Hamburg. Am S-Bahnhof Veddel soll für die Towers eine Arena entstehen – oder ein Verkehrsknotenpunkt. Beide haben gute Argumente.
Eisiger Wind weht über den weitläufigen Platz vor der S-Bahn-Station Veddel/Ballinstadt. Mit Schal, Maske und Mütze vermummte Menschen warten bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt bibbernd auf ihren Bus. Es gibt sicherlich Orte, an denen man sich derzeit lieber aufhalten würde. Das könnte sich allerdings in den nächsten Jahren grundlegend ändern. Zwei Hamburger Unternehmen planen auf dem 16.500 Quadratmeter großen Gelände Prestigeprojekte für die Stadt, Investitionen im oberen zweistelligen und unteren dreistelligen Millionenbereich.
Die Hochbahn AG, die Linienbusse und U-Bahnen in den Hamburger Verkehrsverbund (HVV) einbringt, will hier einen innovativen Mobilitäts-Hub errichten, einen Verkehrsknotenpunkt für den Hamburger Süden, eine deutschlandweit bisher einmalige Unternehmung. Der Immobilienentwickler Tomislav Karajica („Hamburger Ding“) möchte dagegen an dem Standort mit seiner Firma Home United den Elbdome bauen, eine Mehrzweckhalle für 7000 bis 9000 Zuschauer.
Eine Arena dieser Größe fehlt der Stadt, ein attraktiver, dringend benötigter Veranstaltungsort für Shows, Kultur, Kongresse und Sport zwischen den Kapazitäten der Barclaycard Arena am Volkspark mit ihren bis zu 15.000 Plätzen sowie der Sporthalle Hamburg (4500) in Winterhude und der edel-optics.de Arena (3400) im Wilhelmsburger Inselpark.
Hamburger Senat muss zwischen Elbdome und Hochbahn entscheiden
Freie Flächen in Hamburg werden knapper, viele Baulücken sind bereits geschlossen. Und nicht jeder Standort ist geeignet. Lärm- und Umweltschutz, Verkehrsströme, die Interessen der Anwohner – alles das sind Kriterien, die stets berücksichtigt werden müssen. Dass zwei Projekte am selben Ort kalkuliert werden, ist deshalb zunächst nichts Ungewöhnliches. Am Ende muss der Senat entscheiden, welchem Bauvorhaben er auf dem städtischen Grundstück den Zuschlag gibt.
Karajica (44) und Hendrik Falk (50), der Vorstandsvorsitzende der Hochbahn AG, sind sich zumindest darin einig, dass die Entscheidung im Rathaus zeitnah fallen sollte. Anfang der Woche tauschten sie ihre Positionen in einem Videocall aus. Es sei ein konstruktives Gespräch gewesen, hieß es hinterher. Anfang März soll es fortgeführt werden. Momentan ruhen die Planungen. Vor dem Jahr 2025 scheint Stand heute weder das eine noch das andere Projekt in Betrieb gehen zu können.
Beide Seiten haben gute Argumente
Beide Seiten haben gute Argumente. Die Hochbahn plant auf dem Areal einen Betriebshof zur Abstellung ihrer Fahrzeuge inklusive Sozial- und Verwaltungsräumen. Eine Werkstatt zur Instandhaltung. Flächen für Car-Sharing-Angebote. Anfahrtspunkte und Stellflächen für unterschiedliche On-demand-Angebote, zum Beispiel Moia. Park-and-ride-Flächen (P+R), Bike- und ride-Station, etwa für StadtRAD. Umsteigepunkt für verschiedene Buslinien. Gewerbeflächen für die Versorgung der Fahrgäste, auch als Nahversorgung für das Quartier. Direkter Anschluss an die S-Bahn. Im Frühjahr 2020 lag die Machbarkeitsstudie vor. „Seitdem warten wir wegen der unklaren Grundstücksfrage auf den Beschluss, wie es weitergeht“, sagt Hochbahn-Sprecher Christoph Kreienbaum.
Karajica, auch Hauptgesellschafter des Basketball-Bundesligaclubs Hamburg Towers, entwickelte vor vier Jahren mit seinen dortigen Mitgesellschaftern Marvin Willoughyby (43) und Jan Fischer (40) die Idee des Elbdomes. „Wenn wir in ein paar Jahren um die deutsche Meisterschaft spielen und an europäischen Wettbewerben teilnehmen wollen, brauchen wir eine größere Halle für mindestens 7000 Besucher. Andernfalls können wir unsere sportlichen Ambitionen nicht nachhaltig finanzieren“, sagt Karajica, der auch einer der Sponsoren der Towers ist.
