Hamburg. Bei der Castingshow „The Voice of Germany“ sticht eine junge Hamburgerin heraus, die früher Dildos verkaufte.
Nein, dieses Lied, das die Musikredaktion von Deutschlands coolster Musik-Show für Lorena Daum aussuchte, gefiel ihr gar nicht. „Since U Been Gone“ von Kelly Clarkson. Hatte die 27-Jährige noch nie gesungen, sie steht mehr so auf Rock. Aber die Hamburgerin hat Erfahrung genug, also performte sie den Hit mit so viel Power, dass Jurymitglied Mark Forster attestierte: „Unfassbar geil!“
Noch nie im Leben sei sie so nervös gewesen wie bei ihrem Auftritt in Berlin vor den Coaches von „The Voice of Germany“, berichtet Lorena Daum bei einem Kaffee in Hamburg. Sie strahlt, lacht, trägt einen weißen Pulli, der an Bibo aus der Sesamstraße erinnert, und ihr ganzes Wesen wirkt eher wie, na ja, Rampensau! Doch, das treffe schon zu, aber wenn 18 Kameras auf einen gerichtet sind … „Selbst meine Freundin meinte: Lory, von deinem Feuer hat man heute nur einen Funken gesehen“, sagt die Sängerin. Gereicht hat es trotzdem, um weiterhin im Rennen zu sein.
Ihre erste Show gab sie im Alter von vier Jahren
Lorena Daum müsste aus dem Stadium des Lampenfiebers eigentlich längst hinaus sein. Schon im Kindergarten fiel auf, wie gerne sie auf einer Bühne steht. Ihre erste Show gab sie im Alter von vier Jahren bei einem Sommerfest. „Ich habe das auch früher schon ernst genommen“, erzählt Daum lachend. In die Poesiealben ihrer Freunde schrieb sie auf die Frage, was sie werden wolle: Sängerin oder berühmt. Das eine hat schon mal geklappt, das andere könnte jetzt durch die TV-Show noch werden.
Die Künstlerin singt in Hamburg in mehreren Bands, unter anderem mit der Rockband Hong Kong Five und der Coverband Lory & the Toyboys. Die heißen so, weil die Frontfrau früher auf Sextoy-Partys Dildos verkaufte. Sogar recht erfolgreich. Noch heute sind Produktkenntnisse vorhanden. Man soll ja keine Schleichwerbung machen, aber der „Womanizer“ zeichnet sich aus Sicht der Expertin durch eine Orgasmusgarantie aus. Verklemmt ist sie schon mal nicht, die Hamburgerin, und dann auch noch so romantisch, denn ihr aktueller Beruf (neben dem als Sängerin) lautet Traurednerin. Die Idee kam ihr, als sie bei einer Hochzeit sang, und der Redner so lieblos und schlecht war, dass die Gäste sich fremdschämten. „Lorena, du musst das jetzt machen, du kannst das viel besser“, beschloss ein Bandkollege, und seitdem „verheiratet“ Lorena Daum jeden Sommer viele glückliche Paare.
Lorena Daum verfügt über eine klassische Musical-Ausbildung
Nur diesen Sommer nicht. Elf Paare hätte sie eigentlich verheiratet, alle mussten ihr Fest absagen. Dabei hat Lorena sogar gemeinsam mit ihrem Keyboarder einen kleinen YouTube-Hit gelandet, indem die beiden einen Ballermann-Hit in eine kirchentaugliche Version umschrieben. Ein Paar hatte sich ernsthaft zur Trauung gewünscht, Lorena Daum möge doch bitte Micky Krauses „Für die Ewigkeit“ aufführen. „Zuerst dachte ich, das wird niemals funktionieren, doch wir haben unglaublicherweise einen richtig schönen Song daraus gemacht“, sagt die Sängerin, die gerne auch eigene Texte schreibt. Dafür hat sie gerade viel Zeit, zu viel.
Noch im März war Daum eigentlich optimistisch. Da kreuzte sie gerade als Crewmitglied auf der Aida durch die Karibik, und die Pandemie schien weit entfernt. Lorena Daum verfügt über eine klassische Musical-Ausbildung. Also, zumindest fast. Irgendwann flog sie von der Joop van den Ende Academy, weil sie angeblich nicht mehr gut genug war. Zwei Jahre hatte sie für das Stipendium gekämpft, und dann war der Traum nach einem Jahr schon wieder vorbei: „Da fühlte ich mich wie ein Versager, doch es hat mir geholfen, mich auf mein Ziel zu konzentrieren. Ich wollte ja nie Musical-Darstellerin werden, sondern immer schon Rocksängerin.“
„Die Fernsehshow ist mein Corona-Notfall-Plan“
An Bord der Aida arbeitete sie mit einer achtköpfigen Band als „Nightfly Host“, sie war also Gastgeberin des Nachtclubs. Doch dann durfte das Schiff Ende März keinen Hafen mehr anlegen, und die Sängerin erwischte gerade noch den letzten Flieger zurück nach Hamburg. Ihren Bandkollegen, der an Bord geblieben war, konnte sie erst zwei Monate später am Hamburger Hafen in Empfang nehmen. Normalerweise würde Lorena jetzt im Moment wieder an Bord eines Kreuzfahrtschiffes durch den Orient touren und jeden Abend auftreten. Sie hätte bei dieser Reise sogar zum ersten Mal eine Einzelkabine bekommen. Mit Fenster!
„Die Fernsehshow ist mein Corona-Notfall-Plan“, sagt Lorena. Denn als sie irgendwann um 1 Uhr morgens im Bett ihrer Wohnung am Fischmarkt das Ausmaß der beruflichen Katastrophe begriff, sprang ihr bei Facebook ein Aufruf von „The Voice of Germany“ ins Gesicht. Die Sängerin ohne Auftrittsmöglichkeiten schickte zwei Videos und wurde aus Tausenden ausgewählt.
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Die Aufzeichnungen begannen schon im Juli. Die Sendung lebt von der Spannung, dass man als Zuschauer mitfiebert, wer weiterkommt. Also musste Lorena Stillschweigen bewahren, wenn sie es eine Runde weiter schaffte: „Das fiel mir echt schwer.“
Die Coaches hätten ihr bis jetzt schon super Rückmeldungen gegeben. Das Einzige, was ihr noch fehlen würde, sei der Glaube an sie selbst. „Ich denke halt immer, ich bin nicht krass genug, dass ich es ohne Tätowierung oder Piercing in der Branche nicht schaffen kann“, sagt das Nachwuchstalent. Vielleicht reicht ja auch nur eine gute Stimme.
Die Hamburgerin ist am Sonntagabend bei „The Voice of Germany“ zu sehen; Sat 1, 20.15 Uhr.