Vor 125 Jahren öffnete der legendäre Fotoladen in Hamburg das erste Geschäft. Das „Revier“ reichte schnell von Schweden bis Guatemala.
Am sogenannten Kaisertag empfing Hamburg am 19. Juni 1895 Wilhelm II., und in Berlin staunte Deutschland am 1. November des gleichen Jahres über die erste öffentliche „Filmvorführung“. Ein Doppelprojektor warf 15 Minuten lang „Lebendige Photographien“ an die Wand. Einen Tag später eröffnete Friedo Wiesenhavern sein Fotogeschäft im Zentrum der Hansestadt. Von der Kleinen Bäckerstraße 11 aus sollten seine Bilder und Kameras um die Welt laufen.
In Hamburg blühte das Im- und Exportgeschäft, und im Schatten des Warenverkehrs nutzten fünf Millionen Auswanderer Hamburgs Hafen als „Tor zur Welt“ in Übersee. In turbulenter Zeit wurde „EffWee“, so die Telegrammadresse des Jungunternehmers Wiesenhavern, bald zum Markenzeichen auch außerhalb der Stadtmauern.
EffWee bot Hilfe beim Erlernen des Fotografierens an
Er verkaufte gute Ware trotzdem über den Preis und stieg als einer der ersten in den Versandhandel ein. Sein „Revier“ reichte von Schweden bis Guatemala. Außerdem bot er als eloquenter Lehrer „die uneigennützigste“ praktische Hilfe beim Erlernen des Fotografierens an. Für lau. In EffWees „Haupt-Katalog über photographische Artikel für Amateure“ waren 1908 von 43 Seiten 22 gefüllt mit Anleitungen. Akribisch, anschaulich und immer aufmunternd im Ton. Unmöglich gab es schon damals nicht.
EffWee verbreitete seine Zuversicht natürlich nicht ganz ohne Hintergedanken. Denn wer einmal Feuer gefangen hatte, das wusste er aus eigener Erfahrung, den ließ das Fotografieren todsicher nicht mehr los. Und wer besser wird, weiß auch bald, was er noch so alles braucht, um richtig gut zu sein. Und so präsentierte sich EffWee in seinem „Haupt-Katalog“ zwar dienstbeflissen, aber als „Chef des größten Spezialversandhauses am Platze“ doch selbstbewusst als gemachter Mann.
"Nur Apparate bester Ausführung"
„Indem ich mir gestatte, Ihnen hiermit meinen Haupt-Katalog für die Saison zu unterbreiten, erlaube ich mir gleichzeitig, für das mir bisher geschenkte Vertrauen und in so reichem Maße bewiesene Wohlwollen meinen verbindlichsten Dank auszusprechen, daran gleichzeitig die Bitte knüpfend, mir dasselbe auch fernerhin angedeihen zu lassen“, schreibt EffWee im Vorwort zu seinem Katalog von 1908, der erst im hinteren Teil Kameras und Zubehör offeriert, im vorderen Teil jedoch ein Lehrbuch der Fotografie ist.
„Trotz der außerordentlich niedrigen Preise liefere ich nur Apparate bester Ausführung, welche nach den zahlreich mir zugegangenen Anerkennungsschreiben die Erwartungen der Herren Abnehmer bei weitem übertrafen“, schreibt der Maestro ohne jeden Anflug falscher Bescheidenheit. Als kritischer Verbraucher heutiger Tage fragt man sich, ob die Damen bei EffWee nicht kauften oder nur von begeisterten Anerkennungsschreiben absahen.
Weitergehende Spekulationen über einen möglicherweise ungerechten Ausschluss der weiblichen Welt vom erfüllenden Hobby der Lichtbildnerei gehen im Wortschwall des geübten Verkäufers unter, der seine Warenwelt im Gewande des Lehrmeisters vor dem bereits leicht gierig werdenden Auge des Verbrauchers ausbreitet.
Friedo Wiesenhavern hatte Stil und großes Verkaufstalent
„Bei der Wahl eines Apparates bin ich jederzeit mit Vergnügen bereit, Ihnen in uneigennützigster Weise mit Rat an die Hand zu gehen, und bitte ich Sie, mir in diesem Falle Ihre Wünsche in kurzen Umrissen angeben zu wollen, und zwar besonders in welcher Größe Sie zu arbeiten wünschen, ob Sie einer Hand- oder Stativ-Camera den Vorzug geben würden und ferner, zu welchen Zwecken der Apparat hauptsächlich gebraucht werden soll, ob für Geschäftszwecke, für die Reise, zu Porträt- oder Momentaufnahmen, ob für Platten, Rollfilms, Filmpacks, und in welcher ungefähren Preislage, worauf ich Ihnen dann gern mit einer genauen Aufstellung über einige passende Apparate und die dazu gehörigen notwendigen Utensilien diene.“
Wir sehen: Der Katalog lässt keine Wünsche offen, aber auch keine Fluchtwege aus der Welt der Notwendigkeit, in der wir ein Utensil nach dem anderen anschaffen müssen, um unser Glück zu machen. Oder auch nur ein gutes Foto. Die Warenwelt dürstet nach Ware, so sagte es etliche Jahrzehnte später der Philosoph Günther Anders.
