Hamburg. Fridays for Future ist die erste Massendemo in Corona-Zeiten mit Masken und viel Abstand: Tausende ziehen durch die City.
Sie haben ihre selbst gemalten, schon protesterprobten Schilder wieder ausgepackt und sind durch Hamburg gezogen: Ein Jahr nach der Mega-Demonstration am Jungfernstieg hat Fridays for Future den Massenprotest für mehr Klimaschutz unter dem Motto „Kein Grad weiter“ wieder auf die Straße gebracht – bei der „größten coronakonformen Demonstration in Hamburg seit dem Lockdown“, wie ein Sprecher sagte.
In drei Zügen marschierten die Klimaschützer von der Lombardsbrücke, vom Bahnhof Altona und dem Berliner Tor zur Ludwig-Erhard-Straße. Das Signal, das sie aussenden wollten: Wir sind wieder da. Die Polizei sprach von 6000 Teilnehmern, die Organisatoren von 16.000 Menschen. Der Verkehr in der City jedenfalls war lahmgelegt.
Demonstrationen von Fridays for Future ziehen durch Hamburg
Wenn die Klimaschützer hatten beweisen wollen, dass ein Massenprotest – zumindest mit ihren Anhängern – wieder möglich ist, dann ist ihnen das geglückt. Alle Demonstranten trugen Masken und hielten viel Abstand. Mitlaufende Ordner trennten den Zug mit rotweißem Flatterband quer über die Straße in Abschnitte. Immer wieder gab es Durchsagen: Bitte kein Gedrängel! So wirkte der Protest etwas verhaltener als früher – aber nicht unbedingt weniger kämpferisch. Auffällig: Es waren weniger Kinder unter den Demonstranten als sonst.
Günter Gelhaar war wie so viele mit einem selbst gemalten Schild gekommen. „Wir haben keine Zeit — schaut auf Kalifornien“, stand darauf. Auch die Grünen reihten sich ein: Die Demonstrationen von Fridays for Future zeigten, wie wichtig der Stadt der Klimaschutz sei, sagte Verkehrssenator Anjes Tjarks. „Wir brauchen den Druck von der Straße und die Grünen, um den Klimaschutz in den Parlamenten umsetzen“, meinte Ex-Senator Till Steffen.
Als die Demonstranten an der Stadthausbrücke vorbeizogen, erhielten sie ungewöhnliche Unterstützung: Ein HiFi-Laden beschallte die Straße aus Lautsprechern mit Pink Floyds „Another Brick in the Wall“. Der Protestklassiker als Solidaritätsadresse.
Wissenschaftlerin: Klimakrise mache keine Pause
Musik gab es auch bei der Abschlusskundgebung, die Fridays for Future gerichtlich erstritten hatte. Auf Höhe des Michels spielte die Band Giant Rooks auf einer Bühne, die weiträumig von den Demonstranten abgesperrt war.
Zuvor hatte die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung gesprochen. „Wir haben bei Corona gelernt, dass Deutschland in der Krise handlungsfähig ist und schnell auf Wissenschaft basierende Entscheidungen treffen kann“, sagte sie. „Wir können es rechtfertigen, uns mit Milliarden Euro neu zu verschulden – warum nicht auch zur Bekämpfung der Klimakrise?“
Die Klimakrise mache keine Pause. „Die Zeit läuft uns davon, wir dürfen nicht in Panik verfallen, aber wir müssen jetzt schnell handeln“, so Kemfert. Klimabewusste Konsumentscheidungen seien zwar gut, reichten aber nicht aus. Es müsse „New Green Deals“ geben und internationale Abkommen. Kemfert: „Wir sind die letzte Generation, die den Klimawandel aufhalten kann.“
Sprecherin von Fridays for Future kritisiert Regierung
Annika Rittmann, Hamburger Sprecherin von Fridays for Future, forderte „ein komplettes Umdenken in unserer Gesellschaft und Wirtschaft“. Die Menschheit rase gerade in hohem Tempo auf eine drei, vier oder fünf Grad wärmere Erde zu, doch seit der Riesendemonstration vor einem Jahr auf dem Jungfernstieg habe es von CDU und SPD nur Symbolpolitik gegeben.
Rittmann kritisierte in ihrer sehr kämpferischen Rede das „Klimapäckchen“ der Bundesregierung, das „Kohleverlängerungsgesetz“ und ein Corona-Konjunkturpaket, das die Belange des Klimaschutzes viel zu wenig mitberücksichtige. Sie warf dem rot-grünen Senat und insbesondere Bürgermeister Peter Tschentscher und seinem Finanzsenator Andreas Dressel (beide SPD) vor, in den ersten 100 Tagen ihrer neuen Amtszeit nichts für den Klimaschutz getan zu haben. Ihr Fazit: „Wir müssen weiter laut und unbequem sein.“
Klimaschützer erstreiten Kundgebung vor Gericht
Um die Größe der Protestmärsche hatte es zuvor juristischen Streit gegeben. Nach Bedenken der Gesundheitsbehörde hatte die Versammlungsbehörde kurzfristig aus Gründen des Infektionsschutzes nur zwei statt drei Demonstrationszüge mit jeweils 1000 Personen zulassen wollen und die Abschlusskundgebung ganz verboten. Dagegen zog Fridays for Future per Eilantrag vor das Verwaltungsgericht – mit Erfolg.
Am Freitagmorgen war klar, dass der Protest wie geplant stattfinden konnte, nur bei der Kundgebung waren größere Abstände gefordert. Zur Begründung schrieb das Gericht, dass die Stadt pauschal auf das abstrakte Infektionsrisiko und die geplante Personenzahl der Versammlungen abstelle, ohne sich mit dem konkreten Hygienekonzept des Anmelders auseinanderzusetzen.
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Und: „Das gegenwärtige Infektionsgeschehen ist nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch nicht derart gravierend, dass ohne nähere Begründung davon ausgegangen werden könnte, ein Aufzug oder eine Versammlung von mehr als 1000 Personen müsse (zwingend) untersagt werden“, hieß es in der Pressemitteilung.
Fridays-for-Future-Sprecher Florian König kritisierte die Entscheidung der Versammlungsbehörde. Die Mobilisierung für die Demonstration sei durch sie erschwert worden, sagte er.