Hamburg. Senat sieht Entwicklung „mit Sorge“. UKE-Mediziner Kluge: „Kapazitäten sind nicht unendlich.“ Bereits 721 Klinikmitarbeiter infiziert.
Angesichts der immer noch stark steigenden Infektionszahlen spitzt sich die Lage auch in den Kliniken in Hamburg und dem Umland weiter zu. „Patientinnen und Patienten können in Hamburg nach wie vor gut behandelt werden. Die Lage auf den Intensivstationen beobachten wir jedoch mit Sorge“, sagte Sozialbehördensprecher Martin Helfrich dem Abendblatt am Freitag. „Insgesamt hat die Auslastung der Krankenhäuser in den vergangenen Wochen weiter deutlich zugenommen.“
Ähnlich bewertet der Leiter der Klinik für Intensivmedizin am UKE, Prof. Stefan Kluge, die Lage. „Die Situation auf den Intensivstationen in Hamburg ist noch beherrschbar. Es gibt aber bereits einige Kliniken in Hamburg, die nicht mehr aufnahmebereit sind für Intensivpatienten“, sagte Kluge dem Abendblatt. „Durch die hohen Infektionszahlen der letzten Tage rechnen wir mit einem weiteren Anstieg der Covid-19-Patienten, die in den Krankenhäusern und auf den Intensivstationen versorgt werden müssen.“ Er gehe davon aus, „dass das Infektionsgeschehen durch vermehrte Kontakte und Mobilität in den Weihnachtsfeiertagen eher noch zunimmt“, so der Intensivmediziner. „Zudem gibt es jetzt bereits sehr viele Infektionen in Alten- und Pflegeheimen sowie Ausbrüche in Krankenhäusern. Dies verkompliziert die Situation.“
In manchen Hamburger Kliniken waren am Freitag keine Intensivbetten mehr frei
Es bestehe zwar in vielen Kliniken, so auch im UKE, die Möglichkeit, zusätzliche Intensivbetten in Betrieb zu nehmen, dafür müsste dann noch mehr Personal innerhalb des Krankenhauses verschoben werden. „Dies würde dann aber die Versorgung der anderen Patienten einschränken“, so Kluge. „Insofern haben wir noch Kapazitäten – aber diese sind nicht unendlich.“
Laut Divi-Intensivregister ist die Zahl der freien Intensivbetten am Freitag kurzfristig auf nur knapp über zehn Prozent der Gesamtzahl der Intensivbetten gesunken. Damit stand Hamburg im bundesweiten Ländervergleich am schlechtesten da. Im Laufe des Tages entspannte sich die Situation leicht. Am Abend (Stand 18 Uhr) meldete das Divi-Register 81 freie Betten – von 566 „betreibbaren“. Zudem wird eine „Notfallreserve“ von 324 Betten angegeben, bei der allerdings nicht klar ist, ob für den Betrieb auch genug Personal bereitsteht.
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In manchen Hamburger Kliniken waren am Freitag keine Intensivbetten mehr frei – etwa im AK St. Georg, dem Asklepios Westklinikum oder den Schön Kliniken Eilbek. In einigen anderen Kliniken stand die Ampel des Divi-Registers bereits auf Gelb.
Viele Kliniken haben das Problem, dass sich immer noch sehr viele Mitarbeiter anstecken
Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Freitag 14 weitere Hamburger Corona-Tote – insgesamt sind es nun 514 seit Pandemiebeginn. Laut Sozialbehörde gab es in Hamburg 547 Neuinfektionen mit dem Coronavirus. Da die Zahl deutlich über den 418 vom Freitag vergangener Woche lag, stieg die Sieben-Tage-Inzidenz wieder an – auf jetzt 156,4. Das ist der höchste Stand seit 17. November und nicht mehr weit von der Rekordinzidenz von 167,9 entfernt, die am 13. November gemeldet wurde. In den Kliniken werden jetzt laut Senat 491 Patienten wegen einer Corona-Infektion behandelt. Insgesamt wurde bisher bei 31.595 Hamburgerinnen und Hamburgern eine Corona-Infektion festgestellt.
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Zur Einordnung der Zahlen hatte Prof. Kai-Uwe Eckardt, Direktor an der Berliner Charité, im „Heute Journal“ darauf hingewiesen, dass fast zwei Prozent der Infizierten im Durchschnitt binnen zehn Tagen auf der Intensivstation versorgt werden müssten. Das höre sich zunächst wenig an. „Aber bei den Infektionszahlen, die wir jetzt haben, sind zwei Prozent natürlich völlig ausreichend, um unser Gesundheitssystem an den Rand zu bringen.“ Um das abzuwenden, müssten die Menschen den Lockdown „verinnerlichen“. Jeder unnötige Kontakt sei jetzt zu viel. Zudem müssten die Intensivkapazitäten möglichst noch ausgebaut werden, so Eckardt.
Viele Kliniken haben derzeit das Problem, dass sich immer noch sehr viele Mitarbeiter anstecken. Laut Sozialbehörde haben sich in den Kliniken insgesamt 721 Beschäftigte seit Pandemiebeginn infiziert. Aktuell befänden sich „212 Personen, die dem Krankenhauspersonal zugehören, in Quarantäne“.
Insgesamt gibt es immer mehr Ausbrüche in Kliniken
Insgesamt gibt es immer mehr Ausbrüche in Kliniken – nun auch im Asklepios-Krankenhaus am Heidberg. In einer Reha-Einrichtung wurden 16 von 22 Patienten positiv getestet. Zuvor hatte es 34 Corona-Fälle in einem anderen Bereich der Klinik gegeben, ein Patient war gestorben.
Auch im Hamburger Umland sinkt derweil die Zahl der freien Intensivbetten. In den Kreisen Pinneberg und Herzogtum Lauenburg waren am Freitag gegen 13 Uhr laut Divi-Intensivregister nur noch je vier Betten frei, im Kreis Pinneberg waren es sechs. In Stormarn ist die Lage insbesondere deshalb angespannt, weil das Amalie Sieveking Krankenhaus in Hamburg-Volksdorf derzeit keine Patienten mehr aufnimmt. Diese Klinik am Stadtrand wird normalerweise auch von vielen Stormarnern genutzt. Seit einem Corona-Ausbruch ist sie aber geschlossen. Mittlerweile sind dort 13 infizierte Patienten gestorben. Insgesamt haben sich 67 Patienten und 74 Mitarbeiter angesteckt. Das Krankenhaus soll zum 30. Dezember wieder geöffnet werden.
In Stormarn sind somit derzeit nur die Asklepios Klinik Bad Oldesloe und das Reinbeker Krankenhaus für Notfallpatienten nutzbar. Dort gibt es ebenfalls Corona-Infektionen. Dennoch geht die Arbeit in Reinbek weiter. Planbare Operationen wurden verschoben. „Während andere Krankenhäuser in Süd-Ost-Holstein ihre Intensivbereiche sperren, bereiten sich Ärzte und Anästhesiepflegekräfte in Reinbek auf die Beatmung weiterer Corona-Patienten vor“, heißt es in einer Pressemitteilung der Klinik.