Hamburg. Autor Lars Amemda zeigt Geschichte der Hamburg-Werbung: ein Streifzug von Bismarck über Pin-up-Girls bis zur Elbphilharmonie.

Es ist einige Wochen her, da schlug ein Hamburger Professor vor, man solle das Bismarck-Denkmal auf den Kopf stellen. Diese Forderung, die viele heute eher originell bis skurril fanden, hätte ihre Urgroßeltern empört: Denn das Denkmal das Eisernen Kanzlers, das heute manchem missfällt, war noch vor einem Jahrhundert das Wahrzeichen der Stadt. Wann immer Hamburg auf sich und seine Reize aufmerksam machen wollte, wurde der Koloss im Elbpark ins rechte Licht gesetzt.

Eine bewegte Reise auf den Spuren des Zeitgeists durch die Geschichte hat nun der Publizist Lars Amenda in dem Buch „Marke Hamburg“ unternommen. Er zeigt nicht nur faszinierende und skurrile Plakate aus Jahrzehnten der Hamburg-Werbung, sondern beschreibt detailliert, wie sich das Marketing der Stadt verändert hat. Schon das Genre änderte mehrfach seinen Namen.

Was als Propaganda begann, wurde zur Reklame, dann zur Werbung und schließlich zum Marketing. Manchen, wie den Besetzern des Gängeviertels, ging das Stadtmarketing dermaßen auf die Nerven, dass sie ein viel beachtetes Manifest „Not in our Name, Marke Hamburg“ veröffentlichten.

Die Werbeplakate waren am Anfang noch eine Kunstform

Zugleich hat sich Hamburg damit erfolgreich inszeniert und neu positioniert: So stieg die Zahl der Übernachtungen, die Ende der Sechzigerjahre bei rund drei Millionen lag, im vergangenen Jahr auf 15,4 Millionen – allein im letzten Jahrzehnt gab es eine Verdopplung. Zugleich konnte Hamburg sich als Wachsende Stadt und mit der Einweihung der Elbphilharmonie als Kulturmetropole in Szene setzen. Das alles sind nicht nur schöne Zahlen und Titel, sondern Fundamente der Wirtschaftskraft, der Arbeitsplätze und der Steuereinnahmen.

Dabei waren die Anfänge der Werbung schwer. Sie reichen zurück bis ins Ende des 19. Jahrhunderts und erlebten mit der Verstädterung und der Elektrifizierung einen massiven Schub. Das Werbeplakat – zu Beginn noch eine Kunstform – entwickelte sich ab 1900, die Zwanzigerjahre brachten die Lichtreklame hinzu. Der Historiker Amenda hat in eineinhalb Jahren Arbeit für sein Buch Hamburg-Fotos, Stadtführer, Broschüren und Plakate zusammengetragen.

Auch dieses Plakat stammt von Bruno Karberg.
Auch dieses Plakat stammt von Bruno Karberg. © Hamburg-Tourismus | Hamburg-Tourismus

Verein zur Förderung des Fremdenverkehrs in Hamburg wollte Bild der Stadt prägen

Im Jahre 1899 gründete sich der „Verein zur Förderung des Fremdenverkehrs in Hamburg“, der die Menschen nach Hamburg locken und das Bild der Stadt prägen wollte. Bezeichnend setzt das Plakat des Vereins, das der Marinemaler Hans Bohrdt 1908 schuf, ganz auf maritime Motive: Das kurz zuvor fertiggestellte Bismarck-Denkmal und die Elbe sind groß zu sehen, Blankenese, die Stadtansicht von der Alster und Helgoland ergänzen die Selbstinszenierung. Der Werbeträger wurde in 283 Orte verschickt, sogar nach Buenos Aires, Montevideo und Rio de Janeiro. Immerhin eine halbe Million Gäste wurde 1910 regis­triert.

Geradezu skurril wirkt ein weiteres Plakat von Bohrdt, das für Kiel, Hamburg und Kopenhagen gemeinsam werben sollte: Ein Wikingerschiff steht für das Verbindende, Hamburg präsentiert sich mit dem Bismarck-Denkmal.

