Hamburg. Nect, Sympatient, Fobizz – drei junge Firmen, die ihre Chance genutzt haben und vom digitalen Wandel der Gesellschaft profitieren.
Viele Start-ups werden an der Corona-Krise scheitern. Wie viele genau? Das ist noch unklar, da die Bundesregierung die Pflicht zur Anmeldung einer Insolvenz vorübergehend aufgehoben hat. Während die Verlierer noch unbenannt sind, stehen manche Gewinner bereits fest.
Das Abendblatt hat mit drei Gründern aus Hamburg gesprochen: Theresa Grotendorst (34) von Fobizz, Benny Bennet Jürgens (34) von Nect und Christian Angern von Sympatient (27). Sie setzen auf digitale Dienste, welche indirekt von den Kontaktbeschränkungen befeuert wurden und werden.
Fobizz profitierte von Umstellung aufs Homeschooling
Fobizz bietet Onlinekurse für Lehrkräfte an. Damit hat das Start-up seinen Umsatz verfünffacht. Geplant gewesen sei nur eine Verdopplung, wie Theresa Grotendorst sagt.
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Sie hat das Start-up 2018 mitgegründet. Im vergangenen Jahr hat sie von der Umstellung aufs Homeschooling profitiert, denn Lehrkräfte mussten umsatteln, sich digital weiterbilden – viele davon bei Fobizz.
Start-up wächst schneller als gedacht
Die Gründerin hat nicht damit gerechnet, dass ihr Start-up so schnell wächst. Sie sagt aber auch, dass der Bedarf an Kursen groß sei. „Die Lücke in der Lehrerfortbildung klafft seit Jahrzehnten. Alle aktuellen Studien zeigen, wie sehr Deutschland da großen Nachholbedarf hat. Corona hat nur noch mal den Finger in die Wunde gelegt.“
Deshalb glaubt Grotendorst, dass die Umsätze weiter steigen werden – auch nach der Krise. Ihr zufolge haben bisher etwa 100.000 Personen an einem oder mehreren Kursen teilgenommen.
Kooperation zwischen Fobizz und Bundesländern
Mehr als 65 Themen stehen zur Auswahl. Zum Beispiel: „Digital unterrichten“, „Erklärfilme im Unterricht“ oder „YouTube verstehen und in der Schule nutzen“. Dafür zahlen die Teilnehmer bis zu 49 Euro pro Kursus.
Manche Schulen buchen für das Kollegium aber auch eine Flatrate. Neuerdings kooperiert Fobizz auch mit Bundesländern, um Lehrerbildung zu betreiben. Dazu zählen Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen. Hamburg ist noch nicht dabei. Das möchte Grotendorst bald ändern, am liebsten noch 2021.
Umsätze von Nect haben sich verzehnfacht
Nicht nur verfünffacht, sondern verzehnfacht haben sich die Umsätze des Start-ups Nect. Es bietet mit dem Selfie-Ident-Verfahren die Möglichkeit, sich online auszuweisen.
Der Umsatz für 2020 liege im mittleren siebenstelligen Bereich, wie Nect-Gründer Benny Bennet Jürgens sagt. Er habe ursprünglich nur mit einem Bruchteil davon gerechnet.
Corona hat Beschleunigung der Digitalisierung in Behörden zur Folge
Doch die Krise hat die Digitalisierung in den Behörden beschleunigt: Wer im Corona-Jahr Arbeitslosengeld oder Soforthilfen beantragte, musste das von zu Hause aus tun.
Der Identitätscheck lief online. Dabei mussten die Nutzer auf einen Link vom Amt klicken, dann die Vorder- und Rückseite des Personalausweises in die Handykamera halten und später ein Selfie-Video von sich selbst aufnehmen. Erst dann konnte der Antrag abgeschickt werden.
Erwartung von stabilen Umsätzen nach Pandemie
Dass die Umsätze nach der Krise einbrechen könnten, weil die Behörden wieder mehr Präsenzzeiten anbieten werden, glaubt Jürgens nicht. Im Gegenteil.
