Hamburg. Andreas Altenburg verkauft seit diesem Sommer den „Sahnehirsch“. Auch Hamburger Barkeeper Jörg Meyer entwickelte einen neuen Likör.

In Norddeutschland erzählt man sich die Legende über den Sahnehirsch, ein Wesen – halb Wild, halb Rind –, das die Tiefebene zwischen Dänemark und dem Harz durchstreift. Zuletzt wurde es immer häufiger gesichtet, vor allem auf Gartenpartys und Junggesellenabschieden. Andreas Altenburg lacht. Der Macher der Radio-Serie „Wir sind die Freeses“ weiß, wie man unterhaltsame Geschichten erzählt.

Seine neueste Story findet nun nicht mehr im Radio statt, sondern bei Edeka. In einigen Märkten gibt es seit diesem Sommer den „Sahnehirsch“, einen Likör mit 17 Prozent Alkohol, der bitter und cremig zugleich schmeckt. „Wir wollten Herbes cremig machen,“ sagt Altenburg, der das Produkt gemeinsam mit seinem besten Freund, seinem Sohn und wiederum dessen besten Freund entwickelte.

„Zwei junge Wilde und zwei alte Zweifler“, sagt Altenburg, das sei doch eine gute Mischung. Die vier Männer gründeten die Gebrüder Schlürf GmbH und blicken nun „mit Stolz auf unsere mehrwöchige Firmentradition zurück“, so der Komiker, der nun auch als Likör-Produzent agiert. Bei den Kunden kommt das ganz gut an. „Wie? DER Altenburg?“, fragen manche Einzelhändler und wünschen sich am liebsten, dass die Flaschen von ihm persönlich ausgeliefert werden. Macht er auch manchmal, gestern erst kutschierte er 72 „Sahnehirsche“ nach Elmshorn.

Altenburg wäre lieber eine graue Eminenz

Dabei bliebe der 50-Jährige eigentlich lieber eine graue Eminenz im Hintergrund der Produkt-Neuheit. Denn die Idee kam von seinem Sohn Jonas. Der Kommunikationsdesigner sollte für seine Abschlussarbeit eine fiktive Marke bilden. Er erdachte einen Namen, eine Flasche, das Logo, Werbeplakate, Flyer, eine Verpackung und verschiedene Merchandising-Artikel.

Die Note fiel so gut aus, dass sich die ­Altenburgs dachten: Jetzt fehlt ja eigentlich nur noch der Inhalt. Nach dem ganzen Gin-Hype­ wollten sie etwas komplett anderes herstellen, ihre Geschmacksidee bestand aus einer Kombination von Irish Cream und Jägerbitter. „Baileys war uns zu süß, Jägermeister zu hart“, sagt Altenburg.

Nordcraft Destillerie produziert den Kräuter-Sahne-Likör

Die Nordcraft Destillerie in Altona verhalf dem norddeutschen Kräuter-Sahne-Likör schließlich zur Marktreife. Die beste Uhrzeit für einen „Sahnehirsch“ ist aus Sicht der Erfinder nach 14 Uhr oder als Abschluss eines jeden Essens; als Glas empfiehlt Andreas Altenburg Omas Likörschale, sein Sohn hingegen bevorzugt das Schnapsglas.

Nun ist die erste Charge von 2000 Flaschen fast weg, die Gebrüder Schlürf müssen nachproduzieren. Sie dachten, der „Sahnehirsch“ würde ein reiner Weihnachtssaisonartikel. „Aber die Leute finden es eisgekühlt super“, sagt der Hörfunk-Comedian.

Dass Liköre auch im Sommer gut ankommen, sei gar nicht so ungewöhnlich, erklärt Jörg Meyer. Der Hamburger ist einer der bekanntesten Barkeeper Deutschlands und sagt, viele Leute würden gerade jetzt in der Hitze Likör trinken, ohne es wirklich zu wissen – und zwar in Form von Aperol Spritz. Der Likör Aperol erfreut sich einer fast unerklärlichen Beliebtheit.

"Erst der Likör bringt den Geschmack ins Glas"

Weil Likör wegen seines hohen Zuckergehalts (mindestens 100 Gramm pro Liter) kein gutes Image hat, werden in der Branche neue Bezeichnungen erdacht: Aperitifbitter beispielsweise. „Man verwendet das Wort Likör nicht, dabei ist er extrem wichtig“, so Meyer. „Eine gute Bar braucht eigentlich mehr Likör als Gin, denn erst der Likör bringt den Geschmack und die Varianz ins Glas.“ Folglich entwickelte auch Meyer einen eigenen Likör, den Dutch Cacao.

Grundlage eines Likörs sind immer Alkohol, Zucker, Wasser und eben jene Zutaten, die Aroma und Geschmack beitragen. Sie machen das Besondere der Rezeptur aus. Zur Herstellung eignen sich zwei verschiedene Methoden, die Mazeration (Pflanzen und/oder Früchte werden in Alkohol eingelegt, um deren Wirkstoffe herauszulösen, das kann jeder zu Hause machen) oder die Destillation. Das ist eher etwas für Profis, denn dafür braucht man einen Brennapparat.

Dutch Cacao – ein Likör von Jörg Meyer

Meyer erklärt anhand des Dutch Cacao, wie sein Likör entsteht: Man nimmt einen neutralen Alkohol, gibt ihn in eine Brennblase und erwärmt den Alkohol auf 55 Grad. Dann kommen geröstete Kakaobohnen aus Indonesien, die zuvor zerrieben wurden, hinzu. Zwölf Stunden liegen sie in dem warmen Alkohol, dann wird destilliert, und heraus kommt ein hochprozentiger Alkohol der nach Kakao schmeckt.

Für einen besseren Geschmack wird dieses Verfahren zweimal wiederholt. Anschließend kratzt man echte indonesische Vanilleschoten aus und destilliert diese. Im nächsten Schritt bricht man echten indonesischen Zimt und destilliert auch den. Als Letztes kommt 1 cl Arrak, eine Art Rum aus Palmenblättern, hinzu. Davon darf man nicht zu viel nehmen, weil Arrak sehr intensiv schmeckt. Schließlich wird das Ganze gezuckert, mit Wasser aufgefüllt, und man erhält einen klaren, für Kinder komplett ungeeigneten Kakao.

Der Likör Dutch Cacao eignet sich auch für Cocktails.
Der Likör Dutch Cacao eignet sich auch für Cocktails. © De Kuyper

Durch Cacao mit Vanilleeis oder als Kuchen-Zutat

Die enorme Intensität und Aromenexplosion eines solchen Likörs haben den Vorteil, dass man nur noch wenige Zutaten braucht, um einen perfekten Drink zu kreieren. Meyer empfiehlt, zu Hause Gin und Sahne dazuzurühren, von allen die gleichen Teile in ein Glas mit Eiswürfeln zu geben, fertig sei ein „Gin Alexander“. „Wer aus Niedersachsen kommt, kann ruhig die doppelte Menge Gin nehmen“, findet Meyer, ein Niedersachse natürlich.

Dutch Cacao wird allerdings zurzeit auch sehr gerne über Vanilleeis gekippt und zur Verwunderung von Meyer zur Zubereitung von Kuchen und Marmeladen verwendet. „Plötzlich bekomme ich von überall Fotos geschickt von begeisterten Konsumenten, die Rührkuchen oder Erdbeergelees mit dem Likör verfeinern“, sagt Meyer. „Dafür hatte ich ihn eigentlich gar nicht gedacht, aber was soll’s.“ Die besten Rezepte entstehen von alleine.