Hamburg. Sedimente aus der Tideelbe bedrohen Natur und Bauern in den Vier- und Marschlanden. Bürgerinitiative kämpft für Wasser-Paradies.
Über der beschaulichen Dove Elbe, einem Gewässer ohne Ebbe und Flut, braut sich derzeit ein Proteststurm zusammen. 70 bis 100 Boote werden am Sonnabend Kurs auf die Landungsbrücken nehmen und dort von 13.30 Uhr an mit Spruchbändern und Flyern für den Erhalt der Dove Elbe ohne Gezeiten (Tide) demonstrieren. „Die Dove Elbe darf nicht zum Retter des Hamburger Hafens werden“, sagt Heiko Buhr, Eigner der Bergedorfer Schifffahrtslinie.
Der Reeder gehört zum harten Kern der Bürgerinitiative „Dove Elbe retten“, die bislang mehr als 13.100 Unterschriften gegen ein Projekt gesammelt hat, das ein ökologisches Paradies samt Eisvögeln und Bibern, Gewerbetreibenden, Wassersportlern und die Landwirtschaft in den Vier- und Marschlanden existenziell bedrohen könnte.
Der Bergedorfer CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Dennis Gladiator hält Überlegungen des Forums Tideelbe, eines Zusammenschlusses von 60 Interessengruppen aus der Region und den Ländern Hamburg, Schleswig-Holstein sowie Niedersachsen, für grundlegend falsch, sodass er immer wieder betont: „Der minimale Nutzen rechtfertigt nicht die schwerwiegenden Folgen für die Region und weit darüber hinaus.“
Jährlich werden rund zehn Millionen Tonnen Schlick aus dem Hafen gebaggert
Hinter den Vorstellungen steht das Ziel des rot-grünen Senats, die Tideelbe nachhaltig zu entwickeln. Vor allem die Sedimente im Strom sind eine permanente Last. Jährlich müssen rund zehn Millionen Tonnen Schlick aus dem Hafen gebaggert werden. Die Hamburger Steuerzahler kostet das Ausbaggern in der Tideelbe jährlich knapp 100 Millionen Euro, kritisiert die Umweltschutzorganisation BUND.
Bedrohtes Wasser-Paradies Dove Elbe
Bedrohtes Hamburger Paradies – die Dove-Elbe
Um neue Wege für das Sedimentmanagement und den Strombau zu finden, wurde das Forum Tideelbe begründet. Das von der Umweltbehörde getragene Gremium lotet insgesamt fünf Maßnahmen mit dem Ziel aus, das Sedimentmanagement in der Tideelbe zu verbessern.
Dove Elbe hat sich zu einem einzigartigen Lebensraum entwickelt
Im Visier einer Machbarkeitsstudie ist neben der Haseldorfer Marsch und weiteren Regionen die Dove Elbe (von niederdeutsch dov = taub). Sie könnte, sollte die Politik eine entsprechende Entscheidung treffen, künftig geflutet werden und damit tonnenweise Sedimente aufnehmen. Der 18 Kilometer lange Nebenarm der Elbe wurde durch den Bau der Tatenberger Schleuse im Jahr 1952 endgültig vom Gezeitenstrom getrennt und hat sich seitdem zu einem einzigartigen Lebensraum entwickelt.
Die Öffnung der Dove Elbe für die Tide dürfte nach Angaben der Bürgerinitiative 2000 Wassersportler, rund 20 Firmen und 4000 Anwohner treffen. Wolfgang Schnorrenberg, Vorsitzender des Hamburger Yacht Clubs (HYC), der die Pläne schlichtweg für eine „Schnapsidee“ hält, sagt: „In fünf Jahren wäre unser Yacht Club komplett verschlickt.“
Auch Torsten Möller, Chef des Sportboothafens Möller, sieht die Existenz seiner Marina gefährdet, weil dort zwei Strömungslenker aus Stahl entstehen sollen. Auch die Schiffe der Bergedorfer Schifffahrtslinie dürften Probleme mit dem Schlick bekommen. Folgen hätten Ebbe und Flut nicht zuletzt für das Wassersport-Zentrum Allermöhe mit seiner Regattastrecke.
Sprecher der Umweltbehörde: Noch ist nichts entschieden
Dass der Anschluss der Dove Elbe an die Tideelbe zu Problemen in der Landwirtschaft führt, macht CDU-Politiker Gladiator deutlich. Die Sedimente seien mit Kupfer und giftigen, krebsauslösenden PCB (Polychlorierte Biphenyle) belastet. Der Schadstoffeintrag könnte katastrophal und der „Gemüsegarten Hamburgs zum Sanierungsfall wegen der Boden- und Wasserbelastung“ werden, warnte Gladiator den Senat.
Auf Abendblatt-Anfrage macht der Sprecher der Umweltbehörde, Björn Marzahn, deutlich, dass noch nichts entschieden sei. „Bei den Untersuchungen im Rahmen des Forums Tideelbe geht es darum, zu prüfen, ob ein Tideanschluss überhaupt sinnvoll, technisch und rechtlich machbar sowie ökologisch vertretbar ist. Das alles passiert in einem vollkommen ergebnisoffenen und transparenten Prozess.“
Bürgerinitiative "Dove Elbe retten" ist zu weiteren Protesten bereit
Ende September bzw. Anfang Oktober sollen die Gutachten, Machbarkeitsstudien und Handlungsempfehlungen vorgestellt werden. Der Bericht „Maßnahmen zur Gewinnung von Flutraum in der Dove Elbe“, vorgelegt vom Unternehmen DHI Wasy GmbH, kam jedenfalls zu dem Ergebnis, dass die Wirkungen auf den Sediment-Transport „positiv“ sind. Der Naturschutzbund Nabu begrüßt das Vorgehen des Forums Tideelbe als „richtig und wichtig“. Um für die Tideelbe Verbesserungen zu erreichen, müssten wirksame Maßnahmen umgesetzt werden, sagt Gewässerschutz-Experte Eike Schilling.
Im Blick auf die Dove Elbe betont er: „Es gehen Stillgewässerlebensräume verloren. Einige Arten verschwinden, andere Arten finden hier ihren Lebensraum. Wichtig ist hier aus unserer Sicht, dass sich bei einer möglichen Tideanbindung Süßwassertidelebensräume entwickeln würden, die besonders wertvoll und sehr selten sind.“
Die Bürgerinitiative ist indes zu weiteren Protesten und Aktionen bereit. „Wir wehren uns gegen diesen Irrsinn“, sagen die Mitstreiter und können jetzt auch auf die handwerkliche Unterstützung der Landfrauen zählen: Sie haben gerade gelbe Mund-und-Nasen-Schutzmasken mit der Aufschrift „Dove Elbe retten“ genäht.