Kiel. “Grüner“ Wasserstoff heißt das Zauberwort. Die Regierung in Kiel will damit den Klimaschutz und den Wirtschaftsstandort stärken. Minister Albrecht sieht große Chancen. Das Ganze hat aber eine zweite Seite: Es werde noch viel mehr Ökostrom gebraucht, sagt der Ressortchef.

Schleswig-Holstein will die Produktion, Erforschung und Vermarktung von Wasserstoff vehement vorantreiben. Dazu hat die Landesregierung aus CDU, Grünen und FDP am Dienstag eine Strategie beschlossen. Damit setze das Land ein klares Signal für mehr Klimaschutz und nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung, sagte Umwelt- und Energieminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) in Kiel nach der Kabinettssitzung.

Albrecht betonte die Bedeutung der Strategie für die Energiewende insgesamt: "Grüner Wasserstoff braucht grünen Strom", sagte er. "Deshalb wollen wir in Schleswig-Holstein auch beim Ausbau der Erneuerbaren Energien noch einmal deutlich zulegen." Hintergrund: Die Herstellung von Wasserstoff ist selbst sehr energieintensiv. Mit der Strategie bekennt sich die Landesregierung zu "grünem" Wasserstoff als Energieträger der Zukunft. Dafür sind 30 Millionen Euro Fördermittel bis 2023 eingeplant, unter anderem vorgesehen für Maßnahmen zur Wasserstofferzeugung, Forschung und Infrastruktur.

Der künftige Bedarf an Wasserstoff werde riesig sein, sagte Albrecht. Eine konkrete Höhe sei nicht absehbar. "Das ist ein dynamischer Prozess." Schleswig-Holstein produziere mehr Strom aus erneuerbaren Energien, als das Land selbst verbraucht. Aber bei Wärme und Verkehr sei es noch weit entfernt von Klimaneutralität. Auf dem Weg dorthin werde Wasserstoff eine Schlüsselrolle spielen. Als potenzielle Einsatzgebiete hob Albrecht den Schwerlast-, Schiffs- und Flugverkehr sowie Heizungen hervor. Aber auch die Chemieindustrie hat Bedarf, zum Beispiel als Ersatz für Erdgas.

Für den aus seiner Sicht notwendigen massiven Ausbau der Produktion von Ökostrom sieht Albrecht Reserven bei der Windkraft besonders auch auf dem Meer und bei der Gewinnung von Sonnenenergie. Um die Nutzung von Wasserstoff voranzubringen, müssten Bund und EU Rahmenbedingungen verändern. Das betreffe Belastungen des Strompreises durch Abgaben und Umlagen sowie Genehmigungsverfahren für Projekte, von denen viele im Norden schon in den Startlöchern stünden. Es sei wichtig, jetzt mutig zu investieren, sagte Albrecht.

Er hatte Ende August im Landtag das Ziel verkündet, den Klimaschutz stärker voranzutreiben und Treibhausgas-Emissionen radikaler zu senken als bisher vorgesehen. Von den Koalitionspartnern CDU und FDP bekam er darauf in der Debatte keine Rückendeckung. Er sei guter Hoffnung und davon überzeugt, dass allen bewusst sei, "dass wir unsere Ziele nicht verfehlen dürfen", sagte Albrecht am Dienstag. "Auf dem bisherigen Kurs werden wir die Klimaziele des Pariser Abkommens krachend verfehlen und statt bei 1,5 bis 2 Grad Erwärmung eher bei 3 bis 4 Grad allein bis zum Jahr 2100 landen", hatte er im Landtag gesagt.

Aus Sicht des CDU-Energiepolitikers Andreas Hein ist die Wasserstoffstrategie ein Riesenschritt nach vorne beim Klimaschutz. Überschüssigen Windstrom im Norden zu nutzen und mittels Umwandlung in Wasserstoff für Wärme und Verkehr alltagstauglich nutzbar zu machen, sei eine Herausforderung. Damit treibe das Land die Abkehr von nicht erneuerbaren Rohstoffen wie Öl und Gas konkret voran.

Weil Wasserstoff-Projekte oft noch unwirtschaftlich seien, sei eine Initialzündung erforderlich, um in der Praxis voranzukommen, sagte Oliver Kumbartzky von der FDP. Und: "Statt Verbrennungsmotoren zu verteufeln, sollten wir alle Chancen nutzen, um sie klimapolitisch sinnvoll zu nutzen." Der SPD-Energiepolitiker Thomas Hölck warf CDU und FDP vor, sie säßen beim Ausbau der regenerativen Energien "im Bremserhäuschen".

Der Landesverband Erneuerbare Energien begrüßte die Initiative des Landes. Sie sei ein wichtiges Signal für den Wirtschaftsstandort und werde Grundlage für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft sein.