Hamburg. Abstands- und Hygieneregeln stellen die Sportclubs in Hamburg vor organisatorische Probleme. Auch höhere Kosten drohen.
Mitgliederversammlungen sind nach deutschem Recht das höchste Organ der Vereine. Sie beschließen Haushalte, Satzungsänderungen, wählen Vorstände. Wegen des von der Bundesregierung Mitte März erlassenen Versammlungsverbots konnten sie monatelang nicht in gewohnter Form durchgeführt werden, bis zum Jahresende sollen nun die meisten nachgeholt werden. Viele der 830 im Hamburger Sportbund (HSB) organisierten Clubs haben damit aber Probleme. Bei den geltenden Abstands- und Hygienevorschriften sind Vereinsheime dafür oft zu klein.
Der HSB zieht für seine Vollversammlung am 10. November vom Haus des Sports am Schlump in das Hotel Grand Élysée an der Rothenbaumchaussee um. Der eigene Alexander-Otto-Saal, der gewöhnlich 200 Personen Platz bietet, wäre jetzt schon mit 36 Vereins- und Verbandsvertreten voll besetzt, im Festsaal des Hotels stehen 200 Stühle im Abstand von 1,5 Metern bereit. Das hat seinen Preis. Für Miete, Technik und Nebenkosten veranschlagt der Sportbund 10.000 Euro zusätzliche Ausgaben.
Stark rückläufige Mitgliederzahlen
Kosten zu vermeiden, ist das Gebot der Stunde bei zum Teil stark rückläufigen Mitgliederzahlen. Der Niendorfer TSV (8000 Mitglieder) verschiebt daher seine für den 27. Oktober geplante Jahreshauptversammlung auf das nächste Frühjahr. Der Club fürchtete wegen aktuellem Diskussionsbedarf einen zu großen Andrang, hatte dafür aber nicht die geeigneten Räumlichkeiten parat. Vereine, die ihre Präsenzversammlungen bereits durchgeführt haben, machten indes andere Erfahrungen wie der Rissener SV (3000 Mitglieder).
Weil in den vergangenen Jahren immer bis zu 150 Mitglieder erschienen, wich die Clubführung in die Sporthalle aus. 26 Vereinsangehörige kamen. „Vor allem Ältere meiden derzeit offenbar größere Zusammenkünfte. Das ist aber normalerweise jene Personengruppe, die in größerer Zahl an Mitgliederversammlungen teilnimmt“, sagt Rissens 2. Vorsitzender Sven Hielscher.
Rechtsanwalt Claus Runge ist Spezialist für Sport- und Vereinsrecht. Er berät den HSB und viele Clubs seit Jahrzehnten. „Mit dem Gesetz zur Abmilderung der Corona-Folgen vom 27. März stehen den Vereinen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, ihre in den Satzungen vorgeschriebenen Versammlungen durchzuführen“, sagt Runge. „Das ist momentan digital, schriftlich, mit Präsenz oder in Mischformen möglich, auch eine Verschiebung auf 2021 oder später ist gestattet, solange dieses Übergangsgesetz gilt.“ Runge selbst wird im nächsten Monat die Zusammenkunft des Altrahlstedter Männerturnvereins (AMTV/ 6000 Mitglieder) leiten. Sie soll weiter im Vereinsheim stattfinden, das vor Corona die Anwesenheit von 200 Personen erlaubte. Jetzt sind nur 50 zugelassen.
Was gilt bei digitalen Abstimmungen?
Vereine, bei denen Delegierte die Interessen der Mitglieder vertreten wie etwa die TSG Bergedorf (10.000 Mitglieder), haben es da organisatorisch leichter. Der ETV (15.000 Mitglieder) gestaltet seine Delegiertenversammlung am 19. November in hybrider Form, über die Videokonferenzplattform Zoom und einer kleinen Präsenzveranstaltung.
Ihre Versammlungen schriftlich durchzuführen, rät Runge nur kleinen Vereinen, da der Gesetzgeber vorschreibt, dass mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimme in Textform (Brief, Fax, SMS) abgeben muss. Die Zahl der Themen sollte dabei aus praktischen Erwägungen auf das Wichtigste reduziert werden, zum Beispiel den Haushaltsplan.
Bei digitalen Abstimmungen wiederum muss sichergestellt sein, dass nur Berechtigte voten. Verschieben Vereine ihre Versammlungen, bleiben die gewählten Vertreter, so sie denn wollen, so lange im Amt, bis die Wahl nachgeholt wird. Kann der Vereinshaushalt nicht verabschiedet werden, darf die Clubführung ohne Legitimation nur „das Allernötigste“ (Runge) ausgeben.