der bisher größte Schlag gegen die Drogenkartelle gelang ihm im Juli 2019, als im Hafen 4,5 Tonnen Kokain entdeckt wurden. Auch im Vorjahr hatten die Zöllner größere Mengen sichergestellt, so stießen sie im März in einem Container mit Katzenstreu aus Peru auf 1,8 Tonnen Kokain.