Er kam freilich als Mahner für den Verbraucher von 1908 zu spät und konnte EffWee nicht mehr ins wehrlos machende Werbewort fallen. „Ich benutze diese Gelegenheit, Ihnen stets prompteste und streng reelle Bedienung zuzusichern, und bitte Sie höflich, mir bei Bedarf Ihre werten Aufträge zukommen zu lassen. Zu besonderem Danke würden Sie mich ebenfalls verpflichten, wenn Sie mich Ihrem werten Bekanntenkreise gütigst weiterempfehlen wollten. In der angenehmen Erwartung, dass der vorliegende Katalog von Ihnen recht oft benutzt wird, sehe ich Ihren werten Nachrichten stets gern entgegen und zeichne mit vorzüglicher Hochachtung – Friedo Wiesenhavern.“
Stil hatte er schon, dieser Friedo. Mehr jedenfalls als die schnöden Mathematiker heutiger Tage, die unsere Bedürfnisse einfach auszählen und Algorithmen programmieren, die uns noch mehr betören als das gedrechselte Wort. Ins Netz gegangen sind aber viele auch damals schon.
„Der Versand erfolgt auf Rechnung und Gefahr des Empfängers"
Doch anders als die Verführer heutiger Tage wird EffWee in den auf Seite 3 des Kataloges prominent präsentierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen umstandslos stocknüchtern. Der mutmaßlich längst zu allem bereite, schwer enthusiasmierte Fotofan bekommt somit die echte Chance, den Ernst der Versuchung zu erkennen. „Der Versand erfolgt auf Rechnung und Gefahr des Empfängers ohne Verbindlichkeit“ heißt es fast brutal und unter Ausschluss jeglicher Mängelrügen. „Die Zahlung geschieht durch vorherige Einsendung des Betrages zuzüglich Porto und Verpackung …“
Ein herber Dämpfer für klamme Knipser. Anschreiben läuft nicht. „Rabatte kann ich leider nicht gewähren, ebenso muss ich Anfragen auf Teilzahlungen ablehnen.“ Da wird nichts beschönigt. Offen und ehrlich wird der Unternehmenszweck dargelegt und der Kundenkreis auf diejenigen beschränkt, die ohne Klimmzüge sofort bezahlen können. Die Passion soll ja kein Fluch werden und niemand die Haushaltskasse verfotografieren. Leben und leben lassen kann auch unter Besessenen gelten.
Unternehmen setzt auch heute noch auf persönlichen Kontakt
Heute gehört das Unternehmen zur Gregor-Gruppe und setzt immer noch auf den persönlichen Kontakt. Verkauf, Verleih, Gebrauchthandel und Versand. Internetpreise, aber trotzdem mit Kameras zum Anfassen und Ausprobieren vor Ort. „Das ist der Vorteil des stationären Einzelhandels“, sagt Geschäftsführer Ralph Schumacher. „Viele reservieren ihre Kamera online, kommen dann aber zum Abholen ins Geschäft und lassen sich noch das eine oder andere erklären.“ Der Onlinehandel macht deshalb nur 20 Prozent seines Umsatzes aus. Die Smartphones sind die Treiber des Geschäfts: „Noch nie wurde so viel fotografiert wie heute“, sagt Schumacher. „Wer dann Spaß daran findet und tiefer einsteigen will, kauft eine richtige Kamera.“
Der Stand der Dinge sind Systemkameras mit einer guten Videofunktion und entsprechenden Objektiven. Damit drehen Youtuber ihre hochwertigen Filme. Über Geschichten, die im alltäglichen starten und ihrer scheinbaren Banalität auf mysteriöse Weise entwachsen. Wie die Geschichte von EffWee.
Wiesenhavern – eines der ältesten Fachgeschäfte Hamburgs
Foto Wiesenhavern bietet an vier Standorten in der Mönckebergstraße 11, im Elbe-Einkaufszentrum (Hamburg), in Lübeck in der Königstraße 129, im Knooper Weg 25 in Kiel sowie im Bremer Ostertorsteinweg 79 alles um digitale und analoge Fotografie an.
Ergänzt wird die Produktpalette durch große Video- und Fernglasmarken sowie eine umfassende Auswahl an Fotoalben, Bilderrahmen und Rahmungsservice. Außerdem setzt die Firma auf ein großes und kompetentes Beratungsangebot. Wiesenhavern ist eines der ältesten Fachgeschäfte in Hamburg.