Die edel-optics.de Arena, die aktuelle Heimspielstätte des Vereins, war in den vergangenen zwei Jahren 22-mal in Folge mit 3400 Besuchern ausverkauft – als Zuschauen noch erlaubt war. Selbst für das am 26. April 2020 geplante Gastspiel des damaligen deutschen Meisters Bayern München in der Barclaycard Arena waren alle 12.000 Eintrittskarten vergriffen. Die Begegnung fiel aus, wegen der Corona-Pandemie hatte die Basketball-Bundesliga schon Ende März ihren Punktspielbetrieb eingestellt.
Barclaycard Arena für beide Mannschaften auf Dauer zu groß
Neben den Basketballern meldete bereits der Handball Sport Verein Hamburg (HSVH) sein Interesse als zweites Hometeam im Elbdome an. Die Handballer streben die Rückkehr in die Bundesliga an, als Tabellenführer der 2. Liga scheint das schon in diesem Jahr möglich. Um eine Klasse höher wirtschaftlich überleben zu können, hat der Club in einer ersten Kalkulation einen Zuschauerschnitt von 5000 bis 6000 vorausgesetzt. Die Barclaycard Arena wiederum wäre für beide Mannschaften auf Dauer zu groß, sie käme für die Towers und den HSVH auch wegen des gehobenen Mietpreises nur für wenige Spiele infrage.
- Die Hamburger Hochbahn AG wurde am 27. Mai 1911 gegründet und ist eines der größten Nahverkehrsunternehmen Deutschlands. Eigentürmer ist die Stadt.
- Die Hochbahn betreibt vier U-Bahnund 114 Buslinien, beförderte 2019 (vor Corona) rund 460 Millionen Fahrgäste. 6074 Mitarbeiter erwirtschafteten dabei 534,3 Millionen Euro Umsatz. Die Länge des U-Bahn-Netzes beträgt 105,8 Kilometer, die Busse befahren 964 Kilometer.
- Die Strecken werden weiter ausgebaut. Die Flotte besteht aus 268 U-Bahn-Wagen und1090 Fahrzeugen. Der U-Bahn stehen drei Werkstätten, den Bussen acht Betriebshöfe zur Verfügung. Vorstandsvorsitzender ist seit dem 1. Februar 2016 der gebürtige Berliner Henrik Falk
Ursprünglich wollten Karajica und sein Geschäftspartner Rolf Elgeti (44) den Elbdome an der S-Bahn-Station Elbbrücken realisieren. Ein Hafenbecken am Ostende der HafenCity sollte aufgeschüttet werden, die Mehrzweckhalle um eine Dreifeldsporthalle, Sozialräume und ein Bürogebäude mit Hotelnutzung ergänzt werden. Geschätzte Kosten: 150 Millionen Euro, komplett privatwirtschaftlich finanziert. Zahlreiche Gutachten, die zusammen mehr als 100.000 Euro kosteten, belegten vor zwei Jahren die Machbarkeit.
Die HafenCity Hamburg GmbH forcierte die Pläne, auch die Politik signalisierte Unterstützung. „Eine zentral gelegene Halle mit dieser Kapazität wäre aus Sicht des Sports eine ideale Lösung“, sagte Innen- und Sportsenator Andy Grote (SPD) damals, schränkte aber ein, „ob das Vorhaben auf diesem Grundstück realisiert werden kann, muss genau geprüft werden“.
Dass sich der Elbdome auf der Veddel rechnet, daran zweifelt der Unternehmer nicht
Diese Prüfung fiel vor einem Jahr negativ aus. Vor allem Oberbaudirektor Franz-Josef Höing hatte Bedenken, der Komplex störe an diesem Ort die vertikale Sichtachse der Stadt. Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) fürchtete zusätzliches Verkehrsaufkommen für ihren Stadtteil Rothenburgsort. Als mögliche Alternative empfahl die Stadt Karajica das Gelände am S-Bahnhof Veddel.
„Auch das wäre ein guter Standort mit direkter Autobahn- und Nahverkehrsanbindung, mit dem wir leben könnten“, sagt Karajica. Mit detaillierten Entwürfen hält er sich zurück, „solange die Grundstücksfrage nicht geklärt ist. Wir wollen nicht noch mal viel Geld für Planungen ausgeben, bevor die grundsätzliche Entscheidung gefallen ist“. Allerdings gibt es auch auf der Veddel Bedenken.
- Die Hamburg Towers sind ein Basketballverein aus Wilhelmsburg. Er wurde im Sommer 2013
gegründet, startete 2014/15 mit einer Wildcard in der 2. Bundesliga ProA. Am 30. April 2019 gelang in den Play-offs gegen Chemnitz derBundesliga-Aufstieg. - In der erstenSaison hielten die Towers 2020als Tabellenletzter die Klasse, weil es nach Abbruch der Punktrunde keinen Absteiger gab. In der aktuellen Spielzeit liegt das Team aufRang sieben, hat gute Chancen aufeinen der acht Play-off-Plätze.
