Hamburg. Cinderella B. (37) erwürgte den Mann aus Habgier, urteilte das Gericht. Ihre Beziehung hätte kaum absurder sein können.
„Siehst du, man kann auch mit 80 Jahren noch etwas lernen.“ Als Adolf P. diese Erkenntnis gegenüber einer lieben Nachbarin äußerte, klang der Hamburger aufgeräumt. Er wirkte entschlossen und voller Tatendrang.
Der Rentner vertraute seiner Bekannten an, er wolle sein Leben umgestalten und die letzten Jahre, die ihm blieben, lieber allein ausrichten – vor allem ohne seine 43 Jahre jüngere Partnerin Cinderella B., die zuletzt wohl nur noch eine Enttäuschung für den 80-Jährigen gewesen ist. Er widerrief ihre Kontovollmacht. Und er war fest entschlossen, sie zu enterben. Das war sein Todesurteil.
Cinderella B. habe ihren Partner aus Habgier getötet
Davon ist das Schwurgericht überzeugt, vor dem sich die 37-jährige Cinderella B. seit drei Monaten wegen des Todes von Adolf P. verantworten muss. Lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes lautet das Urteil der Kammer. Die gebürtige Freiburgerin habe ihren Partner aus Habgier umgebracht, erklärt der Vorsitzende Richter.
„Ohne Vollmacht und ohne Erbe stand sie vor dem Nichts.“ Der arbeitslosen Frau sei es um die langfristige Sicherung ihrer Lebensgrundlage gegangen, doch mit einer Enterbung wäre ihre zukünftige Geldquelle ausgefallen. „Deshalb musste Herr P. sterben.“
37-Jährige hatte immer wieder das Konto von Adolf P. leergeräumt
Jahrelang hatte Cinderella B. auf seine Kosten gelebt und zuletzt immer wieder sein Konto leergeräumt. Und der 80-Jährige war nach seinem Tod am 2. April diesen Jahres noch nicht einmal unter der Erde, da hatte Cinderella B. bereits Kontakt mit einem Makler aufgenommen, um seine Eigentumswohnung verkaufen, deren Wert auf etwa 400.000 Euro geschätzt wird.
Adolf P. war am 4. April tot in seiner Wohnung an der Julius-Vosseler-Straße (Lokstedt) aufgefunden worden, nachdem eine mit ihm über Jahrzehnte befreundete Nachbarin sich um sein Wohl Sorgen gemacht und Rettungskräfte alarmiert hatte. Als die Feuerwehr die Wohnungstür öffnete, fand sie ihn halb auf dem Sofa und halb auf Fußboden hingestreckt, mit Hämatomen am Hals und Blut auf dem Hemd.
Frau soll den Hals ihres organkranken Partners zugedrückt haben
Bei der Obduktion wurde später festgestellt, dass der Mann massive Gewalteinwirkung gegen seinen Hals erlitten hatte. Jemand hatte ihn fest gepackt und den Hals zugedrückt, so dass das Herz des seit Längerem organkranken Mannes schlapp machte. Und dieser Jemand, so ist das Gericht überzeugt, ist eindeutig Cinderella B. gewesen. Sie habe um die labile Gesundheit des Rentners gewusst und seinen Tod „billigend in Kauf genommen“, als sie seinen Hals zudrückte, so der Vorsitzende Richter.
Aus den Handyverbindungen von Adolf P. geht hervor, dass er kurz vor seinem Tod noch mit Cinderella B. telefonierte, wohl um ihr mitzuteilen, dass er nun die Trennung vollziehen wolle, mit allen für sie finanziellen Konsequenzen. Das muss die jüngere Frau so alarmiert haben, dass sie sich auf den Weg zu seiner Wohnung machte, es dort erst zu einem verbalen Streit und dann zu Handgreiflichkeiten kam, die dann eskalierten und schließlich das Leben von Adolf P. mit einem Zudrücken seines Halses erlosch.
