Hamburg. Anlage soll Durchgangsverkehr in Ohlsdorf verhindern. Autofahrer brauchen eine Zugangskarte – oder einen aktuellen Anlass.
Babette Becher von „Blumen Barthels“ passierte am Freitag als eine der Ersten die neue Schranke mitten auf dem Ohlsdorfer Friedhof. Sie wollte zur Kapelle 13, zückte die Zutrittskarte und drückte diese an den Scanner. Prompt öffnete sich die Schranke und gab ihr freie Fahrt. Aber für die meisten anderen Autofahrer heißt es ab sofort: Hier geht nichts mehr! Seit Freitag stoppen zwei Schranken an der Kreuzung Mittelallee und Ida-Ehre-Allee auf dem größten Parkfriedhof der Welt den Durchgangsverkehr.
Umweltstaatsrat Michael Pollmann (Grüne), Friedhofs-Chef Carsten Helberg und Christian Landbeck vom Bezirksamt Hamburg-Nord waren zum Start gekommen. Während sie den zahlreich versammelten Journalisten Interviews gaben, verlief der Praxisstart am neuen Nadelöhr allerdings holprig. Etliche Zugangskarten funktionierten nicht, sodass die Schranke von einem Mitarbeiter vor Ort bedient werden musste. Außerdem drückten Friedhofsbesucher ohne Erfolg den digitalen Klingelknopf, um – wie nunmehr vorgeschrieben – mit einem Mitarbeiter aus der Service-Zentrale zu sprechen und den wahren Grund für die Friedhofsdurchfahrt mitzuteilen. Am anderen Ende der Leitung meldete sich aber keiner.
Durchgangsverkehr soll verhindert werden
„Wir haben es im Griff“, versicherte derweil direkt neben der Lichtschranke Constantin Thomas, Technischer Leiter des Friedhofs. Mit der knapp 450.000 teuren, videoüberwachten und beleuchteten Schrankenanlage soll der Durchgangsverkehr verhindert werden. Untersuchungen hatten ergeben, dass gut 5000 der täglich 8600 Fahrzeuge den Friedhof ausschließlich zur Durchfahrt nutzen. „Anlass für den Bau der Schranke ist die seit Jahren zunehmende Tendenz von Autofahrern, die gute und ampellose Infrastruktur des Friedhofs als Abkürzung zwischen Wohngebieten, Arbeitsstätten und der Innenstadt zu nutzen“, sagte ein Sprecher der Hamburger Umweltbehörde. Das Durchfahren des Friedhofs ohne Aufenthalt sei jedoch nach Paragraf 7 Absatz 2 der Hamburger Bestattungsordnung untersagt.
Weil sich die Situation aber nicht verändert hat, Trauergäste und Friedhofsbesucher äußert unzufrieden mit dem ständigen Straßenverkehr sind, wurde jetzt zu diesem drastischen Mittel gegriffen. Vorbilder gibt es dafür auf dem Wiener Zentralfriedhof. Die Schranken befinden sich dort, im Unterschied zu Hamburg, an allen Eingangstoren. „Die Schrankenlösung wertet den Ohlsdorfer Friedhof als einen Ort des Trauerns und des Gedenkens, aber auch der Naherholung und der Stadtnatur deutlich auf“, sagte Umwelt-Staatsrat Michael Pollmann (Grüne). Der Parkfriedhof sei für alle Hamburger offen, aber der Verkehrslärm müsste jetzt draußen bleiben.
Anliegen muss Service-Team vorgetragen werden
Carsten Helberg, Geschäftsführer der Hamburger Friedhöfe AöR, sagte, er hätte gern auf die Schranke verzichtet, sie sei aber „leider notwendig“. Wer beruflich und kommerziell mit dem Friedhof zu tun hat, erhält eine Zugangskarte oder einen Chip, der an der Schranke gescannt wird – wenn sie denn im Alltagsbetrieb problemlos funktioniert. Hunderte solcher Karten seien bereits ausgegeben worden, vor allem an die Mitarbeiter von Bestattungsinstituten, Verkehrsunternehmen, Einsatzkräfte, an Geistliche und Trauerredner. Wer Karte oder Chip verliert, muss für den Ersatz 200 Euro zahlen.
Für reguläre Friedhofsbesucher werden solche Karten nicht ausgestellt. Künftig gilt: Wer auf dem Weg zu einer Trauerfeier auf dem Friedhof ist und die Mittelallee/Ida-Ehre-Allee passiert, drückt an der Schranke den Klingelknopf und erklärt einem Mitarbeiter aus dem 20-köpfigen Service-Team sein Anliegen. Diese überprüfen anhand der tagesaktuellen Unterlagen den Wahrheitsgehalt der Aussagen. Für Friedhofsgewerbe, Gäste von Trauerfeiern, Polizei und Feuerwehr öffnen sich die Schranken. Fußgänger und Fahrradfahrer können ungehindert passieren.
Friedhofsverwaltung rechnet mit weiteren Beschwerden
Wer aber künftig das Grab seiner Lieben besuchen will, kommt an der neuen Schranke nicht mehr weiter. Zwar sei jede Grabstätte, Kapelle oder andere Einrichtung weiterhin mit dem Auto erreichbar, heißt es. „Einige Grabbesucher müssen jedoch eine andere Einfahrt wählen.“ Die Friedhofsverwaltung rechnet deshalb mit weiteren Beschwerden.
Für den Besuch des westlichen Friedhofteils mit dem Pkw gilt die Einfahrt Fuhlsbüttler Straße; für den östlichen Teil sind die Einfahrten Kornweg, Bramfelder Chaussee und Seehof vorgesehen. Lorenz Palte, Vorsitzender des Steuerzahlerbundes Hamburg, kritisiert, dass sich die Strecke für Besucher dadurch teilweise verdreifache. Eine „smarte“ Schrankenlösung wäre besser und effizienter gewesen.