- In drei K.-o.- Runden wird dann derdeutsche Meister ermittelt. Der Saisonetat beträgt 3,5 MillionenEuro, vor Corona waren es fünf Millionen. Das höchste Budget in der Bundesliga hat Bayern München mit derzeit 20 Millionen Euro
Ein renommierter Hamburger Architekt hält nach Abendblatt-Informationen die zur Verfügung stehende Fläche für eine Arena dieser Größe für zu klein, allenfalls eine Halle für 6000 Zuschauer könnte hier gebaut werden. Karajica teilt diese Berechnungen nicht. Die Suche nach einem weiteren Standort, falls es ihn überhaupt gibt, würde sein Projekt um weitere Jahre zurückwerfen.
Dass sich der Elbdome auf der Veddel rechnet, daran zweifelt der Unternehmer nicht: „Menschen, das wird gerade in diesen Zeiten sehr deutlich, wollen gemeinsam etwas erleben und unternehmen, zusammen ihre Interessen teilen. Das Bedürfnis, die Sehnsucht danach wird nach Ende des Lockdowns noch mal erheblich steigen.“
Elbdome soll auch der digitalen Welt Platz bieten
Der Elbdome soll auch der digitalen Welt Platz bieten, eine europaweit einmalige Stätte des E-Sports und des Gamings werden. Mit den Unicorns of Love ist Karajica bereits Hauptgesellschafter eines Teams, das in der League of Legends im vergangenen September um die Weltmeisterschaft zockte. Den „Einhörnern der Liebe“ baut er für rund 50 Millionen Euro in diesem Jahr in Bergedorf ein Gaming-House und Europas größtes E-Sports-Hotel.
Nachfrage nach einer Arena der Größe des Elbdomes besteht zudem bei Konzert- und Kongressveranstaltern. 700 Parkplätze, ein Einkaufszentrum, Restaurants und Räume zum Chillen sollen die Aufenthaltsqualität in und um die Arena erhöhen und ihren Betrieb wirtschaftlich machen. „Wir wollen aber auch die Menschen des Stadtteils in das Projekt einbinden, ihnen Angebote machen und entsprechende Einrichtungen in dem Zentrum für sie vorhalten“, sagt Karajica. Der Elbdome solle kein Ufo auf der Veddel werden.
Der Bau des Elbdomes steht im Koalitionsvertrag
Das Sportamt begrüßt Karajicas Konzept. „Die Hamburg Towers sind ein Aushängeschild der Stadt. Sie sollen mit dem Elbdome eine Perspektive erhalten, um sich langfristig als Basketball-Spitzenteam zu etablieren“, sagt Sportstaatsrat Christoph Holstein (SPD). „Es laufen Gespräche zwischen verschiedenen Behörden, wie dieses Ziel des Koalitionsvertrags umgesetzt werden kann. Die Grundlage dafür bildet die vorliegende Machbarkeitsstudie.“ Und die bezieht sich auf den Standort Veddel.
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Wie Karajica hofft die Hochbahn auf die Zustimmung des Senats für ihre Pläne. Ein zentral gelegener Betriebshof nah an den zu bedienenden Buslinien sei extrem wichtig für kurze Einsatzwege, sagt Hochbahn-Sprecher Kreienbaum: „Busse, die auf dem Einsatzweg sind, fallen für die Fahrgäste aus, sie fahren leer, damit ,unnütz‘ durch die Welt und verringern letztlich das Mobilitätsangebot. Zudem wird der Busbetriebshof als Element des Mobilitäts-Hubs vollständig elektrifiziert.“
Karajica hat jetzt eine Lösung für beide Projekte in die Diskussion eingebracht
Für den Einsatz von Batteriebussen werde auch künftig die Reichweite eine entscheidende Rolle spielen, weil sie ein begrenzender Faktor bleibt. „Diese Reichweite wollen wir nicht auf Leerfahrten verbrauchen, sondern für die Fahrgäste einsetzen.“ Die weiteren Mobilitätseinrichtungen wie Park+Ride und eine Busumsteigeanlage seien ohnehin für den Standort gesetzt.
Karajica hat jetzt eine Lösung für beide Projekte in die Diskussion eingebracht. Er kann sich vorstellen, den Mobilitäts-Hub in den Elbdome zu integrieren. Der Betriebshof könnte unterirdisch gebaut werden, andererseits sei ebenfalls denkbar, die Arena auf Stelzen zu stellen. Wichtig sei jetzt, dass die Stadt eine Entscheidung treffe. „Eine Entscheidung, wie immer sie auch ausfällt, ist besser als keine Entscheidung“, sagt Karajica.