Hamburg. Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Soleicha S. ihren Mercedes selbst angezündet und die Versicherung betrogen hat.
„Es war für uns wie unser kleines Baby.“ Was Soleicha S. da mit mütterlichen Gefühlen bedenkt, ist für andere vielleicht nur ein Gebrauchsgegenstand. Nützlich, um von A nach B zu kommen, mehr nicht. Doch die 37-Jährige bemisst ihrem Auto, das sie besaß, eine viel größere Bedeutung bei.
Auto angezündet: Angeklagte spricht von "Baby"
Das sei schon etwas Emotionales gewesen, ist der Tenor der Aussage der Angeklagten im Prozess vor dem Schöffengericht. Was sie nicht ausformuliert, was aber wohl unterschwellig mitklingen soll, ist vermutlich folgendes: Wer würde seinem „Baby“ freiwillig und absichtlich etwas Fieses antun? Sie jedenfalls nicht.
Doch laut Staatsanwaltschaft führte die Angeklagte mit ihrem Wagen etwas Böses im Schilde. Sie soll ihren Mercedes E-Klasse, der zu der Zeit rund 16.000 Euro wert war, in der Nacht zum 9. Juli 2017 Brand gesetzt haben, um dafür ordentlich von ihrer Versicherung abzukassieren.
Versicherungsbetrug vor Hintergrund der G-20-Randalen
Als die Assekuranz jedoch die Regulierung als Vollkaskoschaden ablehnte, so die Anklage weiter, habe sich die 37-Jährige eine neue Masche ausgedacht: einen Versicherungsbetrug vor dem Hintergrund der vielfältigen Randale anlässlich des G-20-Gipfels vom 6. bis 8. Juli 2017.
Denn nun soll Soleicha S. den vermeintlichen Brandschaden am 31. Juli 2017 bei der Hamburgische Investitions- und Förderbank zum Härtefallfonds für Entschädigungszahlungen der Opfer des G20-Gipfels angemeldet haben.
Angeklagte erhielt 14.967 Euro aus G-20-Fonds
Ein entsprechender Fonds war vom Bund und der Stadt Hamburg zum Ausgleich von Schäden durch die G-20-Krawalle aufgelegt worden. Neben Schäden an zahlreichen Geschäften, bei denen Fensterscheiben eingeschlagen, Fassaden beschädigt und die Läden geplündert worden waren, hatten Randalierer während des Gipfels Dutzende Autos in Brand gesetzt.
Bei der Meldung an die Versicherung habe Soleicha S. außerdem mitgeteilt, so die Anklage weiter, dass auf der Rückbank ihres Autos ein Perserteppich im Wert von 2700 Euro gelegen habe — obwohl es in Wahrheit lediglich günstige Ware für rund 175 Euro gewesen sei. Insgesamt wurden der Frau 14.957 Euro ausgezahlt.
Angeklagte bestreitet, "ihr Fahrzeug in Brand gesetzt zu haben"
Seine Mandantin bestreite, „ihr Fahrzeug in Brand gesetzt zu haben“, erklärt der Verteidiger von Soleicha S., die sich nun unter anderem wegen Betrugs und Brandstiftung vor Gericht verantworten muss. Zutreffend sei, dass sie ihre Versicherung über den Schadensfall informierte vor dem Hintergrund, „dass das Auto ohne ihr Zutun ausgebrannt ist“, so der Anwalt weiter.
Den Wertverlust für das vollkommen zerstörte Auto schließlich aus dem Härtefallfonds für Entschädigungszahlungen begleichen zu lassen, habe ihr sogar die Polizei geraten. Ein entsprechender Antrag, den sie bei der Versicherung stellte, sei tatsächlich mit einem Stempel der Polizei versehen, betont der Verteidiger.
Polizei soll Angeklagter zu Vorgehen geraten haben
Als ihr Auto in Flammen stand, sei sie gerade in ihrer Wohnung angekommen, beteuert Soleicha S. „Auf einmal stand die Polizei vor der Tür und sagte, dass mein Wagen in Brand geraten ist“, erzählt die aparte Frau. „Ich war einfach nur schockiert. Es war alles schon gelöscht, als ich wieder dort hingekommen bin.“
Der Verlust sei für sie sehr schmerzlich gewesen. „Zur Tatzeit war das Auto tiptop. Wir wollten das auch gar nicht verkaufen. Es war für uns wie unser kleines Baby.“ Sie habe bei der Polizei angerufen und dort die Information bekommen, dass sie den Brand als G-20-Härtefall der zuständigen Versicherung melden solle.
Auto brannte in Eidelstedt – weit entfernt von Demonstrationen
Den Antrag, den sie schließlich ausfüllte, habe sie mit der Post zugeschickt bekommen. „Erschien das für Sie plausibel, dass das ein G-20-Fall sein soll“, hakt die Staatsanwältin nach. Eidelstedt, wo Soleicha S. wohnt und wo ihr Auto geparkt war, als es in Flammen aufging, sei doch „ziemlich weit weg“ von dem Demonstrationsgeschehen anlässlich des G-20-Gipfels gewesen, merkt die Anklägerin an.
Das habe sie nicht weiter irritiert, versetzt Soleicha S. Bei der Angabe des Wertes des Teppichs allerdings sei sie vielleicht etwas übereilt vorgegangen. Ihr sei gesagt worden, dass es sich um einen hochwertigen Seidenteppich gehandelt habe. Tatsächlich habe sie ihn auf dem Schwarzmarkt erstanden, für 1000 Euro. Und für das Auto hätten nur sie und ihr Mann einen Schlüssel besessen, erklärt die 37-Jährige auf Nachfrage.
Keine technischen Defekte am abgebrannten Pkw festgestellt
Wie sollen da Fremde in das Auto gelangt sein? Für Manipulationen an einem der Wagenschlösser gebe es keine Anhaltspunkte, heißt es in einem Kfz-Gutachten. Laut einer weiteren Sachverständigen-Expertise über eine mögliche Brandursache sind keinerlei technischen Defekte an dem Wagen festgestellt worden, die als Auslöser für ein Feuer in Fragen kommen könnten.
Stattdessen fanden die Fachleute „zwei deutlich voneinander abgegrenzte Brandherde“, so das Gutachten weiter. Es spreche „viel dafür“, dass eine „Inbrandsetzung erfolgt“ sei. Der Prozess wird fortgesetzt.