Er sagt: „Der Mensch wandelt sich meist nur unfreiwillig. Jetzt war der Wandel erzwungen, und der Vorteil liegt auf der Hand. Sich online zu legitimieren ist bequemer. Ich kann zum Beispiel die Arbeitslosmeldung von zu Hause aus machen und muss nicht ins Amt gehen und auf den Sachbearbeiter warten.“
Neue Funktion geplant: Unterschrift im Netz
Er geht davon aus, dass sich die Umsatzzahlen im laufenden Jahr verdreifachen werden. Das liegt auch an seinen Plänen: Er möchte es ermöglichen, rechtssicher im Netz unterschreiben zu können.
Außerdem will er die Online-Funktionen des neuen Personalausweises in die Nect-App aufnehmen. Denn durch den Chip auf der Ausweiskarte ist es möglich, sich ohne Selfie-Ident-Link zu identifizieren.
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Diese Funktion ist aber eher unbekannt und wird deshalb selten genutzt. Jürgens möchte an seinen Ideen in den kommenden Monaten arbeiten. Er hat das Start-up im Mai 2017 mitgegründet.
Digitale Therapiestunden dank Sympatient
Auch Sympatient geht als Gewinner aus der Krise. Die Invirto-App und Virtual-Reality-Brillen des Start-ups haben Therapiestunden digitalisiert. Patienten mit Angststörungen lernen in acht Lektionen, wie sie diese bewältigen können:
Sie setzen die futuristisch anmutende Brille auf, finden sich dann beispielsweise in einem überfüllten Supermarkt wieder und trainieren, mit Menschenmassen umzugehen.
Übernahme der Kosten durch Krankenkassen
Fachärzte leiten die Patienten dabei an. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten. Die Techniker Krankenkasse bietet sogar einen Invirto-Terminservice an unter der Telefonnummer 040 30 92 47 13.
Das Start-up hat Christian Angern 2017 mitgegründet. Doch die App ist erst seit Beginn des Corona-Jahres auf dem Markt. Das Timing hätte passender nicht sein können, wie Angern später feststellte.
Sechsstelliger Umsatz im vergangenen Jahr
Er sagt: „Wir waren im März erst geschockt und haben uns gefragt, wie entwickelt sich das Start-up weiter? Dann konnten Psychotherapien online genutzt werden. Das war der größte Katalysator. Das war verrückt.“
Der Umsatz ist nach seinen Angaben im vergangenen Jahr sechsstellig gewesen. „Solide“, sagt der Gründer. Für 2021 rechnet er mit einer Umsatzverdoppung.
Beschleunigte Digitalisierung ermöglicht Wachstum der Start-ups
„Wir haben von Corona profitiert: Die Digitalisierung wurde beschleunigt, dadurch ist die Akzeptanz der Patientinnen und Patienten massiv gestiegen.“
Coronavirus: Die interaktive Karte
Die Stärken von Fobizz, Nect und Sympatient liegen in der Digitalisierung, was sich auch andere Start-ups zunutze machen. Aber auch solche, die nicht mit Online- und Technikdiensten auf den Markt gingen, konnten erfolgreich sein.
Krise sorgte für Zukunftsängste
Zum Beispiel hat Unmilk seit seiner Gründung im Sommer einen sechsstelligen Umsatz mit veganen Proteindrinks gemacht. Mit dieser Erlösgröße hatte Gründerin Jennifer Schäfer (29) eigentlich erst eineinhalb Jahre später gerechnet.
Wie sie haben zu Beginn der Krise viele Gründer eher verhalten in die Zukunft geblickt, wie der Branchenverband Deutsche Start-ups in einer Umfrage herausfand.
Damals gaben immerhin neun von zehn befragten Start-ups an, in ihrer Arbeit beeinträchtigt zu sein. Sieben von zehn fürchteten sogar um ihre geschäftliche Existenz – Sorgen, die sich die Gründer der Hamburger Gewinner-Start-ups nicht machen müssen.