Die sündige Meile auf St. Pauli wird sittsam verschwiegen

In den Reiseführern wirbt die Stadt mit Hafen, Alster, Museen und Theatern – die sündige Meile auf St. Pauli wird sittsam verschwiegen. Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelt sich der Tourismus nur mühsam. 1926 veröffentlicht der Fremdenverkehrsverein ein „Propaganda-Werk“, das aufs Wasser setzt. „Das Wasser beherrscht in Hamburg beinahe alles: Es gibt der Stadt seinen Reiz und zugleich seine Kraft. Die Alster ist gewissermaßen die Schönheitsquelle, die Elbe die Kraftquelle der stolzen Hansestadt“. Wie modern diese Zwischenkriegszeit war, zeigt ein Plakat von 1930. Im Auftrag des Fremdenverkehrsvereins schuf der Künstler Bruno Karberg ein sensationell modernes Kunstwerk mit der Stadt aus der Luftperspektive. Es schmückt das Cover des Buches und ist das Lieblingsmotiv von Amenda.

Dieses Plakat von 1921 wirbt mit Segelschiffen auf der Alster
Dieses Plakat von 1921 wirbt mit Segelschiffen auf der Alster © Hamburg-Tourismus | Hamburg-Tourismus

Zu dieser Zeit wird auch der Slogan „Tor zur Welt“ geboren, der bis heute wirkt. Er war es auch, der den Autor zu der Idee des Buches brachte: „Mein Einstieg war die Frage, seit wann eigentlich der ,Tor zur Welt‘-Slogan verwendet wurde“, erzählt Amenda. „Das Überraschendste der Geschichte der Hamburg-Werbung ist sicherlich, dass die Nazis die Ersten waren, die ,Tor zur Welt‘ intensiv verwendeten“ – schließlich war Hamburg die Rolle eines Schaufensters zugedacht, wie auch die monumentalen architektonischen Pläne für die „Führerstadt“ beweisen. Eine gigantische Hochbrücke sollte die Elbe überspannen, ein 250 Meter hohes Gauhochhaus mit den Wolkenkratzern von New York wetteifern.

Als „Tor zur Welt“ umfasst das Stadtwappen nun gleich den gesamten Globus

Hamburg sollte eine internationale Stadt werden, mit St. Pauli als dem Vergnügungsviertel der Welt: Bürgermeister Krogmann sagte 1939 – nur wenige Wochen vor dem deutschen Überfall auf Polen: „Die Fremden aus allen Ländern der Welt sollen hier ein Stück Heimat finden, umgekehrt soll jeder Hamburger auf St. Pauli ein Stück Ausland zur Stillung seiner Sehnsucht vorfinden.“ Monumental fiel auch die Werbung auf: Alles musste größer, beeindruckender, lauter werden: Als „Tor zur Welt“ umfasst das Stadtwappen nun gleich den gesamten Globus. Neue Werbeformen wurden eingeführt: Es gab einen Hamburg-Imagefilm, Spielfilme wie „Große Freiheit Nr. 7“ und gleich zwei großformatige Magazine namens „Hansestadt Hamburg“ und „Wappen von Hamburg“.

Nationalsozialistischer Größenwahn: Das „Tor Zur Welt“ umfasst den Globus. Das Plakat gestaltete Bruno Karberg. Es hing deutschlandweit.
Nationalsozialistischer Größenwahn: Das „Tor Zur Welt“ umfasst den Globus. Das Plakat gestaltete Bruno Karberg. Es hing deutschlandweit. © Hamburg-Tourismus | Hamburg-Tourismus

Schon 1947 erschien wieder ein Hamburg-Führer des Fremdenverkehrsvereins – aber aller Anfang war schwer. In den ersten Nachkriegsjahren stand den Deutschen nicht der Sinn nach Reisen. Erst mit dem Wirtschaftswunder wuchs die Mobilität: Zwischen 1949 und 1955 verdoppelte sich die Besucherzahl auf mehr als zwei Millionen. Auch der Slogan vom „Tor zur Welt“ tauchte wieder auf. Ausstellungen und Messen sollten nun die Hansestadt zu einem begehrten Reiseziel machen. Gleich mehrere Gartenbau-Ausstellungen wie 1953, 1963 und 1973 lockten jeweils rund fünf Millionen Besucher in die Hansestadt.

