Hamburg. Beim Asklepios Lebensretterpreis 2020 haben die Abendblatt-Leser per Telefon ihre Stimme abgeben. Das sind die Gewinner.

Als es kritisch wurde, schrie Susanne Thalemann den leblosen Körper ihres Mannes an: „Bleib‘ bei mir! Tu‘ mir das nicht an! Du kannst nicht gehen!“ Es ist immer eine gute Idee, auf seine Frau zu hören, doch im Falle eines Herzstillstandes besonders…

Superhelden haben nicht immer übermenschliche Fähigkeiten und tragen Masken oder Umhang. Manchmal decken sie auch einfach nur einen Abendbrottisch, gehen in Harburg spazieren oder sitzen im Büro – und müssen dann von einer zur anderen Sekunde ein Leben retten. Die Geschichten, die die Gäste des Asklepios Lebensretterpreises 2020 am Mittwochabend hörten, rührten manche zu Tränen.

Abendblatt-Leser wählten „Asklepios Lebensretter 2020“

100 Gäste aus der Hamburger Gesundheitsbranche sowie von Vereinen und Rettungsdiensten waren ins ehemaligen Hauptzollamt am Alten Wandrahm in der HafenCity gekommen; außerdem Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher und Reinhold Beckmann, der zusammen mit seinem Gitarristen später für die musikalische Untermalung der Verleihung sorgen sollte.

Reinhold Beckmann sang und spielte Gitarre.
Reinhold Beckmann sang und spielte Gitarre. © Michael Rauhe

Moderatorin Susanne Holst begrüßte die Anwesenden („endlich wieder eine Veranstaltung“) und erklärte das Abstimmungsverfahren: Die Abendblatt-Leser waren aufgefordert worden, jemanden aus dem Großraum Hamburg als den „Asklepios Lebensretter 2020“ vorzuschlagen, der durch Herzdruckmassage oder den Einsatz eines Defibrillators in den vergangenen 18 Monaten einen Menschen ins Leben zurückgeholt hatten. Aus all den Einreichungen hat eine Jury fünf Lebensrettungen ausgesucht und im Hamburger Abendblatt vorgestellt. Die Leser konnten per Telefon-Voting ihre Stimme abgeben.

Susanne Holst moderierte den Abend.
Susanne Holst moderierte den Abend. © Michael Rauhe

Sichtlich aufgeregt saßen die Nominierten nun im Publikum, darunter das eingangs erwähnte Ehepaar Thalemann. Der 67-jährige Robert war im Juni in der Küche zusammengebrochen, als er ein Tablett für das Abendessen auf die Terrasse holen wollte. Den Aufprall hörte seine Frau Susanne, rannte in die Küche und befreite zunächst einmal den Kopf des Gestürzten, der zwischen Tisch und Regal klemmte.

Frau rettet ihrem Ehemann das Leben

Weil er nie etwas am Herzen gehabt hatte, dachte die Eidelstädterin zunächst nicht an einen Stillstand. Doch Robert Thalemann röchelte und lief blau an. Seine Frau wählte 112 und machte sechs Minuten genau das, was man ihr am Telefon sagte: Über den Mann knien und auf das Herz drücken im Rhythmus des Liedes „Stayin‘ Alive!“. Ob die Bee Gees geahnt hätten, wie viele Leben sie mit ihrem Hit retten würden?

Susanne Thalemann rettete ihrem Mann Robert das Leben.
Susanne Thalemann rettete ihrem Mann Robert das Leben. © privat

13 Minuten war Robert Thalemann komplett weg, dann holen ihn die Sanitäter zurück. „Unvorstellbar, dass man das nicht mitbekommt“, sagt Robert Thalemann, der eigentlich immer sportlich war. Er lag drei Wochen lang im Krankenhaus, zwei davon auf der Intensivstation. Nach einer anschließenden Reha geht es ihm heute wieder gut, nur Autofahren darf er erst in wenigen Monaten wieder.

