Hamburg. Schulsenator Rabe justiert bei der Maskenpflicht nach. Dennoch zürnen Lehrer, Eltern und Politiker wegen Hamburgs Hygieneregeln.

Von Donnerstag an sollen die Schüler aller Klassenstufen wieder zum uneingeschränkten Präsenzunterricht in die Schulen zurückkehren. Laut Vorgabe der Schulbehörde soll die Abstandspflicht während des Unterrichts im Klassenraum aufgehoben werden. Schüler und Lehrer müssen während des Unterrichts keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen.

Am Montag kündigte Schulsenator Ties Rabe (SPD) allerdings eine eingeschränkte Maskenpflicht an weiterführenden Schulen an. Diese gelte zwar "für alle, die an der Schule sind". Sie beziehe sich jedoch lediglich auf die Zeiten außerhalb des Unterrichts. "Aber auf den Wegen, auf den Schulfluren, in den Pausen sind die Masken ausnahmslos zu tragen", sagte Rabe. Grundschulen seien unter Verweis auf die geringere Infektionsgefahr bei Kinder bis zu zehn Jahren von der Pflicht gänzlich ausgenommen.

Corona-Regeln an Hamburgs Schulen (Stand: 3. August):

  • Maskenpflicht an weiterführenden Schulen für alle Beteiligten, ausgenommen im Unterricht
  • Schüler und Beschäftigte müssen grundsätzlich den Mindestabstand einhalten
  • Schulen müssen eine entsprechende Wegführung und feste Areale auf den Pausenhöfen organisieren
  • Während des Unterrichts gilt die Abstandspflicht nicht
  • In besonderen Fällen können Schüler verschiedener Klassen miteinander lernen, etwa in Oberstufen- oder Wahlpflichtkursen
  • Schüler verschiedener Jahrgangsstufen müssen weiterhin untereinander den Mindestabstand einhalten
  • In Sport, Schwimmen, Musik und Theater sind große Abstandsregeln einzuhalten und Körperkontakte zu vermeiden
  • Schüler und Beschäftigte mit besonderen gesundheitlichen Risiken können sich per Attest vom Präsenzunterricht befreien lassen
  • Kranke Schüler sowie Urlaubsrückkehrer aus Risikogebieten, die keinen negativen Test vorweisen können und noch nicht in Quarantäne waren, werden umgehend nach Hause geschickt und dürfen die Schule vorerst nicht betreten
  • Bei Fernunterricht muss die Schule wöchentlich Telefongespräche mit den Schülern organisieren und den Austausch von Arbeitsbögen, Arbeitshefte, Bücher und handschriftlicher Arbeiten garantieren
  • Schulen müssen bis zu den Herbstferien in jeder Woche den vollständigen Unterricht erteilen
  • Projektwochen, Ausflüge, auswärtige Besuche sowie weitere Schulaktivitäten sind bis zu den Herbstferien nur erlaubt, wenn sie nicht zu Lasten der regulären Unterrichtsstunden gehen
  • Klassenreisen sind bis zu den Herbstferien untersagt

Eltern und Lehrer reagieren mit Unverständnis

Damit justierte der Senator die bisherige Vorgabe der Schulbehörde, die noch bis Sonntag für Flure und Treppenhäuser nur eine Empfehlung zum Tragen von Masken ausgesprochen hatte.

Dennoch wurde die leichte Verschärfung am Montag in den sozialen Netzwerken von vielen Eltern und Lehrern mit Unverständnis registriert. "Immer noch keine Abstandsregel und keine Maskenpflicht im Unterricht in den Klassenzimmern?", fragt eine Nutzerin auf Facebook. Schon zuvor waren dort die Vorgaben kritisch diskutiert worden. Das Abendblatt dokumentiert einige Beiträge in Auszügen.

Lehrerin Nicole Kloppenburg: „Die ansonsten geforderte Regel ,Abstand – Hygiene – Alltagsmasken‘ ist im Schulbereich in jahrgangsgleichen Kohorten komplett aufgehoben worden. Es ist unverantwortlich, uns so in den Schulalltag zurückzuschicken. Das Robert-Koch-Institut gibt etwas raus, die Kultusministerkonferenz handelt dagegen, und die Länder setzen es um. Das ist Fahrlässigkeit – und nicht nur das – im großen Stil. Sind wir so wenig wert, dass man uns bewusst dieser Gefahr aussetzt? Wir Lehrkräfte haben mitunter auch Familie, und es geht definitiv zu weit, hier gegen die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts vorzugehen und vor allem gegen die eigenen Verordnungen. Pädagogisch gefragt: Wer soll das den Schülern erklären? Wirkt das Coronavirus in der Schule anders als im übrigen Teil der Stadt? Unbedachte Sorglosigkeit im Umgang mit Corona sind die Folge. Corona ist vorbei – zumindest in der Schule, so dürften Schülerinnen und Schüler folgern. Übrigens: Das freiwillige Tragen der Masken bringt kaum etwas, wenn es das Gegenüber nicht auch tut. Daher regen sich Schüler, Eltern und Lehrkräfte zu Recht auf. Dass dahinter in der Regel Angst steckt, sich auch anzustecken und dies mit dem eigenen Leben bezahlen zu müssen, ist auch klar.“

Anna von Treuenfels-Frowein, FDP-Bürgerschaftsabgeordnete: „Wenn die Schulen jetzt wieder öffnen ohne Maskenpflicht, ist das schlicht verantwortungslos. Ich werde nicht lockerlassen, darauf hinzuweisen, das digitale Lernen endlich auszubauen. Kombiniert mit klassischen Lehrmethoden. Eine der Erkenntnisse aus Corona ist doch, dass wir, und das betrifft nicht nur Hamburg, sondern Deutschland insgesamt, da sehr weit zurückliegen im Vergleich zu anderen europäischen Ländern.“

Henning Voepel (Archiv)
Henning Voepel (Archiv) © HA | Michael Rauhe

Henning Voepel, Leiter des Hamburger WeltWirtschaftsInstituts: „Dass man vom Regelbetrieb ausgeht, der aber von Bedingungen abhängt, die man gar nicht kontrollieren kann, verwundert. Warum hat man nicht im Bundeskanzleramt, obwohl Ländersache, eine Taskforce eingerichtet, die in den Ferienwochen mit den besten Experten und 100 Millionen Euro verschiedene Szenarien entwickelt, Lehrfilme produziert, für Bildungsgerechtigkeit sorgt? Die Politik wirkt insgesamt zunehmend fahrig und inkonsistent in den Maßnahmen. Kritischer Moment, denke ich.“

Robert Heinemann, früherer schulpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion: „Als Vater von drei Kindern kann ich nur sagen: Die Aussagen der Schulbehörde sind ein schlechter Witz. Weshalb haben denn nicht einmal alle Lehrkräfte einen Dienstlaptop, mit dem sie Videokonferenzen machen können? Weshalb gibt es keinen Gerätepool für Kinder, die kein Gerät für Videokonferenzen zu Hause haben? Man hat versäumt, in den vier Monaten seit Anfang April ein Homeschooling-Konzept als Alternative zu erarbeiten, das ansatzweise diesen Namen verdient. Bin ehrlich gesagt etwas fassungslos.“