Hamburg. Ex-Inhaberin des Wandsbeker Bierlands bringt Buch mit 366 Texten über das Getränk heraus – für jeden Tag einen.

Sie kann vom Gerstensaft nicht lassen: „Hamburgs Bierkönigin“ Esther Isaak de Schmidt-Bohländer, ehemalige Inhaberin des Wandsbeker Geschäfts „Bierland“ an der Seumestraße, hat sich längst vom bodenständigen Bierhandel verabschiedet. Vor allem wegen der Dominanz der großen Handelsketten. Die Mittfünfzigerin kämpft aber weiter gegen den ihrer Ansicht nach grassierenden Verfall der Bierkultur.

Das jüngste Marketinginstrument der Frau, die einmal für die Satire-Partei „Die Partei“ Deutschlands erste Bierministerin werden wollte, ist ein Buch. Mit 30 Gleichgesinnten hat sie jetzt das anekdotenreiche, unkonventionelle Werk „Unser täglich Bier gib uns heute“ mit 366 Texten veröffentlicht (Verlag tredition Hamburg, 26,90 Euro). Für jeden Tag im Jahr servieren die Autoren genüsslich einen Text, manchmal hopfenherb, manchmal bitterironisch. Auf jeden Fall sind sie, ehrlich wie das deutsche Reinheitsgebot, von ihrer tiefen Liebe zum Bier getrieben.

Autorin plädiert für kleine, genossenschaftliche Brauereien

„Gerade in diesen Zeiten brauchen wir am Morgen Trost und Vorfreude auf das Feierabendgeschenk“, schwärmt Esther Isaak de Schmidt-Bohländer, die das Buch jetzt im Hamburger Sprechwerk präsentiert hat, samt Bierverkostung. „Wir“, bringt sie das Ziel dieser Publikation auf den Punkt, „wollen dem Bier helfen.“ Mitten in der Corona-Pandemie beklagt Schmidt-Bohländer, seit Langem Bierbotschafterin der renommierten Akademie Doemens, einen drastischen Verfall der Gasthauskultur. „Sie ist am Boden. Je kleiner der Betrieb, desto weniger kann er in Pandemiezeiten etwas machen“, sagte sie dem Abendblatt. Dazukommt, dass der Bierkonsum in Deutschland seit Jahren kontinuierlich zurückgeht.

Allein in Deutschland werden 6000 Sorten Bier gebraut
Allein in Deutschland werden 6000 Sorten Bier gebraut © Getty Images/iStockphoto

Erreichte der Pro-Kopf-Verbrauch mit 151 Litern in den 1970er-Jahren seinen Höhepunkt, so sind es heute durchschnittlich rund 102 Liter im Jahr. Als Gründe werden der demografische Wandel und das Bestreben nach gesünderer Lebensweise genannt. Gleichzeitig wächst die Markenvielfalt. Derzeit gibt es nach Angaben des Deutschen Brauer Bundes 6000 Sorten.

Auch in Hamburg haben sich einige Kreativbrauereien etabliert

Auch in Hamburg haben sich einige Kreativbrauereien abseits der marktbeherrschenden internationalen Konzerne etabliert. „Hamburger Brauer sind sehr flexibel und dynamisch“, sagt die Bierexpertin, die inzwischen tief im Süden von Mecklenburg wohnt. So habe sich die Kreativbrauerei Kehrwieder während des Lockdowns mit einer Dankeschön-Aktion hervorgetan. „Sie lieferte Betrieben, die ihr Leben im Einsatz für Menschen riskierten, eine Kiste alkoholfreies Bier kostenfrei.“ Die Anregung dazu kam von den Fans. „Bevor das Bier alt wird, tut man lieber etwas Gutes“, so die Buchautorin.

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Brauereichef Oliver Wesseloh sagte bei der Aktion im März: „Wir danken all denjenigen, die unser aller Leben jetzt am Laufen halten.“ Jeder könne sich kostenlos eine Flasche Road Runner alkoholfreies Coffee-Stout abholen. „Denn das macht nicht dun, sondern wach!“ Neu entstandene private Brauereien wie Kehrwieder, die Wildwuchs-Brauerei, Bunthaus Brauerei und Buddelship Brauerei beweisen, dass in Hamburg Hopfen und Malz längst nicht verloren sind. Aber generell steht der gesamte Markt unter dem Diktat der großen Konzerne, heißt es immer wieder in dem Buch. „Insgesamt geht es dem Bier schlecht, aus Lockdown-Sicht und davor auch schon“, sagt Schmidt-Bohländer. Eine Ursache sei die „Macht der Konzerne“. Das bedeute im Umkehrschluss: „Je kleiner eine Brauerei, desto unterstützenswerter ist sie.“

Esther Isaak de Schmidt-Bohländer (Hrsg.): „Unser täglich Bier gib uns heute“, 456 Seiten, ab 26,90 Euro.
Esther Isaak de Schmidt-Bohländer (Hrsg.): „Unser täglich Bier gib uns heute“, 456 Seiten, ab 26,90 Euro.

In ihrem Buch klagt die ungekrönte Hamburger „Bierkönigin“, dass es als Alternative zu den Monopolisten zu wenige genossenschaftlich organisierte Bierbetriebe gibt. In der gesamten deutschen Branche seien es „keine zehn“. Das sei sehr schade und liege hauptsächlich daran, dass die meisten Brauer gar nicht wissen, was genau ein genossenschaftliches Modell sei. Dabei biete dieser Wirtschaftsansatz viele Möglichkeiten, Verantwortung und Ertrag auf vielen Schultern zu verteilen. Auch der Umwelt- und Gesundheitsschutz spricht nach Ansicht der Bierexpertin gegen das konventionell gebraute Bier der Großbrauereien. Wäre dem Konsumenten klar, wie viele Pestizide im normalen Hopfenanbau eingesetzt würden und was alles in den Gerste-Acker komme, würde er wohl nie wieder konventionelles Bier trinken, meint sie. Zum Glück verhindert aber das deutsche Reinheitsgebot seit 1516 Schlimmeres. Davor nämlich wurde das Bier gerne mit Ruß (Dunkelbier) sowie Spuren von Stechapfel und Fliegenpilz angereichert.