Hamburg. In einem Podcast erklären zwei Amerikanerinnen in Hamburg die US-Politik. Die lässt sie in durchwachter Wahlnacht fast verzweifeln.

Jiffer Bourguignon und Wendy Brown sind tief getroffen von den Vorgängen in ihrer Heimat. „Wir sind einfach nur sprachlos, was in den USA gerade passiert“, sagt Jiffer Bour­guignon bei einem Video-Telefonat am Morgen nach der Wahlnacht. Noch immer läuft der Fernsehsender CNN im Hintergrund, auf den Laptops der beiden Frauen andere amerikanische Sender.

 „Unser Herz wollte die ganze Zeit nicht wahrhaben, dass Donald Trump wirklich diesen Weg wählt. Aber unser Verstand hat leider damit gerechnet“, sagt Wendy Brown über Trumps erste Reaktion auf die Ergebnisse. Zu viele Anzeichen habe es in den vergangenen Tagen bereits gegeben. Zu oft habe Trump im Vorfeld direkt oder indirekt angekündigt, die Wahl anzufechten. „Das ist ganz schlicht seine Strategie.“

Die beiden Frauen in Hamburg, die seit Monaten die Wahl in ihrer Heimat verfolgen und wöchentlich den Podcast „Amerika übersetzt: Der Talk zur US-Wahl 2020“ (bei Apple Podcast und Spotify) veröffentlichen, haben die Nacht vor dem Fernseher verbracht. Nur eine Stunde Schlaf am frühen Morgen hätten sie sich gegönnt. „Wir sind recht optimistisch in den Tag gestartet“, fasst Wendy Brown die Stunden zusammen.

Beide hätten am Abend noch Termine gehabt und sich dann um etwa 1 Uhr nachts bei Jiffer Bourguignon in der Wohnung getroffen. „Mit Champagner, Wein und ein paar leckeren Snacks.“ So habe die gemeinsame Zeit noch recht fröhlich begonnen. „Wir haben so die Daumen gedrückt.“

"So vieles erinnert mich an die Wahl vor vier Jahren"

Stundenlang hätten sie mit ihren amerikanischen Freunden telefoniert und gechattet. „Wir wollten wissen, wie die Stimmung in den einzelnen Bundesstaaten ist.“ Doch zunehmend sei die Landkarte ihrer Heimat immer roter geworden. „Das war genauso im Jahr 2016. So vieles erinnert mich an die Wahl vor vier Jahren“, sagt Jiffer Bourguignon und seufzt. Als dann kurz nach 5 Uhr am Morgen nur noch Trump Bundesstaaten für sich gewinnen konnte, hätten sie sich für eine Stunde hingelegt. „Wir konnten ja nichts mehr tun.“

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Die kleine Verschnaufpause musste erst einmal reichen. Schon am Vormittag telefonierten und schrieben sie wieder, diesmal mit Freunden in ganz Europa. Die Gesprächspartner in den USA schliefen. „Wir haben es noch nicht geschafft, unsere Familien anzurufen“, sagt Jiffer Bourguignon. Das wollen sie am Abend nachholen. Erst einmal wollten sie aber einen neuen Podcast aufnehmen. „Unsere Hörer wollen ja wissen, wie wir die Lage jetzt einschätzen“, sagt Wendy Brown. Dabei würden sie sich im Moment eigentlich fast ein wenig sprachlos fühlen. „Wir haben so gehofft, dass die hohe Wahlbeteiligung dafür spricht, dass Biden gewinnen wird“, sagen sie.

„Die Amerikaner lieben Schauspieler. Und Trump ist ein richtig guter.“

Dennoch wagen sie erste kleine Erklärungsversuche. „Die Law-and-Order- Ansagen von Trump haben sicherlich zu seinen Zahlen beigetragen“, sagt Wendy Brown. „Die Amerikaner wollen eher einen starken Führer.“ Und Jiffer Bourguignon ergänzt: „In vermutlich keinem Land der Welt wird einem Menschen so viel verziehen.“ In Amerika bekomme man immer wieder eine neue Chance, so auch Trump. Und dann gebe es die Argumente, die beispielsweise auch ihr Vater, ein bekennender Trump-Wähler, anführe: Uns interessiert nicht, was Trump persönlich macht. Uns geht es um das, wofür er steht.

„Das Zwei-Parteien-System ist aber auch vertrackt“, sagt Wendy Brown. „Man hat ja nur die Möglichkeit für die einen oder anderen zu sein.“ Ganz anders in Deutschland, wo heute viele Parteien die unterschiedlichen Ansichten abbilden würden. „Wenn du in den USA ein Thema hast, das dir besonders wichtig ist, dann musst du danach deine Wahlentscheidung ausrichten.“ Und als Letztes führt Wendy Brown noch an: „Die Amerikaner lieben Schauspieler. Und Trump ist ein richtig guter.“

"Uns ist schrecklich peinlich, was gerade in unserem Heimatland passiert“

Dennoch ist ihnen eins wichtig: „Uns ist schrecklich peinlich, was gerade in unserem Heimatland passiert“, sagt Jiffer Bourguignon. „Und ich glaube, viele Amerikaner sehen es auch so.“

David Scott Zeller, der den American Club e.V. in Hamburg leitet, hat ebenfalls bis spät in die Nacht die Liveübertragungen aus den USA verfolgt und mit vielen Freunden geschrieben. Der 55-Jährige, der gebürtig aus Woodstock im Staat New York stammt und auch lange Zeit in Kalifornien verbrachte, lebt seit mehr als zehn Jahren in Hamburg. „Viele sind jetzt überrascht über das knappe Rennen“, sagt er am Mittwochmittag.

„Doch das war zu erwarten.“ Dass Trump sich vorzeitig zum Sieger erklärt und einen Stopp der Auszählung gefordert hat, kritisiert er. „Das war nicht in Ordnung.“ Das Gebaren des US-Präsidenten sei aber auch nicht überraschend gekommen; so sei seit Langem seine Strategie gewesen. Von einer Staatskrise mag Zeller dennoch nicht sprechen – er hat Vertrauen in die amerikanischen In­stitutionen. Die Spaltung der US-Gesellschaft zu überwinden wäre mit Joe Biden aber aus seiner Sicht deutlich einfacher als mit Donald Trump.