Hamburg. Wird die Einkaufsmeile zur Fußgängerzone? Halbes Jahr Testphase, dann wird entschieden, ob Modell zur Dauerlösung wird.
Die Busse verschwinden aus der Mönckebergstraße und werden von März an über die Steinstraße umgeleitet, wie das Abendblatt exklusiv erfuhr. Dort wird für beide Fahrtrichtungen eine zentrale Haltestelle in Höhe der Hauptkirche St. Jacobi eingerichtet. Zwei Buslinien sollen statt über die Mönckebergstraße über den Ballindamm fahren. Auf der Steinstraße werden nach Abendblatt-Informationen zwei Busspuren und Fahrradspuren eingerichtet. Die Autos können weiterhin Richtung Hauptbahnhof fahren, allerdings dürfen Pkw die Steinstraße künftig nicht mehr stadteinwärts nutzen, sondern werden über den Klosterwall umgeleitet.
Diese Regelung soll zunächst für ein halbes Jahr bis zum Herbst 2021 gelten. Die Mö ist in diesem Zeitraum im Bereich des Levantehauses wegen der Bauarbeiten für den barrierefreien Ausbau der U-3-Haltestelle Mönckebergstraße komplett gesperrt. „Es wird jetzt die sechsmonatige Testphase geben, in der die Busse nicht mehr über die Mönckebergstraße fahren. Danach werden die Erfahrungen mit allen Beteiligten ausgewertet. Wir wollen testen, welche positiven und möglicherweise auch negativen Auswirkungen dies zum Beispiel für Fahrgäste, Kunden, Einzelhandel, Lieferanten oder Taxis, zu Fuß Gehende und Radfahrende hat“, sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf dem Abendblatt.
Für Kienscherf steht fest: „Das Ziel ist klar, wir wollen die Aufenthaltsqualität auf dieser beliebten Einkaufsstraße deutlich erhöhen.“
Die Maßnahme ist auch im rot-grünen Koalitionsvertrag festgehalten. „Mit der temporären Umleitung des Busverkehrs über die Steinstraße bringen wir innerhalb der ersten 100 Tage der neuen Regierungskoalition nach dem autofreien Jungfernstieg bereits das zweite Leitprojekt des rot-grünen Innenstadt-Konzepts auf den Weg. Hamburgs Innenstadt wird damit ab März 2021 nicht nur nochmals autoärmer, sondern gewinnt auch spürbar an Attraktivität“, sagte Gerrit Fuß, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen. Gerade in Zeiten von Corona bringe das neuen Schwung für Einzelhandel und Gastronomie auf der Mönckebergstraße.
Aus der Mö könnte eine große Fußgängerzone werden
Die rot-grüne Regierungskoalition hat flankierend zu der busfreien Mö einen umfassenden Antrag eingereicht, der am 16. September in der Bürgerschaft beschlossen werden soll. Er liegt dem Abendblatt vor.
So sollen nach dem Willen der Politik während der Testphase mehr Flächen für die Außengastronomie zur Verfügung gestellt werden. Zudem soll „eine begleitende Analyse der Verkehrsstromänderungen im Testzeitraum insbesondere im Bereich Steinstraße/Steintorwall/Steintorbrücke hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Straßennetz, den ÖPNV und den Rad- und Fußverkehr“ erstellt werden.
Auch mit der Zukunft beschäftigt sich der Antrag. „Es müssen nach Abschluss die Vor- und Nachteile sorgfältig abgewägt werden und auf dieser Grundlage ein Verkehrskonzept für den Bereich Mönckebergstraße, Steinstraße und Ballindamm erarbeitet werden“, sagte Kienscherf. Auf dieser Basis würde dann auch entschieden, ob die Busse nach der Testphase völlig aus der Mönckebergstraße verlagert werden.
Im Rahmen einer Stadtwerkstatt sollen Ideen für eine Nutzung und Entwicklung des öffentlichen Raums in der Mö erarbeitet werden. „Für eine angemessene Beteiligung der Hamburger werden wir im Rahmen der Stadtwerkstatt mit allen Interessierten diskutieren. Der öffentliche Raum gehört den Menschen, gestalten wir ihn gemeinsam“, sagte Grünen-Politiker Fuß.
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Das heißt, wenn es dauerhaft keinen Verkehr – bis auf die Anlieferung von Waren – mehr auf der Einkaufsstraße geben würde, könnte aus der Mö eine große Fußgängerzone werden. Als Vorbild dafür könnte die Kaufingerstraße in München dienen. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hatte bereits vor geraumer Zeit gefordert, dass die Mö zu einer Fußgängerzone werden solle, die für Fahrradfahrer freigegeben ist.
Hier fahren täglichrund 2000 Busse
Während des im März beginnenden Testzeitraums werden auch die Stadtrundfahrtenbusse verbannt. Lieferverkehr ist weiterhin zugelassen. Noch nicht final geklärt sei, ob Taxis bis zu der Baustelle im Bereich des Levantehauses fahren dürfen. Es wäre aber sinnvoll, wenn Taxis während der Testphase auch aus der Straße verschwinden würden, sagte Kienscherf.
Einigkeit herrscht darüber, dass das Busaufkommen auf der bekannten Einkaufsmeile viel zu hoch ist. 2000 Linienbusse verkehren hier am Tag. Immer wieder kommt es zu Unfällen. Erst Anfang August wurde ein Mann von einem Bus erfasst und hatte bei dem Sturz seine Tochter mit zu Boden gerissen, beide wurden bei dem Unfall zum Glück nur leicht verletzt.
Unterdessen wird der Jungfernstieg ab Oktober autofrei (wir berichteten). Busse, Taxis, Fahrräder und Lieferverkehr dürfen allerdings dort weiterhin fahren.