Hamburg. Schulsenator zur Studie über Rolle der Schulen bei Ausbreitung der Pandemie: „Wir müssen andere Lebensbereiche stärker betrachten“.

Zu den überraschenden Befunden der ersten Auswertung der Umstände und Hintergründe der Corona-Infektionen von Schülern zählt, dass die Schulformen unterschiedlich stark betroffen sind. „Grob gesagt ist die Quote infizierter Schüler an Stadtteilschulen doppelt so hoch wie an Gymnasien und an Gymnasien doppelt so hoch wie an Grundschulen“, sagte Schulsenator Ties Rabe (SPD) bei der Vorstellung der Ergebnisse der Studie .

Im Zeitraum vom 4. August bis zum 4. Oktober – also zwischen Sommer- und Herbstferien – haben sich 372 Schülerinnen und Schüler mit dem Virus infiziert. Darunter waren 46 Grundschüler – das sind 0,06 Prozent aller Schüler der Klassen eins bis vier. Hinzu kamen 65 Gymnasiasten (0,12 Prozent der Schüler an Gymnasien), 165 Stadtteilschüler (0,24 Prozent dieser Schülergruppe) sowie 89 Berufsschüler (0,18 Prozent) sowie zehn Schüler aus weiteren Schulformen.

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0,3 Prozent der Schüler bis zur sechsten Klasse infiziert

„Warum sich Stadtteilschüler doppelt so häufig mit Corona infizieren wie Gymnasiasten, wissen wir nicht. Das ist ein weiterer Grund, warum wir die wissenschaftliche Studie brauchen, die die Kultusministerkonferenz in Auftrag geben wird“, sagte Rabe, der darauf hinwies, dass sich das Verhältnis zwischen den Schulformen auch nach den Herbstferien bei insgesamt deutlich erhöhten Infektionsquoten fortgesetzt habe. Vom Ende der Herbstferien bis zum 17. November hätten sich 130 Grundschüler (0,2 Prozent), 218 Gymnasiasten (0,39 Prozent), 460 Stadtteilschüler (0,68 Prozent) sowie 280 Berufsschüler (0,54 Prozent) mit Corona infiziert.

„Unsere Untersuchung des Zeitraums bis zu den Herbstferien zeigt, dass die Schüler bis zur sechsten Klasse nur etwa halb so häufig infiziert sind wie die Schüler von der siebten Klasse an. Es gehört zu den unbequemen Erkenntnissen, dass die älteren Schüler genauso häufig von Corona betroffen sind wie die Erwachsenen“, sagte der Schulsenator. Auch im gesamten Zeitraum von den Sommerferien bis jetzt haben sich 0,3 Prozent der Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen eins bis sechs infiziert. Bei den älteren Schülern von Klasse sieben an lag die Infektionsquote bei 0,8 Prozent, was in etwa dem Anteil der Corona-Infizierten an der Gesamtbevölkerung entspricht: 0,7 Prozent.

Gilt das Ergebnis auch nach den Herbstferien?

Rabe betonte erneut, dass Schüler und Schulbeschäftigte zusammengenommen nicht häufiger an Corona erkranken als der Durchschnitt der Bevölkerung. Danach infizierten sich vom 20. Oktober bis zum 17. November 1708 Schüler, Lehrer und weitere Mitarbeiter mit dem Virus – das entspricht einem Anteil von 15,7 Prozent an den 10.871 Corona-Fällen in dieser Zeit. Der Anteil der an Schule Tätigen und Lernenden an der Gesamtbevölkerung beträgt 15,3 Prozent.

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Offen ist derzeit, ob der Befund der ersten Auswertung, dass sich 80 Prozent der an Corona erkrankten Schüler außerhalb der Schule angesteckt haben, auch nach den Herbstferien noch gilt. Rabe präsentierte dazu lediglich eine Detailauswertung an drei Berufsschulen. Im Rahmen der Kontaktnachverfolgung von 42 Fällen an den Berufsschulen BS 15 (Gesundheitsberufe) und BS 18 und 23 (sozialpädagogische Berufe) wurde ermittelt, dass sich mindestens 17 Schüler (40,5 Prozent) in der Familie oder im privaten Wohnumfeld angesteckt hatten. Weitere elf Schüler (26,2 Prozent) steckten sich bei Freunden und fünf (11,9 Prozent) in Betrieben an. In neun Fällen sind die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen. Klare Hinweise auf eine Ansteckung in der Schule liegen nicht vor.

Kritik von CDU und Linken: Aussagewert der Studie begrenzt

„Es ist nicht logisch und auch nicht empirisch belegt, dass sich infizierte Kinder und Jugendliche vor allem in der Schule anstecken. Unsere ersten Untersuchungen weisen in eine andere Richtung“, sagte Rabe. „Wenn wir die Pandemie bewältigen wollen, müssen wir den Fokus nicht nur auf den Schulbetrieb, sondern viel stärker auf die vielen anderen Lebensbereiche und Infektionsrisiken von Schülern richten.“, so Rabe.

„Mit den heute vorgelegten Zahlen versucht Schulsenator Rabe sich rauszureden und sein untätiges Verhalten zu rechtfertigen“, sagte die CDU-Schulpolitikerin Birgit Stöver. Die Infektionszahlen seien erst nach den Herbstferien in die Höhe geschnellt, sodass der Aussagewert der Untersuchung begrenzt sei. „Die Situation an den Schulen spitzt sich jeden Tag weiter zu. Der Schulsenator hätte längst einen Plan mit Maßnahmen individuell für jede Schule vorlegen müssen“, sagte Stöver. „Der Schulsenator stellt Schönwetterzahlen vor. Die Realität an den Schulen sieht längst anders aus“, sagte Linken-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus.

Am Donnerstag meldete die Schulbehörde 49 Neuinfektionen an 39 Schulen. Betroffen waren 42 Schüler und sieben Schulbeschäftigte. Für zwei Klassen wurden Quarantänemaßnahmen verhängt. Aktuell sind 525 Schüler (0,21 Prozent) sowie 104 Lehrer und weitere Beschäftigte (0,3 Prozent) infiziert.