Schon die erste IGA in Planten un Blomen, den Wallanlagen und auf dem Messegelände wurde zum Symbol des Wiederaufbaus, einer „aufblühenden Stadt“. Mit dem „Philipsturm“ und der Wasserlichtorgel präsentierte sich Hamburg zugleich als Stadt des Wirtschaftswunders. Der neue Wohlstand schuf einen weiteren Anlass, nach Hamburg zu reisen, wie eine Broschüre von 1959 offenbart: „Der Schaufensterbummel gehört nicht nur zu den besonderen Freuden des Reisens; er erschließt zugleich auf reizvolle neue Weise das Erlebnis einer fremden Stadt.“

Hamburg wurde „Das Hoch im Norden“

Zugleich spielte die Stadt ihre traditionellen Stärken aus – den Hafen, das Maritime, die sündige Meile, Seemannsromantik. Dieses Hamburg-Bild transportieren viele Schlager, Schnulzen und Schmonzetten. Hamburg-Models tragen 1974 Friesennerz, Elbsegler – und darunter nur einen knappen Bikini.

Prägend für die Stadt wurde ein architektonischer Aufbruch. 1973 eröffneten Bundeskanzler Willy Brandt und Bürgermeister Hans-Ulrich Klose das neue CCH und den 108 Meter hohen Hotelturm am Bahnhof Dammtor, ein Jahr später folgten der Elbtunnel und die Köhlbrandbrücke. Aber trotzdem stagnierte der Tourismus – auch deshalb, weil Auslandsreisen für die Bundesbürger­ immer erschwinglicher wurden.

In den Achtzigerjahren bekam die Stadt einen neuen Slogan verpasst: Hamburg wurde „Das Hoch im Norden“. Wirksamer noch als dieser kreative Satz war das Aufkommen des Musical-Tourismus – 1986 kam „Cats“ an die Reeperbahn, 1990 folgte das „Phantom der Oper“. „Hin und wieder musste die Hamburg-Werbung aber auch gar nichts tun, außer auf einen neuen Trend zu warten“, schreibt Amenda dazu.

Lars Amendas Buch „Marke Hamburg“ ist im Junius Verlag erschienen und für 24,90 Euro im Handel oder unter  abendblatt.de/shop erhältlich.
Lars Amendas Buch „Marke Hamburg“ ist im Junius Verlag erschienen und für 24,90 Euro im Handel oder unter abendblatt.de/shop erhältlich. © Junius Verlag | Junius Verlag

„Die Lektüre dieses Buches ist lehrreich, vergnüglich und faszinierend"

Danach landet der Autor bald in der Gegenwart, die Hamburg als großen Profiteur der Wiedervereinigung sieht. Plötzlich liegt die Stadt nicht mehr am Zonenrand, sondern in der Mitte Europas. Hamburg wird eine wachsende Stadt, seit 2003 kümmert sich die Hamburg Marketing GmbH um die Marke Hamburg. Diese leuchtet kräftiger denn je: Mit der HafenCity, vor allem aber mit der Elbphilharmonie wagt sich die Hansestadt an neue Ufer. Der jahrzehntealte Anspruch, Weltstadt zu sein, wird Wirklichkeit.

„Die Lektüre dieses Buches ist lehrreich, vergnüglich und faszinierend“, schreibt Wirtschaftssenator Michael Westhagemann in seinem Grußwort. „Und sie zeigt uns, wie Hamburg sich immer wieder neu erfinden und entwickeln konnte.“