Hamburg. Herkömmliche Form der Hilfe leidet oft an intransparenter Verwendung des Geldes. Wie der neue Ansatz funktioniert.

Vielleicht liegt es an seinen Vorfahren, die Pastoren waren, oder an seiner Stimme, der man nie ein Gebrüll zutrauen würde. Eventuell auch an seiner Mission, jedenfalls scheint Till Wahnbaeck so einen Hauch von Hoffnung mit sich zu führen. Der 49-Jährige steht kurz vor der Aufnahme in die Riege der „Heilsversprecher“ –  doch wir wollen nicht zu dick auftragen. Dieser Hamburger jedenfalls, der mehr als drei Jahre lang als Vorstandsvorsitzender der Welthungerhilfe arbeitete, hat gemeinsam mit zwei Mitstreitern Impacc gegründet. Die Idee dieser Social Business-NGO: Spenden ist out, investieren bringt mehr. Statt einmal nur einen bestimmten Betrag zu geben, erhält und vermehrt sich die eingesetzte Summe. „Geschenke haben keine Zukunft. Oftmals endet ein gutes Projekt genau dann, wenn die dafür gesammelten Gelder zur Neige gehen“, erklärt Wahnbaeck.

Wahnbaeck träumte schon lange von einer neuen Form der Entwicklungshilfe. Die herkömmliche leidet oft an hohen Bürokratiekosten oder intransparenter Verwendung des Geldes. „Entwicklungszusammenarbeit muss dringend in der heutigen Zeit ankommen – was ihre Qualität, ihre Nachhaltigkeit und ihre Digitalisierung angeht“, sagt Wahnbaeck. Er möchte in den ärmsten Gegenden Afrikas grüne Unternehmen aufbauen und eine nachhaltige Entwicklung für den Kontinent da starten, wo die Märkte noch nicht funktionieren. Wie genau? Impacc identifiziert innovative Geschäftsmodelle, die das Potenzial haben, lokale Arbeitsplätze zu schaffen. Ohne Starthilfe wären die Unternehmen nicht ohne Weiteres in der Lage, auf dem Markt zu konkurrieren. Weil es ihnen an Fähigkeiten oder Management-Know-how mangelt, oder regionale soziale Normen oder Konflikte Barrieren bilden.

Impacc investiert in Äthiopien in lokal produzierte Kochöfen

Zwei Projekte in Afrika wurden bereits für fördernswert befunden. Impacc investiert in Äthiopien in lokal produzierte Kochöfen aus Lehm, die Holz nicht verbrennen, sondern zu Kohle vergasen – die Kohle kann wiederverwendet oder zu Dünger gemacht werden. In Ländern mit wenig fruchtbaren Böden ist das ein großer Vorteil. Der andere: weniger Lungenkrebs. Bei der herkömmlichen Art kochen die Frauen meistens auf mehreren Feuern, die das Haus verqualmen. Bei dem neuen Ofen atmet man keinen Qualm ein, der Ofen spart zwei Tonnen CO2 pro Jahr.

„Die gesundheitlichen Aspekte sind nicht relevant für jemanden, der jeden Tag ums Überleben kämpft. Aber wenn er beim Kochen Geld verdienen kann, dann wird dieser Ofen attraktiv“, erklärt Wahnbaeck. Die hergestellte Kohle und der Dünger können nämlich verkauft werden. Wo Produkte einen Preis bekommen, entstehen Märkte, Beziehungen zwischen Kunden, Lieferanten und Beschäftigten, bezahlte Jobs, Bildung. Und neue Einnahmequellen aus einem Mikrobusiness. Der Ofen kostet nur wenige Dollar, nach ein paar Monaten hat die Köchin ihren Anschaffungspreis wieder raus. Ebenfalls wichtig: Jeder ist in der Lage, das Ding aufzubauen, es ist weder Hightech-Wissen noch das Lesen einer Bauanleitung nötig.

Zweites Projekt läuft in Uganda

Das zweite Projekt läuft in Uganda. Dort ist Impacc bei einer Firma eingestiegen, die vor Ort günstige Damenbinden aus dem lokal wachsenden Rohstoff Papyrus herstellt. Dies gibt nicht nur vielen Menschen Arbeit – sondern erlaubt auch Mädchen, den ganzen Monat über zur Schule zu gehen. Die Mädchen stopfen sich sonst Bananenblätter, zerrissene T-Shirts oder Altpapier in die Unterhose. „Von der Hygiene müssen wir gar nicht reden, aber viele Mädchen gehen dann auch drei Tage nicht zur Schule, und das ist der erste Schritt, gar nicht mehr zu gehen“, erklärt Wahnbaeck, der früher als Innovationsmanagement bei Procter & Gamble arbeitete und sich mit der Thematik gut auskennt.

Deutschen Qualitätsanforderungen würde das Produkt wahrscheinlich nicht entsprechen, doch es ist kompostierbar und besser als nichts. Die Papyrus-Binden kosten außerdem nur 5 Cent das Stück. Für reguläre Hygieneartikel vor Ort müsste man das Doppelte zahlen, was sich Menschen, die durchschnittlich nur zwei Dollar am Tag zur Verfügung haben, nicht leisten können. Diese Business-Idee ermöglicht ein enormes Stück Gleichberechtigung für junge Frauen.

Business anstatt traditionelle Hilfe

Wahnbaeck würde es hassen, würde man ihm den Gestus des weißen, helfenden Mannes zuschreiben. Er setzt auf Business anstatt auf traditionelle Hilfe („Wir sind keine Charity-Organisation“), und glaubt, damit vor allem junge Spender anzusprechen, die klassischen Hilfsorganisationen kaum mehr Geld geben. Spendeten 2005 noch rund 35 Millionen Deutsche, sind es heute weniger als 21 Millionen. Spender über 70 tragen mittlerweile den größten Posten, Spender unter 30 machen gerade einmal fünf Prozent des Gesamtvolumens aus. Crowdfunding für soziale Projekte hingegen finden sie sehr interessant. Auch die EU hat Programme aufgelegt, um gezielt soziale Unternehmen zu fördern.

Als in Deutschland eingetragene internationale gemeinnützige Gesellschaft darf Impacc keinen Profit machen, doch davon ist man ohnehin noch weit entfernt. Momentan bestreitet Wahnbaeck den Aufbau der Social-Business-NGO aus seinen Rücklagen. Irgendwann würde er natürlich gerne wieder seine Rechnungen von seiner Arbeit zahlen, doch damit scheint er es nicht eilig zu haben: „Ich hatte noch nie so wenig Geld wie jetzt, aber ich war auch noch nie so glücklich und zufrieden.“