Massive Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und paranoiden Zügen
Kreidebleich ist die 37-jährige Angeklagte, als sie das Urteil „Lebenslänglich“ hört. Eine psychiatrische Sachverständige hat bei der Angeklagten eine massive Persönlichkeitsstörung unter anderem mit narzisstischen und paranoiden Zügen festgestellt, die allerdings für die eigentliche Tat keine Rolle spiele. Das hagere Gesicht von Cinderella B., auf dessen rechter Seite eine großflächige Tätowierung prangt, wirkt verhärmt, sie kämpft mit den Tränen.
Ihren dicken Schal hat Cinderella B., die als „Marc“ zur Welt gekommen ist und sich nach einer Geschlechtsumwandlung gemäß der englischen Übersetzung für „Aschenputtel“ umtaufte, hoch bis zu den Wangenknochen gezogen. Später bittet Cinderella B. um ein Beruhigungsmittel, so dass der Prozess um einige Minuten unterbrochen werden muss.
Danach sitzt sie wie erstarrt da, der Blick leer und tupft sich hin und wieder über die Augen. Im Prozess hat sie weder zum Tatvorwurf noch zu ihrem Lebenslauf etwas gesagt. Nur in ihrem letzten Wort hat sie die Stimme erhoben und beteuert, sie habe mit dem Tod von Adolf P. nichts zu tun.
Rentner lernte die junge Frau im Pflegeheim seiner Ehefrau kennen
Kennengelernt hatten sich der Rentner und die 43 Jahre jüngere Frau im Jahr 2011. Der Mann hatte über zehn Jahre seine erste Partnerin, mit der er 45 Jahre verheiratet war, liebevoll gepflegt und täglich mehrere Stunden in dem Pflegeheim besucht, in dem sie bis zu ihrem Tod untergebracht war – und in dem Cinderella B. arbeitete. Schließlich wurden Adolf P. und Cinderella B. ein Paar, sehr zur Verwunderung seiner langjährigen Freunde.
Doch der Rentner war offenbar wirklich in seine Freundin verliebt und räumte ihr zahlreiche Vollmachten ein, mit einem Schlüssel für seine Wohnung und uneingeschränktem Zugriff auf sein Konto. 2012 setzte er die Frau, die weiterhin ihre Wohnung in Bergedorf behielt, als Alleinerbin ein.
Cinderella B. wurde arbeitslos und lebte vom Geld des 80-Jährigen
Ob es bei ihr auch ehrliche Zuneigung gewesen ist? Daran hat das Gericht seine Zweifel, nicht nur, weil von den 9000 Fotos auf ihrem Handy gerade mal drei den Rentner zeigten. Die Frau, die 2012 arbeitslos wurde und in Hartz IV abrutschte, kümmerte sich vor allem immer weniger um ihren Partner. Dafür lebte sie gut von seinem Geld – so gut, dass für Adolf P. von seiner Rente nichts mehr für seinen täglichen Bedarf übrig blieb und er sich sogar bei Freunden Geld leihen musste.
Als der 80-Jährige Ende März feststellte, dass Cinderella P. erneut sein Konto komplett leer geräumt hatte, muss das eine schlimme Desillusionierung für den Senior gewesen sein. Er entzog ihr die Vollmacht. Und, so erzählte er es seiner Nachbarin Agnes B., er wolle „jetzt hingehen und sein Testament ändern lassen“.
Dieser Nachbarin sagte der Hamburger auch, dass er mit 80 „noch etwas lernen“ könne. Eine Lektion fürs Leben offenbar. Adolf P. erzählte seiner langjährigen Vertrauten Agnes B. ebenfalls, dass er sich noch ein letztes Mal mit Cinderella B. verabreden wolle. „Aber er wollte sie an einem neutralen Ort treffen“, hatte die Nachbarin als Zeugin ausgesagt. „Ich hatte das Gefühl, er hatte so ein bisschen Angst.“