Hamburg. Verträge wurden aufgelöst. Stattdessen veräußert der Verlag seine markante Immobilie an einen Investor, der deutlich mehr bietet.
Es war einer der spektakulärsten Immobiliendeals der vergangenen Jahre: Ende 2016 wurde bekannt, dass die Stadt das markante, denkmalgeschützte Gebäude des Verlages Gruner + Jahr („Stern“, „Geo“, „Brigitte“) am Baumwall gekauft hat.
Oft wurde seitdem gefragt, wofür die Stadt das architektonisch anspruchsvolle Gebäude, das in Form und mit seinen Bullaugen-Fenstern an die Aufbauten eines Schiffes erinnert, eigentlich nutzen will. Behörden, wissenschaftliche Einrichtungen – viel war spekuliert worden, aber eine konkrete Antwort hatte es darauf nie gegeben.
Nun hat sich die Frage erübrigt: Denn der Kaufvertrag wurde wieder aufgehoben, stattdessen verkauft Gruner+Jahr an den international tätigen Projektentwickler Tishman Speyer. Das gaben Senat und Verlag bekannt.
Spekulationen über die Kaufpreise
Über die Kaufpreise, den alten und den neuen, schweigen alle Beteiligten. 2016 war spekuliert worden, dass die Stadt bis zu 150 Millionen Euro zu zahlen bereit ist. Das war nach Abendblatt-Informationen jedoch deutlich zu hoch gegriffen, demnach lag der ursprünglich vereinbarte Kaufpreis, der erst schrittweise bis 2024 fällig geworden wäre, unter 100 Millionen Euro.
Tishman Speyer, daraus machte Gruner+Jahr-Vorstandschefin Julia Jäkel keinen Hehl, hat dem Verlag nun ein deutlich attraktiveres Angebot gemacht. Daraufhin sei man auf die Stadt zugegangen und habe um die Auflösung der Verträge gebeten – auf die man sich auch einvernehmlich einigte. „Das ist eine gute Lösung“, so Jäkel, die eine „wirtschaftliche Verbesserung“ für den Verlag darstelle. Dieser will in drei bis vier Jahren in einen Neubau am Lohsepark in der HafenCity umziehen.
Kauf war für Stadt „Mittel zum Zweck, um Gruner + Jahr am Standort zu halten“
Auch auf Senatsseite zeigte man sich zufrieden, denn im Prinzip sei es der Stadt nie um die Immobilie gegangen: „Unser Kauf war immer Mittel zum Zweck, um Gruner + Jahr am Standort zu halten“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). Und Kultursenator Carsten Brosda (SPD) betonte: „Gruner + Jahr ist ohne Zweifel einer der wichtigsten Pfeiler des Medienstandorts Hamburg. Dass die Stadt dem Unternehmen eine langfristige Perspektive bieten kann, ist deshalb unverzichtbar.“
Tatsächlich hatte die Stadt zwar Überlegungen angestellt, wofür sich die Immobilie mit ihren gut 100.000 Quadratmetern Nutzfläche eignen könnte, aber ein Konzept lag noch nicht vor. Das zu entwickeln hätte ihm zwar „Spaß gemacht“, so Brosda, aber er räumte auch ein, dass es „keine einfache Immobilie“ sei, denn die vielen offenen Flächen, Brücken und vertikalen Durchlässe seien halt für einen einzigen Nutzer konzipiert worden.
Was er nicht so klar sagte: Im Prinzip ist man auf städtischer Seite auch froh, diese „komplizierte Immobilie“ (O-Ton Jäkel) wieder los zu sein – zumal die Auflösungsvereinbarung „großzügig“ zugunsten der Stadt ausgefallen sei, so Dressel: „Wir haben uns schadlos gehalten.“
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Was Tishman Speyer auf dem rund drei Fußballfelder großen Filetgrundstück direkt unterhalb der Michelwiese vorhat, ist noch offen. „Wir haben noch kein fertiges Konzept in der Tasche“, sagte Florian Reiff, Deutschland-Geschäftsführer des Unternehmens, das schon das Rockefeller Center und das Chrysler Building in New York saniert hat. Klar ist nur, dass das denkmalgeschützte Verlagsgebäude erhalten und „behutsam modernisiert“ werden soll. Erste Überlegungen sähen vor, das Erdgeschoss mit Kleingewerbe, lokalen Manufakturen und Gastronomie zu beleben und so zur Michelwiese und zum Portugiesenviertel hin zu öffnen. In jedem Fall wolle sich das von Tishman Speyer geführte Konsortium, zu dem noch der Konzern Versicherungskammer sowie der Pensionsfonds des E.on-Konzerns gehören, langfristig engagieren.
Wohnungen seien in dem Bestandsgebäude zwar kaum denkbar, sagte Reiff, könnten aber in einem zusätzlichen Neubau auf dem Grundstück entstehen. Die Stadt würde das begrüßen, sie hatte ähnliche Überlegungen, sagte Dressel. Auch Brosda betonte, dass man im Senat ein Auge darauf haben werde, was der Investor so plane: „Die Entwicklung des ikonischen, denkmalgeschützten Gebäudes am Baumwall durch Tishman Speyer wird die Stadt eng begleiten.“