Wäre er alleine zu Hause gewesen, stünde er an dieser an diesem Abend nicht dankbar und gerührt auf einer Bühne: „Ohne Susanne wäre ich nicht mehr da. Die Liebe ist schöner geworden!“ Unter großem Applaus wurde Susanne Thalemann als Lebensretterin 2020 ausgezeichnet. „Sein Herz hatte ich eh schon, jetzt ist es irgendwie mein Herz“, sagt sie.

22-Jährige rettet Kollegen mit Herzdruckmassage

Auch die Geschichten der Zweit- und Drittplatzierten hatten eine gewisse Dramatik. Peter Geldschläger kommt vom Kaffeetrinken mit seinen früheren Kollegen, als er beim Autofahren hinter dem Steuer zusammensackt und an der Haakestraße in Harburg von der Fahrbahn abkommt.

Die 22-Jährige Aleksandra Maria Momberg sieht das, klettert in den Kofferraum, weil die Fahrertür blockiert ist, und schafft es mit Hilfe von Umstehenden, den Verunglückten aus dem Auto zu ziehen. Sie macht eine Herzdruckmassage bis die Sanitäter eintreffen. Der 79-Jährige überlebt. „Sie hat riesige Courage gezeigt, überhaupt in meinen Kofferraum reinzuklettern“, sagt Peter Geldschläger. „Ich möchte mich 1000 Mal bedanken bei ihr.“

Den dritten Platz erhielt Vivien Sander, die im Büro an einem Kollegen vorbeiging und seinen leeren Blick bemerkte. Die 26-Jährige wusste sofort, was zu tun war, schlug dem 59-Jährigen ins Gesicht und versuchte sicher 15 Minuten, ihn mit Herzdruckmassage zu retten. Am nächsten Tag hat die Pinnebergerin Muskelkater von ihrem Einsatz. Es ist wahrscheinlich der wichtigste Muskelkater ihres Lebens, denn ihr Kollege stand nun wieder gesund neben ihr auf der Bühne.

Einen Sonderpreis erhielten vier frisch ausgebildete Schulsanitäter. Die 16-Jährigen fuhren in einem Bus, als ein Mann plötzlich umkippte. Die jungen Leute handelten sofort. „Wir haben nicht viel gedacht, wir hatten ein Schema und das haben wir runter gerattert“, sagt Jonas Angerer. „Runterrattern“ – hanseatischer kann man eine Lebensrettung nicht untertreiben.

Drei Gewinnerinnen mit Medaillen ausgezeichnet

Peter Tschentscher sagte, alle Ausgezeichneten seien Vorbilder, „die andere motivieren können. Viele Leute haben vielleicht noch Hemmungen, etwas falsch zu machen, dabei kann gar nicht so viel passieren. Das Falscheste wäre, nichts zu tun.“

Es war die erste große Veranstaltung nach dem Lockdown, die der Asklepios-Konzern in Kooperation mit dem Hamburger Abendblatt in der Speicherstadt ausrichtete. Es sei toll, sich nach so langer Zeit mal wieder einen Anzug oder ein Abendkleid anzuziehen, bemerkten einige, doch natürlich mussten auch vor Ort die Hygienevorschriften eingehalten werden.

Nach dem Einlass wurde jeder direkt zu seinem Platz gebracht, den Aperitif erhielt er dort. Die Hostessen trugen Handschuhe und einen Mund-Nasen-Schutz, und der Buffetgang nach der Verleihung war klar geregelt: Angefangen mit der hinteren Stuhlreihe begaben sich die Gäste mit Abstand und Maske in das Zelt vor dem ehemaligen Hauptzollamt.

Dort glänzten immer wieder die Medaillen auf, die alle Nominierten erhalten hatten. Den drei Gewinnerinnen (ja, die besten Superhelden sind anscheinend Frauen) wird nun übrigens ein persönlicher Wunsch erfüllt: Vivien Sander wünscht sich Geld für ihre Ausbildung, Aleksandra Maria Momberg möchte gerne eine Reise unternehmen, und Susanne Thalemann wird mit ihrem Mann auf Kreuzfahrt von Kiel nach Oslo gehen.