Rendsburg. Erst Ärger über Politik, Verbände und Medien, dann die Bereitschaft zum Wandel: Bauernpräsident Schwarz verdeutlicht emotional und rational das Spannungsfeld der Branche. Ein führender Umweltschützer spricht von einer Weltpremiere.
Die gesellschaftlichen Debatten und Forderungen zu Tierwohl, Produktionsweisen, Artenvielfalt und Umweltschutz haben in der Landwirtschaft tiefe Spuren hinterlassen. Dies machte Schleswig-Holsteins Bauernverbandspräsident Werner Schwarz beim digitalen Landesbauerntag am Freitag in Rendsburg deutlich. Zugleich forderte er seine Kollegen auf, notwendige Veränderungen aktiv voranzutreiben.
"Wir wollen unsere Betriebe erhalten, indem wir sie verändern", sagte Schwarz in einer Podiumsdiskussion. "Unsere Arbeitsweisen entsprechen in einigen Punkten nicht den gesellschaftlichen Ansprüchen." Diese seien in einem starken Wandel. "Eine Lösung gibt es nur mit der Landwirtschaft, im Dialog." Besonders im Zusammenhang mit der Tierproduktion und Umweltbelastungen ist die Landwirtschaft seit längerem teils massiver Kritik ausgesetzt.
Schwarz kritisierte, das Angebot der Landwirtschaft, mit der Politik zu reden, werde von maßgeblichen Stellen ignoriert. Er bezog dies speziell auf Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) lobte den vom Grünen-Landesminister Jan Philipp Albrecht 2018 angestoßenen Dialog mit Landwirtschaft, Handel und Verbrauchern. Er kündigte an, zum Bauerntag im nächsten Jahr werde die Landesregierung die Ergebnisse vorlegen und eine Kampagne zur Unterstützung der Landwirtschaft präsentieren. Wegen der Corona-Pandemie hatte der Bauernverband den traditionellen Landesbauerntag mit 1000 Landwirten und vielen Besuchern in diesem Jahr abgesagt.
Nicht genannten Verbänden warf Schwarz vor, sie betrieben teilweise Jagd auf Bauernfamilien. Und Medien spielten dabei mit. "Es geht um unsere Familien", sagte Schwarz mit Blick auf die Zukunftssorgen in der Branche. "Die Gesellschaft aber diskutiert über die Tiere". Dabei seien NGOs, also Nichtregierungsorganisationen, nicht immer fair, aber erfolgreich. Schwarz verwies auf Fortschritte in der Landwirtschaft und nannte als Beispiel einen massiven Rückgang beim Einsatz von Antibiotika.
Der Deutschland-Vorsitzende der Umweltorganisation WWF, Valentin von Massow, lehnte ein Feindbild zur Landwirtschaft ab. Es gehe um die Harmonie von Mensch und Natur; notwendig seien wissenschaftsbasierte Lösungen. Der Veränderungsdruck sei groß, und: "Der Druck kommt aus den wissenschaftlichen Daten". Im Grunde seien Umweltschützer und Landwirte in den Zielvorstellungen viel weiter beieinander als gedacht. Dass der Bauernverband den WWF anhöre, sei eine Weltpremiere, sagte von Massow anerkennend.
Auch Regierungschef Günther plädierte dafür, Probleme im Diskurs aufzulösen. So gehe es darum, Umweltmaßnahmen durchzusetzen, die auch im Interesse der Landwirte seien. Dem Bauernverband im Norden bescheinigte er, dieser habe in Deutschland Meilensteine gesetzt. Die Politik müsse mit der Branche über langfristige Perspektiven reden. Wenn ein Landwirt 2016 einen neuen Stall gebaut habe und die Politik jetzt neue Anforderungen stelle, führe das zu Frust. Unter Hinweis auf Düngemittel- und Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung beklagte auch Landwirtschaftskammer-Präsidentin Ute Volquardsen, politische Entscheidungen fielen in zu kurzer Abfolge.
Weil die Landwirtschaft von Natur aus ein träges System sei, müsse die Politik ihr vorausschauend Ziele setzen, sagte WWF-Chef von Massow. Die Interessenvertreter der Landwirtschaft wiederum hätten sich "ins Knie geschossen" mit der Haltung, der Klimawandel gehe sie nichts an. Der Bauernverbandspräsident wollte das sprachliche Bild nicht teilen, räumte aber ein: "Wir haben uns eingemauert, das ist richtig", sagte Schwarz.