Hamburg. Enkeltrickbetrüger und falscher Polizist wollen 70-Jährigen ausnehmen. Tatsächlich gehen sie Eberhard Markowitsch auf den Leim.

Schlechte Nachrichten für Trickbetrüger: Betagte Hamburger taugen nicht mehr als Opferlämmer. Immer häufiger drehen die Alten den Spieß sogar um, unterstützen die Polizei bei der Ganoven-Jagd. Doch auch die Kriminellen rüsten auf, indem sie ihre perfiden Maschen weiter verfeinern. In Wandsbek haben sie jetzt die Varianten „falsche Polizisten“ und Enkeltrickbetrug kombiniert – Eberhard Markowitsch ist ihnen trotzdem nicht auf den Leim gegangen.

Am Dienstagmorgen klingelt das Telefon bei Markowitsch, 70 Jahre alt. Joachim ist dran! Er sei in der Stadt und wolle ihn besuchen, sagt der Anrufer. Markowitsch stutzt, er kennt die Stimme nicht. Dafür kennt er viele Geschichten über Enkeltrickbetrüger. Die Lüge, die der Mann ihm auftischt, durchschaut er sofort. Er benötige leihweise 18.000 Euro für einen Termin beim Notar, sagt „Joachim“. Leider zahle ihm seine Bank „wegen Corona“ kein Geld aus. Um ganz sicherzugehen, stellt Markowitsch ihm eine Fangfrage. „Wir kennen uns aus Süddeutschland, oder?“ Als der Anrufer die Frage bejaht, hat der Rentner Gewissheit, geht aber zum Schein auf die Forderung ein. Später sagt er dem Abendblatt: „Ich wollte den reinlegen.“

Zwei Beamte belauschen das Gespräch

Keine halbe Minute nach dem Gespräch klingelt es erneut. Am Apparat ein Mann, der sich als „Herr Fischer“ vom LKA ausgibt. Bei dem vorherigen Anrufer handele es sich um einen Betrüger, die Polizei sei ihm dicht auf den Fersen. Ob er, Markowitsch, den Ermittlern helfen könne, „Joachim“ in eine Falle zu locken? Um Vertrauen aufzubauen, fordert „Herr Fischer“ den Rentner auf, ihn bei der Polizei zurückzurufen – er solle dazu im Telefon #110 eingeben. Doch Markovic stellt das Telefon zunächst auf stumm, ruft mit dem Handy die „echte“ Polizei über die 110 an. Dem Täter erzählt er, dass er die #-Taste nicht gefunden habe – und spielt das Spielchen mit.

Wenig später tauchen zwei Beamte in Zivil bei ihm auf. Von den Betrügern unbemerkt, belauschen sie die weiteren Gespräche am Telefon und am Handy. Offenbar um sicherzustellen, dass Markowitsch nicht die echte Polizei einschaltet, muss er auf Drängen von „Herrn Fischer“ die ganze Zeit per Handy in Kontakt mit ihm bleiben. Auf dem Festnetz telefoniert er parallel mit „Joachim“, der ihn auffordert, sein Schließfach in einer Haspa-Filiale zu leeren. Er werde das Geld später bei ihm abholen.

Ermittlungen dauern an

Als Markowitsch gegen Mittag die Bank betritt, hört „Herr Fischer“ weiter mit – das Handy steckt in seiner Jackentasche. Er geht in den Keller, öffnet das Schließfach hörbar, damit ihm der falsche Polizist die Finte abkauft. Dann verlässt er die Filiale mit einer von der Polizei präparierten Geldtasche – statt mit Banknoten ist sie mit Papier gefüllt. Die Zivilfahnder observieren unterdessen das Umfeld. Ihnen sind zwei Frauen in einem Auto aufgefallen, die den Rentner genau beobachten.

Eine von ihnen folgt Markowitsch jetzt in einigem Abstand. Auf Geheiß von „Herrn Fischer“, der ihn quer durch Wandsbek scheucht, stopft der 70-Jährige schließlich die Geldtasche in einen Mülleimer an der Schlossstraße. Kaum ist er fort, klaubt seine Verfolgerin den Beutel aus dem Mülleimer. Als sie ins Auto steigt, nehmen die Beamten die beiden Frauen fest: Nelli W. (55) und ihre Tochter Claudia (27), beide wegen Diebstahls, Raubes und Betrugs bekannt. Die 27-Jährige kommt vor den Haftrichter. „Die Ermittlungen, insbesondere zu den beiden männlichen Mittätern ,Joachim‘ und ,Herr Fischer‘, dauern an“, sagt Polizeisprecherin Nina Kaluza.

Immer mehr falsche Polizisten

Derzeit verzeichne die Polizei ein hohes Fallaufkommen beim Trickbetrug, so Kaluza weiter. Von Januar bis Ende September ordnete sie 2451 Fälle dem Tatbild „falsche Polizisten“ zu. Zwar blieb es 2405-mal beim Versuch. Doch bei 46 geglückten Taten erbeuteten die Betrüger 1,99 Millionen Euro. Erst am Mittwoch fiel ein 93-Jähriger aus Nien­stedten auf „falsche Polizisten“ herein. Auch er sollte bei einer angeblichen Verbrecherjagd helfen und deponierte einen Beutel mit 30.000 Euro in einem Mülleimer nahe der Petrikirche. Zwar haben auch Enkeltrickbetrüger keine sonderlich gute Erfolgsquote. Nur in zwölf Fällen kamen sie dieses Jahr zum Zug. Doch dabei erbeuteten sie rund 200.000 Euro.

Eberhard Markowitsch hingegen genießt seinen Triumph. Die ganze Aktion sei sehr strapaziös gewesen, sagt er. Doch die Täter scheitern zu sehen, das habe sich „einfach richtig gut angefühlt“.