Hamburg. Vor einem Jahr schockierte der rassistische Anschlag von Hanau die Menschen auf der ganzen Welt. Ein Jahr später will die Hamburgische Bürgerschaft an die Opfer erinnern. Es kommt zum Schlagabtausch mit der AfD.
Mit Ausnahme der AfD hat die Hamburgische Bürgerschaft parteiübergreifend an die Opfer des rassistischen Anschlags von Hanau vor einem Jahr erinnert und vor Hass und Hetze gewarnt. AfD-Fraktionschef Alexander Wolf sorgte am Mittwoch in der Aktuellen Stunde für Empörung, als er die Ermordung von neun Menschen mit migrantischen Wurzeln als Tat eines psychisch kranken Einzeltäters darstellte, die nun politisch instrumentalisiert werden solle. Damit erkläre er den Familien der Opfer, dass ihre Angehörigen "quasi zufällig ums Leben gekommen sind", sagte Innensenator Andy Grote (SPD). "Das ist infam, das ist unfassbar."
In der von der SPD-Fraktion beantragten Debatte forderten Vertreter aller Parteien - außer der AfD - das Zusammenstehen aller demokratischen Kräfte gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit.
Am 19. Februar 2020 hatte der 43-jährige Deutsche Tobias R. in Hanau neun Menschen mit ausländischen Wurzeln an mehreren Orten in der Stadt im Rhein-Main-Gebiet erschossen, bevor er mutmaßlich seine Mutter tötete und anschließend sich selbst. Zuvor hatte er Pamphlete und Videos mit Verschwörungstheorien und rassistischen Ansichten im Internet veröffentlicht.
Der Mann "war vor allem psychisch gestört", sagte Wolf. "Der zum Mörder gewordene Kranke" hätte "unter keinen Umständen frei herumlaufen dürfen". Er äußerte seine "Abscheu gegen jeden Versuch, diese Bluttat zu instrumentalisieren". Co-Fraktionschef Dirk Nockemann sagte, der Kampf gegen Rechtsextremismus werde zum Kampf gegen die AfD "umgemünzt".
Innensenator Grote sagte, neben Hanau hätten auch der Mordanschlag auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke und der Anschlag von Halle 2019 für "eine Zäsur in der Geschichte unseres Landes" gesorgt. "So präsent und so gefährlich wie jetzt" sei der Rechtsextremismus für Demokratie nie gewesen. Der rechtsextreme Flügel sei auch in der Hamburger AfD aktiv, sagte er. "Je größer der Einfluss der Rechtsextremisten in der AfD wird, desto größer wird die Gefahr, die von der AfD für unsere Demokratie ausgeht."
Auch SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf verwies darauf, dass Hanau kein Einzelfall sei. Der Kampf gegen Rassismus und Rechtsextremismus sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deshalb müsse klar sein: "Es darf in Deutschland mit den Rechtspopulisten in den Landesparlamenten keine Zusammenarbeit geben."
Rechtsextreme stießen "in die demokratische Mitte der Gesellschaft vor", warnte die stellvertretende Grünen-Fraktionsvorsitzende Maryam Blumenthal. Es sei Zeit, dass sich "die weiße Mehrheitsgesellschaft" des Themas wirklich annehme.
"Was in Hanau passiert ist, kann überall passieren", sagte der Fraktionschef der CDU, Dennis Thering. Er verwies auf die zunehmende Radikalisierung im Netz und warnte vor Populismus. "Worte dürfen nicht zur Radikalisierung führen bei Menschen, die nur darauf gewartet haben, dass es endlich einmal einer ausspricht."
Die Bluttat von Hanau sei auch nach einem Jahr noch nicht vollständig aufgearbeitet, sagte der Innenexperte der Linksfraktion, Deniz Celik. Angehörige der Opfer würden bei der Rekonstruktion der Tatumstände von den Behörden alleingelassen. Im "behördlichen Umgang mit rechtsextremer Gewalt" zeige sich erneut "ein systematisches Versagen".
Rassismus müsse "mit der ganzen Härte des Rechtsstaates" begegnet werden, sagte die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein. Fahndung und Erkenntnis dürften dabei aber nicht an Landesgrenzen enden.
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